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Die 5G-Angst

5G-Antennenmast von Vodafone an der Overbeckstraße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

5G-Antennenmast von Vodafone an der Overbeckstraße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Der neue Mobilfunk verbreitet Corona, meinen manche Briten – und zünden deshalb Funkmasten an. Auch hierzulande gibt es Sorgen vor Strahlung und Überwachung durch 5G. Ein Überblick.

Dresden, 15. April 2020. Der Mobilfunk der 5. Generation (5G) gilt als wichtiger Treiber für die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution – und als Standort-Vorteil im weltweiten Wettbewerb. Aber es gibt auch Kritiker, die mit neuen Krebs- und Überwachungsrisiken durch 5G rechnen. Diese Kritik hat mancherorts radikale Züge angenommen: Laut BBC-Berichten haben mutmaßliche 5G-Gegner jüngst in Großbritannien Mobilfunkmasten in der Annahme angezündet, dass 5G für die Corona-Pandemie mitverantwortlich sei.

Auch in Dresden gibt es besorgte Stimmen, von denen ein Teil bei der Stadtverwaltung landete. Manche Dresdner befürchten eine Verstrahlung und Umweltschäden, andere stellen den Nutzen von 5G infrage. Wir haben dazu Experten wie Prof. Frank Fitzek von der TU Dresden und Prof. Alexander Lerchl von Jacobs-University Bremen befragt, die eher als 5G-Befürworter gelten, aber auch die Positionen prominenter 5G-Kritiker wie Prof. Klaus Buchner berücksichtigt. Hier ein paar Fragen und Antworten:

1.) Welche biologischen Folgen hat 5G-Funkstrahlung auf Mensch und Tier – und wächst dadurch das Krebsrisiko?

Gegner verweisen auf die höheren Frequenzen von 5G im Vergleich zu bisherigen Funkstandards wie LTE und rechnen damit, dass dies zu einer höheren Energiebelastung des menschlichen Körpers führt: Bisher sendet 5G zwar nur auf Frequenzen, die auch WLAN und ältere Mobilfunknetze heute schon verwenden. Später sind aber auch Bänder jenseits der 24 Gigahertz nutzbar. In den USA werden laut Angaben der Internationalen Kommission für nichtionisierende Strahlung (ICNIRP) allerdings bereits Frequenzen um die 28 GHz genutzt. Zudem verweisen Kritiker darauf, dass 5G mit besonders vielen, fein verteilten Basisstationen arbeitet, die teils in jeder Laterne verbaut werden sollen. Zudem setzen diese Stationen – übrigens in Dresden mitentwickelte – Vielantennen-Syteme ein, die auf einzelne Nutzer ausrichtbare Funkblasen formen (Beamforming“) können.

Klaus Buchner. Foto: Simone Lettenmayer für klaus-buchner.eu

Klaus Buchner. Foto: Simone Lettenmayer für klaus-buchner.eu

Was sagen die Kritiker?

„Durch 5G wird sich die Belastung durch elektromagnetische Strahlung deutlich erhöhen“, meint beispielsweise der 5G-Kritiker und Physiker Klaus Buchner. „Man weiß aus Tausenden wissenschaftlicher Studien, dass diese Strahlung auch weit unter den Grenzwerten Menschen, Tieren und Pflanzen schadet.“ Diese Strahlung greife die biologischen Zellen an und könne „vielfältige Schäden“ auslösen – bis hin zu Hirntumoren durch Handynutzung, argumentiert er.

Professor Alexander Lerch. Foto: Jacobs University Bremen

Professor Alexander Lerch. Foto: Jacobs University Bremen

5G arbeitet derzeit meist noch auf etablierten niedrigeren Frequenzen

Die genaue Strahlungsbelastung durch 5G sei derzeit noch nicht voraussagbar, da es erst wenige 5G-Netze gebe – und die arbeiten noch auf eher niedrigen Frequenzen. Das sagt Prof. Alexander Lerchl, der in eigenen Studien die biologischen Wirkungen von Mobilfunk untersucht und mehrere Jahre den Ausschuss für „nichtionisierende Strahlen“ in der Strahlenschutzkommission des Bundes geleitet hatte. „Eine leichte Erhöhung der Strahlungsexposition kann es – auch durch das Beamforming – geben“, sagt er. Dennoch werde die praktische Belastung laut derzeitigem Forschungsstand weit unter den Grenzwerten bewegen. Selbst das natürliche Sonnenlicht sei energiereicher als die Strahlung, die durch 5G zu erwarten sei.

Je höher die Frequenz, desto geringer die Eindringtiefe

Die von Kritikern angeführten hohen Frequenzen könnten da eher ein Vorteil als ein Nachteil sein, meint Lerchl. Denn diese Wellen können nur wenige Millimeter weit in menschliches Gewebe eindringen. Inwieweit dies genetische Einflüsse auf Hautzellen haben könne, untersuche er derzeit im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz.

Prof. Frank Fitzek leitet den Telekom-Stiftungslehrstuhl für Kommunikationsnetze an der TU Dresden. Hier ist er im Show-Raum des 5G-Labs zu sehen. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Frank Fitzek leitet den Telekom-Stiftungslehrstuhl für Kommunikationsnetze an der TU Dresden. Hier ist er im Show-Raum des 5G-Labs zu sehen. Foto: Heiko Weckbrodt

Fitzek: Strahlungsbelastung durch jede Waschmaschine ist höher

Ähnlich argumentiert Prof. Frank Fitzek vom 5G-Lab der TU Dresden: „Die Strahlungsbelastung durch Fernseher, Radios und Waschmaschinen ist höher als die durch 5G“, sagt er. „Und diese Maschinen umgeben den Menschen über Jahrzehnte hinweg.“ Mit dieser Sichtweise stehe er nicht allein da: „Ich kenne über 100 wissenschaftlich valide Aufsätze, die sich mit den Auswirkungen von Mobilfunk und ähnlichen Strahlen beschäftigen. Keiner von ihnen hat einen Nachweis gefunden, dass Mobilfunk zu Krebs führt oder andere schädliche Einflüsse auf biologische Zellen haben.“

Drei Viertel aller Senioren haben ein Handy. Abb.: Heiko Weckbrodt

Abb.: Heiko Weckbrodt

Exzessive Handy-Telefonie erhöht womöglich das Hirnkrebs-Risiko

Auseinander gehen die Beurteilungen allerdings, wenn es um die Strahlenbelastung für Vieltelefonierer durch das Handy am Ohr  – also ganz nahe an der Funkquelle – geht: Dafür hat ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2011 krebsbegünstigende Wirkungen zumindest nicht ausgeschlossen – und regte weitere Untersuchungen an. Eine französische Studie bestätigte diese Befunde im Falle einer exzessiven täglichen Handy-Nutzung. Andere Studien – beispielsweise in Australien – fanden hingegen keinen Zusammenhang zwischen handy-Nutzung und Krebshäufigkeit. Damals fühlten sich sowohl die Befürworter wie auch die Kritiker von Mobilfunk bestätigt.

2.) Selbst wenn Mobilfunk nicht gleich Krebs auslöst – gibt es womöglich Langzeit-Folgen?

Da Mobilfunk erst seit den 1990ern zu einem Massenphänomen geworden ist, lassen sich Langzeitfolgen noch nicht abschließend bewerten. Kritiker berufen sich oft auf Experimente an Mäusen und Ratten durch das US-amerikanische „National Toxicology Program“ (NTP) sowie im Fraunhofer-Institut für Toxikologie durch Thomas Tillmann in Hannover und durch Prof. Lerchl von der Jacobs-Universität Bremen. Die Ergebnisse ähnelten sich: Nager, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg Handy-Strahlung ausgesetzt waren, entwickelten mit höherer Wahrscheinlichkeit mehr und größere Tumore als nichtbestrahlte Tiere. Allerdings setzten die Forscher dabei Mobilfunk nach älteren Standards wie UMTS ein. Zudem waren die Tiere jahrelang rund um die Uhr der Strahlung ausgesetzt. „Ob sich diese Befunde auf den Menschen und auf 5G übertragen lassen, ist fraglich“, kommentierte Lerchl die eigenen Studienergebnisse. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz geht davon aus, dass die bei Ratten entdeckten Befunde nicht auf Menschen übertragbar sind.

Forscher am US-Seuchenkontrollzentrum CDC haben dieses 3D-Modell des neuen Corona-Virus (2019nCoV) entworfen, das eine schwere Lungenkrankheit auslösen kann. Die Angst vor dem Krankheitserreger lähmt mittlerweile weltweit das öffentliche Leben, die Wirtschaft, den Tourismus, selbst die Forschung in vielen Ländern. Illustration: CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAMS, Lizenz: Public Domain, https://phil.cdc.gov/Details.aspx?pid=23312 / Wikipedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2019-nCoV-CDC-23312.png

Corona-Virus (2019nCoV). Illustration: CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAMS, Lizenz: Public Domain, https://phil.cdc.gov/Details.aspx?pid=23312 / Wikipedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2019-nCoV-CDC-23312.png

3.) Welchen Zusammenhang sehen 5G-Gegner zwischen Mobilfunk und Corona?

„5G schwächt das Immunsystem in Zeiten der Corona-Krise“, meint 5G-Kritiker Buchner. „Es liegt nahe, dass die Verbreitung von Viren durch Funkstrahlung gefördert wird. Mobilfunkstrahlung, insbesondere 5G ist ein Brandbeschleuniger der Pandemie.“ Es sei wohl kein Zufall, dass das Virus von Wuhan ausgegangen sei, wo es bereits ein 5G-Netz gebe. Von ähnlichen Argumentationsketten ließen sich anscheinend die britischen Funkmast-Zündler leiten.

„Der Mann ist völlig verantwortungslos“, kritisiert Prof. Alexander Lerchl diese Äußerungen. Buchner schüre eine Angst, die wissenschaftlicher Grundlagen entbehre. Es gebe keine Belege für einen Zusammenhang zwischen 5G-Funk und Immunsystem.

Mit dem Mobilfunk der 5. Generation (5G) verbinden vor allem Autohersteller und Automatisierungsindustrie große Hoffnungen. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Die Evidenz spricht eher gegen einen Zusammenhang: 5G arbeitet derzeit erst auf Frequenzen, die auch in den vergangenen Jahrzehnten bereits reichlich genutzt worden sind. Zudem gehören zwar China und Südkorea zu den führenden Ausbauländern für die neuen Netze, die Pandemie-Epizentren der zweiten Welle in Europa wie Deutschland, Italien und Spanien liegen beim 5G-Ausbau aber noch weit zurück.

Buchner selbst weist die Kritik Lerchls zurück: „Es wäre unverantwortlich, das gesicherte Wissen über die massiven Schäden durch die Funkbelastung zu verschweigen. Auch wenn es nur wenige Prozent der Bevölkerung betrifft – viele davon wissen nicht einmal, dass Funk die Ursache ihrer Beschwerden ist“, betont er.

5G-Netze, viele kleine Bodensensoren und ein zentrales Plansystem sollen künftig Bauern in Sachsen dabei beraten, wo sie ihre Äcker stärker oder schwächer düngen und bewässern müssen. Grafik: TUD/ast

5G-Netze, viele kleine Bodensensoren und ein zentrales Plansystem sollen künftig Bauern in Sachsen dabei beraten, wo sie ihre Äcker stärker oder schwächer düngen und bewässern müssen. Grafik: TUD/ast

4.) 5G mag ja schön für die Industrie sein – aber hat der normale Bürger überhaupt einen Vorteil davon? Noch höhere Datenraten fürs Videogucken auf dem Handy braucht doch keiner…

