Die Expertise von Kerntechnik-Spezialisten der TU Dresden ist nun auch in der wachsenden Wasserstoff-Wirtschaft gefragt
Dresden, 16. Februar 2021. Sicherheitsexperten der Technischen Universität Dresden (TUD) wollen Brennstoffzellen-Autos sicherer machen. Dafür entwirft der Nachwuchswissenschaftler Max Vater an der Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik von Prof. Antonio Hurtado nun neuartige Schutzhüllen für Wasserstoff-Tanks. Die sollen einerseits sehr leicht sein, andererseits aber auch so dicht und stabil, dass sie Explosionen selbst bei sehr schweren Unfällen verhindern oder zumindest dämmen. Die „Friedrich und Elisabeth Boysen-Stiftung“ fördert dieses Projekt „Sicherheitstechnische Konzeption von Sicherheitscontainern für H2-betriebene Fahrzeuge“ mit insgesamt 142.500 Euro.
Idee: Wer Kernreaktoren sicherer macht, kann auch Wasserstoff bändigen
Beim Zuschlag für die TUD spielte die an der Professur jahrzehntelang akkumulierte Erfahrung in der Reaktorsicherheitsforschung eine wichtige Rolle, ist Andreas Andris vom Institut für Energietechnik überzeugt. „Die Boysen-Stiftung sieht bei uns die Sicherheits-Expertise, Lösungen für solche Herausforderungen zu entwickeln, da wir uns mit der Sicherheit von kerntechnischen Systemen und der Beherrschung von Störfällen befassen“, schätzte der Ingenieur ein.
Brennstoffzellen-Autos sind noch rar gesät
Hintergrund: Brennstoffzellenautos wie der Honda Clarity, der Toyota Mirai, der Hyundai Nexo oder der Mercedes GLC F-Cell tanken Wasserstoff statt Diesel, Benzin oder Strom. Diesen Energieträger verbinden sie während der Fahrt mit dem Luftsauerstoff. Daraus ziehen sie den Strom für ihre Elektromotoren. Als Abfallprodukt entsteht im Wesentlichen nur Wasser. Das klingt sehr umweltfreundlich. Und dennoch haben Brennstoffzellen-Autos auf deutschen Straßen immer noch Seltenheitswert, während sich batterieelektrische Autos inzwischen immer besser verkaufen. Ein Grund dafür sind die hohen Anschaffungskosten um die 70.000 bis 80.000 Euro sowie das dünne Wasserstoff-Tankstellennetz hierzulande – in Dresden beispielsweise gibt es nur eine einzige öffentliche „H2-Tanke“.
Halber Wirkungsgrad im Vergleich zu Batterie-Stromern
Auch der vergleichsweise ungünstige Gesamtwirkungsgrad erschwert die Akzeptanz am Markt: Nur ein Viertel der ursprünglich eingesetzten Energie für die Wasserstoff-Erzeugung kommt letztlich beim Autoantrieb an. Zum Vergleich: Bei batterieelektrischen Fahrzeugen liegt der Gesamtwirkungsgrad etwa bei 50 Prozent, also doppelt so hoch.
Mehr Chancen für Wasserstoffantriebe in Lastern und Müllautos
Andreas Andris (TU Dresden): „Dem Wasserstoff gehört ein Teil der Zukunft. Im Schwerlastverkehr sind Batterien keine Option.“
Dennoch werden in Zukunft mehr Brennstoffzellen-Fahrzeuge auch in der Bundesrepublik unterwegs sein, davon sind viele Branchenbeobachter überzeugt. „Dem Wasserstoff gehört ein Teil der Zukunft“, meint Andreas Andris. „Im Schwerlastverkehr zum Beispiel sind Batterien keine Option.“ Denn die Stromspeicher für große Lkws wären viel zu schwer, die Reichweite zu gering und der Ladevorgang würde viel zu lange dauern. „Dort wird man eher auf flüssigen Wasserstoff setzen.“ Bis zu dieser Lösung ist aber noch viel Ingenieurarbeit zu leisten, da Wasserstoff erst bei minus 253 Grad Celsius flüssig wird und bleibt. Wegen des damit verbundenen hohen Isolieraufwandes und anderer Schikanen gibt es daher bislang nur wenige Prototypen von Mülllastern und anderen Nutzfahrzeugen, die mit Flüssigwasserstoff fahren.
Bei Autobahnunfällen können enorme Kräfte auf den Tank wirken
Heutige Brennstoffzellen-Autos mit Straßenzulassung tanken dagegen gasförmigen Wasserstoff, der meist mit einigen Hundert bar in besonders verstärkte Drucktanks gepresst wird. „Die Hersteller versichern natürlich, dass es bei diesen Autos auch bei Freisetzung von Wasserstoff bei einem Unfall nicht zu Explosionen kommen kann“, sagt Andreas Andris. Studien haben allerdings gezeigt, dass ein Riss im Wasserstofftank in einer Garage eine Explosion ähnlich einer geplatzten Erdgasleitung auslösen könnte. Selbst Mikrorisse im Tank können dazu führen, dass langsam Wasserstoff entweicht und sich bis es zur kritischen Menge für eine Knallgas-Explosion ansammelt. Und gerade auf der Autobahn sind Unfallszenarien denkbar, bei denen enorme Kräfte auf einen Wasserstofftank wirken.
Leichtbau-Mantel soll auch Teil der Druckwelle bei Explosion auffangen
Daher möchten die Dresdner Sicherheitsforscher nun ein System entwickeln, das die Explosionsrisiken weiter senkt. Doktorand Max Vater identifiziert zunächst mögliche Leichtbaumaterialien für einen Sicherheitscontainer, der den Wasserstoff-Tank ummanteln kann. Außerdem soll der Nachwuchsforscher ein Leitsystem entwickeln, das eventuell doch aus Mikrofrakturen entweichenden Wasserstoff hinterm Fahrzeugheck abführt, so dass sich keine Knallgasblase bilden kann. „Der Container soll zudem einen Teil der Druckwelle auffangen, wenn der Tank doch berstet“, betonte Ingenieur Andris. Der Doktorand soll bis Ende 2023 die Machbarkeit seines Konzepts durch mathematische Simulationen überprüfen. Beteiligt ist dabei auch das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TUD. Andreas Andris: „Wir hoffen zudem auf ein Anschlussprojekt, um dann auch einen Protoptypen zu bauen.“
Weitere H2-Projekte in Dresden
Der Tank-Sicherheitscontainer für Brennstoffzellen-Fahrzeuge ist übrigens nicht das erste oder einzige Wasserstoff-Technologievorhaben der Dresdner Sicherheitsexperten und -expertinnen. Im Projekt „H2-Ines“ beschäftigen sie sich beispielsweise mit der Risikoabschätzung für technisches und menschliches Versagen in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Weitere Projekte sind in Vorbereitung.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: Interview/Vor-Ort-Termin TUD
Zum Weiterlesen:
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