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Krebs-Diagnostika aus der Elektronenkanone

Mit diesem Hauptmodul der Strahlungsquelle ELBE können Wissenschaftler*innen Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Im Experiment von SMART treffen die Elektronen auf ein winziges Molybdän-Target. Es entsteht elektromagnetische Bremsstrahlung, die aus den Atomkernen je ein Neutron herausschlägt, sodass das Radioisotop Mo-99 als Produkt übrigbleibt. Foto: Jürgen Jeibmann für das HZDR

Mit diesem Hauptmodul der Strahlungsquelle ELBE können Wissenschaftler*innen Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Im Experiment von SMART treffen die Elektronen auf ein winziges Molybdän-Target. Es entsteht elektromagnetische Bremsstrahlung, die aus den Atomkernen je ein Neutron herausschlägt, sodass das Radioisotop Mo-99 als Produkt übrigbleibt.
Foto: Jürgen Jeibmann für das HZDR

Rossendorfer Physiker finden mit Benelux-Partnern alternative Quelle für das medizinisch wichtige Molybdän 99

Dresden, 23. Februar 2022. Auch ohne Kernspaltung und Atomkraftwerke werden sich künftig weiter radioaktive Isotope vom Typ Molybdän 99 beziehungsweise Technetium 99 erzeugen lassen, die für bildgebende Verfahren in der Krebs-Diagnostik gebraucht werden. Das hat das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) zusammen mit Partnern aus den Niederlanden und Belgien nun in einem aufwendigen Experiment nachgewiesen.

Strahlendes Isotop lagert sich an Tumoren an

Dafür haben die Physiker am Rossendorfer „Elbe“-Beschleuniger“ gewöhnliches Molybdän so lange massiv mit Elektronen beschossen, bis aus dem normalen Atomkern ein Neutron ausscherte.Zurück blieb das gewünschte Molybdän 99, aus dem wiederum Technetium 99 gewonnen wird. Nuklearmediziner spritzen dieses Isotop beispielsweise Krebspatienten, weil sich an Antikörper gekoppeltes Technetium 99 an Tumore anheftet. Weil es dort dann strahlt, können die Mediziner dann von außen die Krebsgeschwüre besser orten. Die Patienten scheiden das Präparat dann auf natürlichem Wege aus.

Bisher wurde Molybdän 99 – und damit letztlich auch Technetium 99 vor allem bei der Spaltung von Urankernen in Atomkraftwerken oder durch Neutronenbeschuss gewonnen. Weil dabei aber auch radioaktiver Abfall entsteht, der die Umwelt belasten kann, hatten sich das HZDR, die niederländische Technologie-Unternehmen Demcon und ASML sowie das belgische Institut für Radioelemente (IRE) zu einem Forschungsverbund zusammengeschlossen. Im Projekt „Source of MedicAl RadioisoTopes“ (Smart) suchten sie nach alternativen Wegen, um auch ohne Kernspaltung an die Diagnose-Mittel zu gelangen.

Das ist nun gelungen, wenngleich unter großem Aufwand: „Wir haben die Elbe an ihre Leistungsgrenze gebracht und ein millimeterkleines Target bestehend aus Molybdän fast eine Woche lang nonstop mit einem 30-Kilowatt-Strahl aus hochenergetischen Elektronen beschossen“, berichtet Elbe-Leiter Prof. Peter Michel vom Institut für Strahlenphysik am HZDR. „So konnten wir eine Energie von insgesamt 13 Gigajoule in einem winzigen Volumen deponieren. Das ist in etwa vergleichbar mit der kinetischen Energie einer vollbeladenen Boeing 747-400, die mit einer Geschwindigkeit von rund 900 Kilometern pro Stunde fliegt.“

Auch mussten die Experimentatoren das Molybdän-Ziel („Target“) mit flüssigem Natrium kühlen, damit es nicht sofort unter dem Beschuss verdampft. „Der Elbe-Beschleuniger ist die einzige Forschungsanlage in Europa, die für unser Experiment infrage kam, weil wir nur hier eine ausreichend hohe Strahlqualität vorgefunden haben, die wir auch über mehrere Tage hinweg stabil abrufen können“, betonte Demcon-Ingenieur Johannes Jobst.

Die Forscher und Ingenieure sind zuverlässig, dass sich das Verfahren letztlich weiter vereinfachen und zur Industriereife bringen lässt, so dass auch größere Ausbeuten bei nicht ganz so großem zeitlichen Aufwand möglich sind. „Die Vorteile der neuartigen Methode liegen auf der Hand“, hieß es vom HZDR. „Weil Molybdän-100 als Ausgangsmaterial zum Einsatz kommt, muss anders als in Kernreaktoren kein schweres Uran mehr gespalten werden. Somit würden auch viel weniger radioaktive Abfälle entstehen.“

Autor: hw

Quellen: HZDR, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt