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Experte der TU Dresden: Wasserstoff ist kein Problemlöser für deutsche Energiewende

Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger - zudem braucht die Chemieindustrie das Gas für viele Prozesse. Grafik: Heiko Weckbrodt

Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger – zudem braucht die Chemieindustrie das Gas für viele Prozesse. Grafik: Heiko Weckbrodt

Rückverstromung von Wind- und Solarspitzen verplempert immer noch zuviel Energie

Dresden, 14. April 2020. Bund und Länder versuchen zwar seit einiger Zeit mit aufwendigen Förderprogrammen, die Wasserstoff-Technologie vor allem in Mitteldeutschland und der Lausitz anzukurbeln: als Zwischenspeicher für Wind- und Solarkraftwerke, als Energieträger für Brennstoffzellen-Laster, aber auch als Ausgangsstoff für die Chemieindustrie. Doch vermutlich eignet sich dieses explosive Gas auch in Zukunft nicht als großformatiger Energiespeicher oder zentraler Problemlöser für die deutsche Energiewende – zumindest nicht für einen massenhaften Einsatz. Das hat Professor Wolfgang Lippmann vom Lehrstuhl für Wasserstoff- und Kernenergietechnik an der TU Dresden eingeschätzt.

Nur 30 % Wirkungsgrad

Insbesondere spreche auch die enorme Energieverschwendung bei der sogenannten „Rückverstromung“ gegen den Wasserstoff-Einsatz im Stromsektor: „Bei der Speicherung mit Hilfe von Wasserstoff nach jetzigem Forschungsstand 70 Prozent der Energie nach einer erneuten Umwandlung verloren“, betont der Professor.

Nur mit effizienter Rückverstromung wäre Wasserstoff ein guter Zwischenspeicher

Gerade aber diese Umwandelbarkeit in beide Richtungen ist wichtig, um die Lieferspitzen und -täler der erneuerbaren Energiequellen abzufangen. Die Idee dabei: Wenn die Sonne scheint, aber Industrie und Haushalte gerade wenig Strom brauchen, könnten große Elektrolyse-Fabriken den überschüssigen Ökostrom nutzen, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Steigt die Stromnachfrage wieder, könnten Brennstoffzellen oder Gasmotoren den Wasserstoff wieder in Strom und Wasser umwandeln. Eben dieser Prozess verplempert aber eben noch viel Energie.

Detailansicht der Pilotanlage von Sunfire in Dresden-Reick, die aus Luft, Wasser udn Ökostrom Diesel macht. Abb.: Sunfire

Detailansicht der Pilotanlage von Sunfire in Dresden-Reick, die aus Luft, Wasser udn Ökostrom Diesel macht. Abb.: Sunfire

Trotz permanenter Forschung: Synthie-Sprit bleibt zu teuer

Zwar verbessert sich die Effizienz solcher Elektrolyse-Anlagen, wie sie beispielsweise Sunfire in Dresden konzipiert, langsam aber sicher. Doch trotz jahrelanger Forschungen und technologischem Feinschliff ist der damit produzierte Ökostrom-Treibstoff immer noch weit teurer als normaler Diesel – und dies nicht erst seit dem jüngsten Ölpreisverfall. Präzise Angaben rücken die damit beschäftigten Unternehmen ungern heraus. Aber es ist zu vermuten, dass der Elektrolyse-Diesel derzeit vor Steuern etwa zehnmal so teuer ist wie fossiler Diesel.

An der TU Dresden mitentwickelt: Wasserstoff-Tank für BMWs. Foto: Heiko Weckbrodt

An der TU Dresden mitentwickelt: Wasserstoff-Tank für BMWs. Foto: Heiko Weckbrodt

Wie gut widersteht Stahl dem Wasserstoff?

Zudem sind immer noch viele Detailprobleme zu lösen, bevor die Wasserstofftechnologie massenproduktionstauglich wird. Die TU forscht beispielsweise an Fragen wie: Wird ein Stahltank brüchig, wenn man Wasserstoff zu lange darin einschließt? Oder: Sind heutige Ventile dicht genug, um dieses Gas sicher einzuschließen?

Expertise reicht bis zum DDR-Atomprogramm zurück

Die Dresdner Experten können sich dabei auf eine Expertise stützen, die ursprünglich bis auf das DDR-Atomenergie-Programm zurückgeht. Schon damals untersuchten sie an Kernreaktoren ähnliche Probleme, wie sie heute die Wasserstofftechnik aufwirft. Dafür hatten und haben sie einen Forschungsreaktor zur Verfügung, der zwar keine Energie produziert, aber die Ausbildung von Kerntechnikern möglich macht.

Seit deutschem Atomausstieg ist Studium wenig gefragt

Die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima sowie der deutsche Atomausstieg haben die Attraktivität dieser Studiengänge allerdings stark gemindert: Das Diplom in Kernenergietechnik legt laut TU-Angaben inzwischen nur noch eine Handvoll Studenten pro Jahrgang ab. Professor Lippmann bedauert das; „Ich hätte einen langsamen und systematischen Umstieg mit Hilfe sicherer Kernenergie sinnvoll gefunden.“ Zudem die sächsische Kerntechnik-Expertise auch immer noch gefragt ist. Die internationale Atomenergie-Organisation IAEA beispielsweise lässt am Dresdner Ausbildungs-Reaktor ihre Experten schulen, damit die bei Inspektionen weltweit erkennen, ob irgendwo waffenfähiges Uran aufbereitet wird.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: TUD, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt