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Zweitplatzierte Sachsen bemühen sich nun um TSMC-Chipfabrik

Vor allem die modernen 300-mm-Fabriken von TSMC sind stark ausgelastet. Foto: TSMC

Vor allem die modernen 300-mm-Fabriken von TSMC sind stark ausgelastet. Foto: TSMC

Nach Niederlage im Intel-Wettbewerb sucht der Freistaat nach alternativen Investoren

Dresden, 18. März 2022. Nach dem verlorenen Wettbewerb um die Intel-Großansiedlung in Europa bewirbt sich Sachsen nun weiter um den „Trostpreis“: eine Chipfabrik des weltweit größten Halbleiter-Auftragsfertigers TSMC aus Taiwan. Das hat Thomas Horn, der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS), indirekt bestätigt. Auf die Frage, ob sich der Freistaat um TSMC bewerbe, sagte er: „Wir bemühen uns um weitere Ansiedlungen in der Mikroelektronik.“

Im Intel-Kontest scheiterte Sachsen wohl im Zielfeld

Und die Sachsen schätzen ihre Chancen trotz der jüngsten Niederlage zu Gunsten von Magdeburg gar nicht so schlecht ein. Denn nachdem Intel verkündet hatte, multimilliardenteure Chip-Großfabriken in Europa bauen zu wollen, hatte der US-Halbleiterriese daraufhin mutmaßlich rund 50 Bewerbungen aus zehn Ländern bekommen. Und in diesem großen Teilnehmerfeld qualifizierte sich Sachsen laut Horn immerhin für die „Silbermedaille“, landete demnach wohl auf dem zweiten Platz hinter den Sachsen-Anhaltinern.

Wirtschaftsminister Martin Dulig (links) und Thomas Horn, der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) im Kraftwerk Mitte in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Martin Dulig (links) und Thomas Horn, der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS). Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsen hatten den Amerikanern ein Areal nahe Leipzig angeboten

Was genau das Intel-Pendel zu Gunsten von Magdeburg ausschlagen ließ, darüber rätseln die WFS-Experten zwar immer noch. Horn will zumindest versuchen, die Gründe nachträglich bei den US-Amerikanern zu erfragen. In die Waagschale hatte Sachsen wohl ein großes Grundstück nahe bei Leipzig geworfen und außerdem mit den sächsischen Fachkräften sowie den bereits im Raum Dresden angesiedelten Mikroelektronik-Fabriken und -Zuliefern geworben. Dass sich die sächsische Landeshauptstadt selbst nicht beworben hatte, lag wohl am immensen Flächenbedarf, den Intel für seine zwei Megafabs angemeldet hatte. „Solch großen Flächenbedarf können Sie in einer Stadt wie Dresden nicht decken“, erklärte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Daher habe man ein Areal in der Region Leipzig angeboten – wenn auch vergeblich.

Moderne Megafabs immer durstiger – nach Land, Wasser und Energie

Tatsächlich nehmen moderne Megafabs – ob sie nun Chips, Elektroautos wie in Berlin-Grünheide oder Akkus herstellen – heutzutage erhebliche Flächen ein. Zudem brauchen sie eine sehr leistungsstarke Wasser- und Energieversorgung, vorzugsweise aus erneuerbaren Quellen. Speziell für Chipfabriken wünschen sich die Ingenieure vorzugsweise Grundstücke, unter denen man rasch auf Felsen stößt, um die Reinräume möglichst erschütterungsfrei zu lagern. All diese Anforderungen hatte im „Intel-Kontest“ das Kandidatenfeld bereits erheblich eingedampft.

Fachkräfte-Thema könnte Minus- oder Pluspunkt gewesen sein

Zwar mag eigentlich auch das Reservoir aus erfahrenen Halbleiter-Fachkräften und akademischen Nachwuchsschmieden eher für Sachsen als Magdeburg gesprochen haben. Womöglich fürchtete Intel aber auch, gerade im Freistaat zu sehr mit anderen Chipfabriken um die besten Köpfe konkurrieren zu müssen, spekulierte Thomas Horn. Abzuwarten bleibt, wie dieser Abwägungsprozess beim nächsten Mal ausgeht. Dem Vernehmen nach erwägen nicht nur die TSMC-Chefs, sondern auch der südkoreanische Samsung-Konzern und weitere Mikroelektronik-Konzerne im Rahmen ihrer Resilienz-Programme ebenfalls Fabrikbauten in Europa. Und dann könnte Sachsen endlich wieder zum Zuge kommen.

Seit Trump und Corona wollen immer mehr Unternehmen „resilient“ werden

Ein Hintergrund: Vieler dieser Unternehmen wie eben beispielsweise TSMC wollten früher am liebsten überhaupt nicht jenseits der eigen Landes- oder zumindest Kulturkreisgrenzen in auswärtige Fabriken investieren. Dieses Meinungsbild hat sich seit Donald Trumps Handelskriegen, Corona und anderen schweren Lieferketten-Störungen gewandelt: Resilienz, also Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit, ist zum neuen Megatrend in der globalisierten Industrie geworden. Eine dieser Resilienz-Strategien ist es, Fabriken auf mehreren Kontinenten zu bauen und diese dann zu virtuellen Giga-Fabs zusammenzuschließen, wie es beispielsweise Infineon derzeit forciert. Gibt es dann in einem Produktionsland ein Erdbeben, kommt eine enteignungsfreudige neue Regierung an die Macht, bricht ein Krieg oder eine Epidemie aus, dann verschiebt die virtuelle Fabrik die ausgefallene Produktion flexibel auf ihre anderen Standorte. Solche Konzepte sind – neben einer neuerdings gestiegenen Subventionsbereitschaft vieler Staaten – einer der Gründe, warum in jüngster Zeit wieder vermehrt Großansiedlungen in Europa zu beobachten sind.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: WFS, SMWA, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt