Fraunhofer-Plasmainstitut FEP entwickeln Dünnglas, das Wärme nur bis 20 Grad durchlässt – aber immer durchsichtig bleibt
Dresden, 12. Oktober 2022. Um in Schulen, Bürokomplexe und anderen Gebäude viel Energie zu sparen und Jalousien überflüssig zu machen, hat ein Team um die Dresdner Fraunhofer-Ingenieurin Dr. Cindy Steiner neuartige Wärme-Abblockfenster entwickelt. Die sperren ab einer vorgegebenen Temperatur von beispielsweise 20 Grad die Wärmestrahlen im Sonnenlicht aus. Anders als bisherige Abdunkel-Scheiben bleiben sie dabei aber für das menschliche Auge voll durchsichtig und verfärben sich kaum. Je nach Ort und Haus lässt sich damit der Verbrauch an Heiz- und Kühlenergie im Winter beziehungsweise Sommer um zehn bis 60 Prozent senken, kalkuliert Gruppenleiterin Cindy Steiner vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden.
Weltweit erstes Thermochrom-Dünnglas „von der Rolle“ hergestellt
Ihrem Team ist es nun – laut eigenen Angaben – als weltweit ersten gelungen, solche „Thermochrom“-Schichten aus Vanadiumoxid auf Dünnglas im Rolle-zu-Rolle-Verfahren zu erzeugen. Dabei haben die Forscherinnen und Forscher in einem kontinuierlichen Produktionsprozess von einer Rolle Glas abgewickelt, das nur rund 100 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünn ist. Durch seine Elastizität lässt sich dieses Glas ähnlich wie eine Kunststofffolie verarbeiten und auf Fensterscheiben aufbringen. Anders als Kunststoff hält das Dünnglas aber eben auch die Hitze in den Vakuumkammer aus, die für die neue Thermochrom-Beschichtung sorgen.
Infrarot-Blocker bleibt fürs menschliche Auge unsichtbar
Die Bezeichnung „thermochrom“ leitet sich dabei von den altgriechischen Worten „chroma“ (Farbe) und „thermo“ (heiß) ab. Denn diese Fenster ändern temperaturabhängig ihre Farbe. Eine Alternativmethode nennt sich „elektrochrom“ – hier ändert das Glas seine Eigenschaften, wenn eine elektrische Spannung anliegt. Für beide Technologien haben es Fraunhofer-Forscher im Zuge des „Switch2Save“-Projektes inzwischen geschafft, die „Verfärbung“ in einen für uns unsichtbaren Bereich zu verlagern: Das Fraunhofer-Glas filtert nur Infrarotstrahlen heraus, die für Wärme sorgen, bleibt aber ansonsten transparent. Bei bisher üblichen Lösungen, die unter anderem auf teurem Silber basieren, werden die Scheiben meist blau oder gelb, wenn die Sonne strahlt – und sie können Sommer und Winter nicht unterscheiden. Dies ändert sich nun mit den neuen Thermochrom-Dünngläsern, die flexibel auf das tatsächliche Mikroklima vor Ort reagieren, sich beim Umschalten nur wenig verfärben und deren Beschichtung aus preiswertem Vanadiumoxid statt Silber besteht.
Tages- statt Kunstlicht
Nicht zuletzt lasse sich damit auch Strom sparen, weil die Fenster eben immer Tageslicht durchlassen, Kunstlicht also oft überflüssig wird. „Das kommt einem Architekturtrend entgegen, der etwa in den 1980er Jahren eingesetzt hat und sehr große Glasfassaden bevorzugt“, meint die Forscherin. Dabei gehe es nicht allein um die Optik eines Gebäudes, sondern auch um einen Nachhaltigkeitsgedanken: „Dieser Ansatz versteht Tageslicht als natürliche Ressource.“
Nachrüstversuch an Dresdner Schulen geplant
Die neuen Thermochrom-Effekte sollen künftig auch an Fenstern von Altbauten nachrüstbar sein, verspricht Steiner. Im Zuge des Projektes „Flex-G4.0“ sind demnächst erste Versuche in zwei Dresdner Schulen geplant. Außerdem wollen die Fraunhofer-Experten ihr neues Thermochom-Glas noch mit Technologien aus dem „Internet der Dinge“ (IoT) aufmotzen: Zusätzliche Sensoren, Steuerelektronik und Funkmodule, die mit der Heiz- und Klimatechnik im Haus gekoppelt sind, sollen für zusätzliche Energie-Einsparungen sorgen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: Fraunhofer FEP, Vor-Ort-Termin
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