In der Tat liegen die entscheidenden Vorteile der neuen Mobilfunk-Generation weniger im Datentempo, sondern in der Fähigkeit der 5G-Netze, binnen Millisekunden zu reagieren, Tausende, ja Millionen Geräte besonders flexibel, zuverlässig und energiesparend miteinander zu vernetzen und rasch Teilnetze zu bilden. All das ist in der Tat eher für den Einsatz an Maschinen, in der Robotik, Landtechnik, Medizintechnik und anderen wirtschaftsnahen Technologiesektoren wichtig. „Aber wenn wir damit Industrieansiedlungen in Sachsen statt in China fördern, wenn wir damit Assistenzroboter für Chirurgen bauen können, die die Erfolgsquote von Operationen verbessern, oder vernetzte Landmaschinen, die bei der Ernte auf dem Acker keine Tiere töten, dann ist das auch für den Menschen gut“, ist Prof. Fitzek überzeugt. Auch könnten 5G-vernetzte Roboterbusse und Autos dafür sorgen, dass Dörfer weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar bleiben, dass viel weniger Unfälle auf den Großstadt-Straßen passieren. Viele weitere innovative 5G-Anwendungen seien absehbar.

Mit "Robogate"-Nachrüstsätzen macht Robotron Dresden Kühlschränke wie Industriemaschinen fit fürs Internet der Dinge (IoT) und die Industrie 4.0. Dieser Kühlschrank zum Beispiel weiß immer, wenn jemand etwas mopst. Foto: Heiko Weckbrodt

Vernetzte Sensor-Kühlschränke können erkennen, wer was herausgenommen hat und Nachbestellungen auslösen – hier ein Testmuster aus Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

5.) 5G-Funkstationen in jeder Laterne – das klingt nach mehr Überwachung…

„Bei 5G handelt es sich um das „Internet der Dinge“, das heißt, jedes Ding soll senden, was es gerade an Informationen bekommt“, kritisiert Klaus Buchner. „Das ist zum Beispiel der Kühlschrank, der sendet, was wann hinein- und herauskommt, wann welches elektrische Gerät eingeschaltet wird, und über Gesichtserkennung, wer welche Fernsehsendungen ansieht. Jeder
Schritt von uns soll ohnehin durch Überwachungskameras, Google Maps, eventuell auch durch Handyortung registriert werden.“

Buchner: Durch viele Datenquellen ergibt sich zusammen „ein recht vollständiges Bild aller Menschen“

Zusammen mit anderen Informationen etwa aus Kontobewegungen, dem zentralen Patientenregister, von „smarten“ Zählern und aus Daten der Kommunen erbebe sich ein recht vollständiges Bild aller Menschen, das nicht nur für die Werbung genutzt werden kann. „Der Skandal über Cambridge Analytica zeigt, dass man die Menschen schon mit sehr viel weniger Informationen in ihrem Verhalten und in ihrer politischen Meinung beeinflussen kann“, warnt der Abgeordnete.

Lerchl: Deutscher Datenschutz ist starker Schutzwall

„Deutschland hat einen so starken Datenschutz, dass wir nicht mal die Kontakte unsere Covid19-Kranken ermittelt dürfen, während andere Staaten das Handy-Tracking dafür recht erfolgreich einsetzen“, hält Alexander Lerchl dagegen. „Dass 5G daran etwas ändert, gehört zu den Verschwörungstheorien. Da wissen Google* und andere schon längst viel mehr darüber, was wir wann tun.“

6.) Woher kommt die 5G-Angst?

Eine eher polemische und parteiische Antwort hat 5G-Befürworter Frank Fitzek parat: „Auf 5G fokussiert sich derzeit eine deutsche Kernkompetenz: Die Angst vor der Änderung der Welt“, meint er und fragt antwortet mit einer rhetorischen Gegenfrage: „Manchmal fragt man sich: Wem nützt solche Angst? Wer setzt so etwas in die Welt?“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interviews mit Frank Fitzek, TU Dresden (vor Ort), Alexander Lerchl, Uni Bremen (telefonisch), Klaus Buchner (per E-Mail), Oiger-Archiv, BBC.com, Wikipedia, ICNIRP, Bundesamt für Strahlenschutz

*Sehen kann man dies übrigens über die Google-Maps-Zeitachse, abschalten lässt sich dies über den „Standortverlauf“ im Google-Konto.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt