Anthony geht mit seinem kleinen Sohn spazieren. Eine alte Karre rast heran, der Fahrer überrollt den Jungen – offenbar gezielt, ganz absichtlich. In Anthony kocht der Zorn über, überwältigt ihn, verwandelt ihn. Seine Haut wird stählern, sein Atem metallisch. Anthony transformiert sich: vom Menschen zum Androiden, zum amoklaufenden Monstrum. Der autofahrende Kindermörder schickt ihm anonyme Botschaften, die Anthony auf die Spur bizarrer Gen-Experimente führt, die sein Vater einst in einem geheimen Labor unternahm: Das Projekt „Tetsuo – The Bullet Man“.
Der gleichnamige Experimentalfilm des japanischen Regisseurs Shinya Tsukamoto ist nun in Deutschland auf DVD erschienen – und fordert den Zuschauer heraus: visuell, akustisch, metaphorisch. Denn „Tetsuo“ ist keine leichte Kost. Vor allem durch den exzessiven Einsatz der Handkamera strapaziert Tsukamoto die Sehnerven aufs Äußerste, erzeugt aber auch – im Takt stampfender industrieller Klänge – eine expressionistische Wucht, wie sie eben nur die japanischen Filmemacher heute noch entwickeln. Im Stakkatotakt bombardiert er uns minutenlang mit Bildfetzen, um dann sein Tempo im nächsten Moment wieder enorm zu drosseln.
Fazit:
Alles andere als entspannendes Samstagabendkino – aber wer am Ball bleibt, wird mit einer kraftvollen Inszenierung des Selbstentfremdungs-Motivs belohnt, die manchmal wie eine Comic-Verfilmung, dann wieder wie ein Experimentalfilm daher kommt, allerdings punktuell auch schwache Szenen hat. Ein Geheimtipp für Filmfreunde mit starkem Magen. Heiko Weckbrodt
„Tetsuo – The Bullet Man“ (Koch Media), SciFi-Horror, R.: Shinya Tsukamoto, Japan 2009 (DVD 2011), DVD 16, Bluray 26 Euro, je nach Fassung P 16/P18, 71 MinutenIhre Unterstützung für Oiger.de!
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