Watttron aus Freital will mit innovativen Matrix-Heizungen dafür sorgen, dass die Industrie Millionen Tonnen Verpackungsmüll spart
Freital/Dresden, 13. April 2018. Ingenieure aus Freital wollen mit neuartigen digitalen Heizmodulen helfen, die weltweit wachsende Mülllawine einzudämmen. Ihre Technologie verpulvere zum Beispiel bei der Produktion von Joghurtbechern knapp ein Drittel Plaste und Energie weniger als herkömmliche Verfahren, verspricht die Watttron GmbH. „Wir werden es den Leuten nicht ausreden können, aus Joghurtbechern zu essen und Kaffeekapseln zu benutzen“, räumt Geschäftsführer Marcus Stein ein, der Watttron gemeinsam mit Sascha Bach leitet. „Aber wir können wenigstens dafür sorgen, dass dabei weniger Kunststoffe verbraucht werden.“
Große Milchwerke testen Heizmatrix in der Pilotproduktion
Namhafte Milchwerke und Hygieneartikel-Hersteller testen die per Keramikdruck hergestellten und technologisch entfernt mit TFT-Fernsehern verwandten Heizmodule aus Sachsen inzwischen in der Pilotproduktion. Wenn sie sich bewähren und in die Massenproduktion übernommen werden, könnten sie womöglich tatsächlich einen spürbaren ökologischen Beitrag leisten. Um beim Beispiel Joghurt zu bleiben: Allein in Europa verarbeitet die Verpackungsindustrie jährlich rund 3,3 Millionen Tonnen Kunststoffe zu Joghurtbechern. Würden die Fabriken dabei tatsächlich ein Drittel durch neue Heizmethoden wie die von Watttron einsparen können, entspricht das immerhin einer reichlichen Million Tonnen Thermoplaste jedes Jahr – ganz abgesehen von der Stromersparnis.
Entwickelt von Fraunhofer und TU Dresden
Die Technologie dahinter hatten die TU Dresden und der Dresdner Teil des Fraunhofer-Instituts für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik entwickelt. Die Forscher dachten dabei das klassische Produktionsprinzip für Plastebecher und andere Verpackungen: Eine thermoplastische Folie oder Platte wird großflächig erwärmt und dann drückt ein Stempel von oben beziehungsweise ein Tiefziehverfahren von unten die Becherform zurecht. Nachteile: Geheizt wird die Plaste auch dort, wo sie gar nicht verformt werden soll. Und weil beim Ausformen das Material in der Mitte immer dünner wird, muss die Ausgangsfolie so dick gewählt werden, dass am Ende die dünnste Stelle – der Becherboden – noch hält. Im Umkehrschluss bedeutet das: Am Rand ist der Joghurtbecher dicker als notwendig.
Metalldotierte Keramik-Heizpunkte auf Leiterplatte gedruckt
Und hier setzt die neue Technologie ein: Statt großer Heizflächen setzen die sächsischen Ingenieure auf eine Vielzahl von kleinen Heizpunkten, die einzeln elektronisch angesteuert werden können. Diese Heiz-Matrix erzeugen sie, indem sie mit Metall versetzte Keramikpunkte auf eine spezielle Leiterplatte drucken. Eine Steuerelektronik schickt dann Strom durch jene Keramikpunkte, die heizen sollen. Durch den elektrischen Widerstand des Materials entsteht dann die Hitze an dieser Stelle. Die solcherart digital angesteuerten Keramikheizpunkte lassen im Joghurtbeispiel die späteren Becherränder kalt und machen nur die Bereiche richtig warm, die umgeformt werden sollen. Durch diese selektive Beheizung erreicht das „Cera2Heat“ („Keramik fürs Heizen“) genannte Verfahren seine Material- und Energieersparnisse.
Nach den Joghurtbechern heizt das Team den Kaffeekapseln ein
Als die Basistechnologie ausgetüftelt war, gründeten die TU und die Fraunhofer-Forscher im Februar 2016 die Firma „Watttron“. Seitdemhat das junge Unternehmen bereits zahlreiche Innovations-Preise eingeheimst. Das inzwischen 16-köpfige Team sitzt im Technologiezentrum Freital und passt die Joghurtbecher-Technologie nun auch für andere Anwendungsszenarien an: für die Herstellung von Kaffeekapseln, Rasierapparat-Verpackungen und dergleichen mehr.
Neue Jobs winken
Peu à peu wollen die Freitaler auch ganz andere Industrien aufrollen: die Chemie, die Biotechnologie, die Polymerverarbeitung – überall eben, wo geheizt wird. 600 000 Euro Umsatz hat das Unternehmen im vergangenen Jahr gemacht, für dieses Jahr plant Marcus Stein mit einer Million. „Wir wollen, dass unser Heizsystem zum einem Standard im Markt wird“, sagt der Geschäftsführer. Dies werde auch für neue Jobs sorgen. „Ich denke, in etwa fünf Jahren werden wir 100 Mitarbeiter haben.“
Minister: „Frischzellenkur für unsere Wirtschaft“
„Etwas anders zu machen oder etwas Neues anzupacken erfordert Mut und Kreativität“, lobte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) die Gründer. „Ich bin froh, dass wir so viele mutige und innovative Wissenschaftler, Gründer und Unternehmer in Sachsen haben. Unternehmen wie die watttron GmbH bedeuten zugleich eine Art Frischzellenkur für unsere Wirtschaft.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!