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Karl Pouva – Erfinder und Unternehmer in der DDR

Karl Pouva (rechts) begutachtet 1951 mit einem Mitarbeiter auf einen Tragkörper gekittete Linsen für den Bildwerfer "Pouva Magica". Foto: Richard Peter jun., Deutsche Fotothek, Wikipedia, CC4-Lizenz, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Karl Pouva (rechts) begutachtet 1951 mit einem Mitarbeiter auf einen Tragkörper gekittete Linsen für den Bildwerfer „Pouva Magica“. Foto: Richard Peter jun., Deutsche Fotothek, Wikipedia, CC4-Lizenz

Mit dem Jugendbildwerfer „Pouva Magica“ sorgte der Freitaler Tüftler für unzählige Rollfilmabende in ostdeutschen Kinderzimmern

Freital, 14. April 2021. Mit dem Jugendbildwerfer „Pouva Magica“ sind viele Ostdeutsche groß geworden: Er hat ihnen unzählige Rollfilmabende und Geburtstags-Vorführungen mit dem unverkennbaren Hintergrundgeruch von heißem Bakelit beschert und (mehr oder minder hell) leuchtende Ausflüge in ferne Märchenwelten – lange, bevor Beamer und Smartphones unsere Sehgewohnheiten völlig umgekrempelt haben. Der Mann hinter diesem Apparat hieß Karl Pouva. Er agierte in der DDR bis zum Ende der Ära Ulbricht als erfolgreicher Privatunternehmer inmitten einer „sozialistischen“ Wirtschaft.

Pouva-Kameras auch ans Ausland lizenziert

Geboren am 21. November 1903 in Deuben, gründete Karl Pouva 1939 in Freital die Karl Pouva AG. Das Unternehmen produzierte zuerst einfache Diaprojektoren, und ab 1951 einfache Mittelformat-Kameras, wie die „Pouva Start“. Deren Preis lag damals bei 16,50 Mark. Somit war durch dieses Produkt von Karl Pouva vielen Kindern und Jugendlichen ein erster Zugang zur Fotografie möglich. Für diese Zwecke ergaben sich akzeptable Ergebnisse, obwohl auf Grund des einfachen Objektivs, Duplar 1:8, gestaltet als Periskop-Objektiv, die Ausleuchtung des Bildes nur mäßig sein konnte. Leicht abgewandelte Versionen der Pouva Start wurden in Lizenz in Polen, Ungarn und von Hama in der Bundesrepublik produziert und auf den Markt gebracht. Schätzungen zufolge verkaufte Pouva 1,7 Millionen „Start“-Kameras.

Die "Pouva Magica" im Stadtmuseum Pirna. Foto: Christian Ruf

Die „Pouva Magica“ im Stadtmuseum Pirna. Foto: Christian Ruf

Preiswerter Jugendbildwerfer für Rollfilme

1953 kam die „Pouva Magica“ aus schwarzem Bakelit zum Einheitsverkaufspreis von 22,10 Mark hinzu. Diese Erfindung war der bis in die 1980er Jahre hinein der verbreitetste (und preiswerteste) „Bildwerfer“ in der DDR, wie Diaprojektoren zunächst ganz profan hießen. Das nur von einer normalen Glühlampe erleuchtete Wunderwerk konnte Rollfilmbilder und Dias „an die Wand werfen“.

Neben der Defa gab es viele Nischenanbieter von Rollfilmen

Die Rollfilme dafür wurden von der DDR-Filmgesellschaft „Defa“, von Color-Görner Dresden, der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ (DSF), vom Deutschen Friedensrat und von anderen Anbietern produziert. In der Regel handelte es sich um Abfolgen von beschrifteten Szenenbildern. Besonders populär waren deutsche, russische und orientalische Märchen sowie Rollfilm-Versionen der sowjetischen „Hase und Wolf“-Trickfilme.

Schlichte 40-Watt-Birne reichte

Als Lichtquelle diente der „Pouva Magica“ eine handelsübliche 40-Watt-Allgebrauchslampe – auch dies trug zu den niedrigen Kauf- und Betriebskosten bei. In den Bedienanleitungen ab 1979 werden 60-Watt-Glühlampen als höchste Leistungsklasse angegeben, damit die Rollfilme unter der Hitze stärkerer Glühbirnen nicht schmolzen. Dieser Projektor wurde ungefähr 30 Jahre nahezu unverändert und trotz mannigfaltiger technischer Konkurrenz bis zum Ende der DDR fast unverändert hergestellt.

Bakelit-Tonbandgerät „Pouva Bändi“ folgte 1964

Pouva entwickelte in seiner Zeit als Privatunternehmer viele weitere erfolgreiche Unterhaltungs-Geräte. Dazu gehörte 1964 das batterie-betriebene Bakelit-Tonbandgerät „Pouva Bändi“, das laut dem Fachjournalisten Günter Höhne „so praktisch und robust war, dass es dem Vernehmen nach sogar von Testpiloten der Interflug und der Nationalen Volksarmee für ihre Bordberichte genutzt wurde“.

Pouva-Werk in Honecker-Ära verstaatlicht

Die Erfolge schützten das Unternehmen aber letztlich nicht vor dem staatlichen Zugriff: Die Karl Pouva AG wurde nach dem Führungswechsel an der SED-Spitze von Walter Ulbricht zu Erich Honecker 1972 in „Volkseigentum“ umgewandelt. Karl Pouva blieb vorerst Werkleiter im „VEB Fototechnik Freital“. 1973 gliederten die ostdeutschen Wirtschaftslenker Pouvas früheres Unternehmen dem „VEB Kamerafabrik Freital“ an. Dahinter steckte die ebenfalls kurz zuvor verstaatlichte „Kamerafabrik Woldemar Beier“, mit der Pouva schon früher gute Kontakte pflegte: Beide Firmen hatten noch kurz vor der Verstaatlichung gemeinsam die Kamera „Pouva SL 100“ entwickelt, die später als „Beirette SL 100“ firmierte. Ab 1980 gehörte die Freitaler Kamerafabrik zum Kombinat Pentacon und ab 1985 zu Carl Zeiss Jena. Karl Pouva starb am 16. Januar 1989 in Freital.

  • Ein Hinweis: Ein Exemplar der „Pouva Magica“ ist derzeit noch bis zum 1. August in der Teddybärenausstellung „Teddy möchte reisen“ im Stadtmuseum Pirna zu sehen. Der Besuch ist trotz Corona (Stand Mitte April 2021) nach Voranmeldung an stadtmuseum@pirna.de oder per Telefon 03501 – 556 461 und mit einem tagesaktuellen negativen Corona-Test möglich.

Autoren: Christian Ruf und Heiko Weckbrodt

Quellen: Stadtmuseum Pirna, Wikipedia, ddr-museum.de, diarollfilme.lima-city.de, camerapedia, beier-kamera.de

Zum Weiterlesen:

Kamera

Freital

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
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[caption id="attachment_175986" align="aligncenter" width="499"]Christian Ruf. Foto: hw Christian Ruf. Foto: hw[/caption]

Ãœber Christian Ruf:

Christian Ruf wurde 1963 in München geboren und hat Geschichte sowie Politologie in München und Bonn studiert. Bereits vor dem Mauerfall reiste er mehrmals in die DDR, nach Polen und in die Sowjetunion. Nach der Wende zog er nach Sachsen um. Heute ist er als freier Journalist mit den Schwerpunkten Kultur und Geschichte in Dresden tätig, wenn er nicht gerade in anderen Ecken der Welt unterwegs ist.