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Wird Wasserstoff zur Job-Maschine?

Aus Kohle, Wasser und Strom werde Treibstoff: flüssige Fischer-Tropsch-Produkte, die Fraunhofer-Forscher in der IKTS-Testanlage synthetisiert haben. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Aus Kohle, Wasser und Strom werde Treibstoff: flüssige Fischer-Tropsch-Produkte, die Fraunhofer-Forscher in der IKTS-Testanlage synthetisiert haben. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Politiker und Forscher planen ein Kompetenzzentrum für Wasserstoff-Technologien – als Keimzelle für eine sächsische Brennstoffzellen-Industrie.

Dresden, 11. Mai 2020. Ingenieure wie Politiker wollen die sächsischen Forschungsstärken rund um Brennstoffzellen, Hochtemperatur-Wasserzerlegung („Elektrolyse“) und andere Wasserstoff-Technologien ausbauen und in Tausende Industrie-Arbeitsplätze im Freistaat ummünzen. Sie planen daher ein Kompetenzzentrum für Wasserstofftechnologien. Das war bereits im Koalitionsvertrag verankert, nun nehmen die Planungen etwas konkrete Formen an. Das haben Oiger-Anfragen an die Ministerien für Umwelt, Wirtschaft, Wissenschaft und regionale Entwicklung sowie an Fraunhofer-Institute ergeben.

Für „die Zeit nach der Kohle“ gedacht

Dieses Zentrum soll demnach „sächsische Akteure, die in den unterschiedlichen Bereichen der Wasserstoffwirtschaft aktiv sind, zusammenführen und sowohl im Bereich der Brennstoffzellen als auch bei der Elektrolyse zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen“, schildert Sprecherin Bianca Schulz vom Ministerium für regionale Entwickelung den Konsens der beteiligten Ministerien. „Dies kommt insbesondere auch den vom Strukturwandel durch den Kohleausstieg betroffenen Regionen zugute. Ein Ziel ist der Aufbau einer sächsischen Brennstoffzellen-Industrie. Neue Technologien und Produkte bei den Zuliefer- und Maschinenbauunternehmen sind von essenzieller Bedeutung für Sachsen.“

Ein Entwickerteam vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum Roßlau hat einen abgasfreien Wasserstoff-Motor für Energiespeichersysteme entwickelt. Foto: WTZ Roßlau

Ein Entwickerteam vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum Roßlau hat einen abgasfreien Wasserstoff-Motor für Energiespeichersysteme entwickelt. Foto: WTZ Roßlau

Auf 3 Standorte verteilt

Daher wird sich dieses Kompetenzzentrum auf drei Standorte in Sachsen verteilen: Die Chemnitzer fokussieren sich auf mobile Feststoffpolymer-Brennstoffzellen (PEMFC) zum Beispiel für Fahrzeuge. Dieses Forschungszentrum soll in der sächsischen Zulieferindustrie den „automobilen Strukturwandel unterstützen“ und auf das Chemnitzer „Innovationscluster HZwo“ aufbauen. Görlitz spezialisiert sich auf die Testtechnik für Brennstoffzellen und Elektrolyseure. Für diesen Standort gibt es bereits Unterstützung und Geld vom Land, von Siemens und Fraunhofer. Ein drittes Zentrum soll sich auf die umweltfreundliche Erzeugung von sogenanntem „grünen“ Wasserstoff im großtechnischen Maßstab und die Weiterentwicklung von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren konzentrieren. Für diese Forschungsfabrik ist noch kein Standort vereinbart. In Frage kommen dafür aber Dresden, Großröhrsdorf oder die Lausitz.

Testanlage für die Kopplung von Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese, bei der Kohle mit Wasserstoff zu Treibstoffen verflüssigt wird. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Testanlage für die Kopplung von Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese, bei der Kohle mit Wasserstoff zu Treibstoffen verflüssigt wird. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Lausitz und Raum Dresden kommen in Frage

Die Option „Lausitz“ ist vor allem dem Wunsch der Landesregierung geschuldet, neue Jobs für eine ohnehin strukturschwache Region nach dem Kohleausstieg zu schaffen. Vieles spricht aber auch für den Raum Dresden: Hier gibt es mit Sunfire und anderen Firmen bereits Hersteller für Elektrolyseanlagen und Brennstoffzellen. Zudem forschen in der Landeshauptstadt mehrere Institute der TU und von Fraunhofer an wegweisenden Wasserstofftechnologien.

Unter den Passagieren könnte der Wasserstoff-Tank für einen Brennstoffzellen-Antrieb untergebracht werden - hier visualisiert anhand des von der TU Dresden entwickelten In-Eco-Autos. Visualisierung: TUD/ILK

Unter den Passagieren könnte der Wasserstoff-Tank für einen Brennstoffzellen-Antrieb untergebracht werden – hier visualisiert anhand des von der TU Dresden entwickelten In-Eco-Autos. Visualisierung: TUD/ILK

Breite Forschungslandschaft

Das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik sowie das Institut für Energietechnik der TU Dresden beispielsweise arbeiten mit Branchengrößen wie BMW an Tanks und anderen Komponenten für Wasserstoff-Autos. Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) forscht an Verbesserungen für die altbekannten alkalischen Brennstoffzellen. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) wiederum entwickelt in Dresden seit Jahren die Keramikherzen für neuartige Elektrolyseure und Brennstoffzellen. Diese Keramikplatten-Stapel („Stacks“) arbeiten bei besonders hohen Temperaturen und kommen dadurch auf höhere Ausbeuten als herkömmliche Technik.

Dr. Matthias Jahn. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Dr. Matthias Jahn. Foto: Jürgen Lösel für das Fraunhofer-IKTS

Hochautomatisierte Stapel-Produktion könnte Kosten senken

„Unser Fokus liegt unter anderem auf der Koppelung mit Synthese-Anlagen, auf Langzeitstabilität und auf hochautomatisierter Stack-Fertigung“, erklärt Dr. Matthias Jahn, der im IKTS die Abteilung für „Chemische Verfahrenstechnik“ leitet. Darauf könne auch die avisierte Forschungsfabrik im Wasserstoff-Kompetenzzentrum aufbauen: Wenn jemand Stacks für Brennstoffzellen und Elektrolyseure hochautomatisiert und in kurzen Taktzeiten produzieren kann, könnte dies die Tür zu Massenproduktion und einem neuen Industriezweig im Freistaat öffnen.

Klimaschutzziele ohne Wasserstoff-Technologien schwer zu erreichen

„Das Thema Wasserstoff wird auf jeden Fall noch an Bedeutung gewinnen“, ist Jahn überzeugt. Das sieht auch sein Kollege Dr. Erik Reichelt so: „Wenn Deutschland seine CO2-Ziele erreichen will, müssen dabei die Wasserstoff-Technologien eine wichtige Rolle spielen“, sagt der IKTS-Gruppenleiter für Systemverfahrenstechnik. „Denn Wasserstoff kann in vielen Branchen die Umweltbilanz verbessern: als Reduktionsmittel in der Stahlindustrie anstelle von Kohle, in der chemischen Industrie und für die Energieerzeugung zum Beispiel.“ Punkten könne Sachsen in diesem Sektor vor allem durch seine Forschungen und den starken Anlagenbau, ergänzt Jahn. „Dadurch können hier viele zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interviews Fraunhofer IKTS, SMR, Oiger-Archiv, Wikipedia

Zum Weiterlesen:

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt