Über 120 Experten diskutieren heute bei Online-Kolloquium der TU Dresden, wie sich alte Nachteile von Holz überwinden lassen
Dresden, 15. April 2021. Seit Ingenieure angefangen haben, Technologien aus dem Fahrzeug-, Metall- und Maschinenbau sowie anderen Disziplinen zurück aufs Holz zu übertragen, erlebt dieser alte Naturstoff eine wahre Renaissance in der Industrie: Junge Unternehmen wie die Dresdner Uni-Ausgründung „Lignoa“ legen Holzfurniere ähnlich aus wie Karbon und erhalten dadurch hochfeste Leichtbauteile. Andere setzen Holz-Alu-Verbundplatten ein, um leichtere Züge zu bauen. Naturstoff- und Raumfahrt-Experten der TU Dresden haben eine ganze Raketenspitze aus Holz konstruiert. Ein Tischler hat es gar geschafft, eine komplette CNC-Fräse aus Holz zu bauen. Und neuerdings gibt es auch Versuche, Holzstrukturen zu verglasen oder zu keramisieren, um damit eine neue Art von Baugläsern zu erzeugen. Die Liste der Innovationen aus jüngerer Zeit ließe sich noch lang fortsetzen. Beispiele dafür diskutieren heute über 120 Experten beim „19. Holztechnologische Kolloquium“ des Lehrstuhls für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik der TU Dresden. „Man kann hier ganz klar von einer Renaissance des Werkstoffs Holz sprechen“, schätzte Lehrstuhl-Inhaber Prof. André Wagenführ im Vorfeld ein.
Düsenjäger aus Holz
Dabei ist der Einsatz von Holz als Leichtbaumaterial eigentlich ein alter Hut: Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein war dieser Naturstoff beispielsweise im Automobil- und Flugzeugbau noch sehr üblich. Einer der ersten Düsenstrahljäger weltweit, der sogenannte „Völksjäger“ Heinkel 162, bestand etwa zur Hälfte aus Holz.
Klassische Probleme überwinden: Holz brennt, bricht, fault und quillt
Allerdings hat Holz einige Nachteile, die dieses Material dann jahrzehntelang gegenüber Stahl, Alu, Karbon & Co. ins Hintertreffen brachten: Holz brennt, bricht, fault und quillt auf. Zudem sind daraus hergestellte Bauteile normalerweise schwer in allen Qualitätsmerkmalen reproduzierbar. Jedoch sind für diese Probleme inzwischen mehr und mehr Lösungen in Sicht. Das Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) beispielsweise entwickelt Verfahren, um natürliche Feuerschutzfähigkeiten von Holz selbst zu verstärken. Andere Experten wie Tom Franke von der Berner Fachhochschule mineralisieren Eichenparketthölzer, um sie brandsicherer zu machen.
Holz aus dem 3D-Drucker
Durch computergesteuerte Legeverfahren wiederum lassen sich Holzbauteile erzeugen, die in die gewünschten Richtungen besonders strapazierfähig sind. Zudem gibt es vielversprechende Versuche mit dem 3D-Druck von Holz, um daraus Zahnräder und andere genau definierte Bauteile zu formen. Faszinierend in diesem Zusammenhang sind die Experimente von Prof. Henning Zeidler von der TU Freiberg mit dem „Reststoff-Upcycling durch additive Fertigung“. Derweil kombinieren immer mehr Forscher und Industrieingenieure Holz mit Alu, Fasern, Keramiken oder anderen Stoffen, um Sandwich-Platten mit ganz neuen Eigenschaften zu erzeugen.
Holzrenaissance sorgt für Firmengründungen
Aus diesen und weiteren Forschungen sind in jüngerer Vergangenheit auch mehrere universitäre Ausgründungen und andere Neugründungen entstanden. Neben der bereits erwähnten „Lignoa“, die inzwischen von Sachsen nach Bayern umgezogen ist, gehört dazu beispielsweise die Holzmanufaktur „Jungholz“, die vor einem Jahr mit Holz-basierten Corona-Gesichtsvisieren für Schlagzeilen sorgte. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Automobilindustrie: 2019 brütete der VW-Inkubator Dresden eine Gründung von Chemnitzer TU-Ingenieuren aus: „Ligenium“ baut seitdem hölzerne Roll-Regale und andere Transportsysteme für den Fabrikeinsatz. Derweil arbeiten die Forscher im VW-Hauptwerk in Wolfsburg daran, Holz auch für Türaufprallträger einzusetzen. Ein Fazit des Kolloquiums: „Holz wird uns gerade im Maschinenbau in Zukunft noch stark beschäftigen.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Holzkolloquium, TUD, Oiger-Archiv
Zum Weiterlesen:
Werkstätten Hellerau: Umwelttechnik zahlt sich aus
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