Ifo-Präsident Fuest schlägt Studiengebühren vor, um arme Grundschüler besser zu fördern
Dresden, 31. Mai 2017. Für einkommensgestaffelte Studiengebühren an deutschen Hochschule hat sich ifo-Präsident Clemens Fuest gestern in Dresden ausgesprochen. Mit den freiwerdenden Uni-Zuschüssen solle der Staat in eine bessere frühkindliche Bildung an Grundschulen und Kita investieren, schlägt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts vor. So will er die Aufstiegschancen von Kindern aus armen Familien verbessern.
Aufstiegs-Chancen sind gesunken
„Bisher gelingt es dem deutschen Schulsystem nur unzureichend, begabte Kinder aus Familien jenseits des Akademiker-Milieus ausreichend zu fördern und in die Hochschulen zu bringen“, erklärte Clemens Fuest. In der Bundesrepublik seien die Aufstiegs-Chancen aus bildungsfernen Schichten in jüngster Vergangenheit eher geschrumpft statt zu wachsen. „Da sehe ich ein Problem.“
Wirtschaftsforscher: Debatte über soziale Abkoppelung ist realitätsfern
Zugleich wandte er sich gegen – insbesondere aus dem linken Lager – im Wahlkampf jetzt oft vorgetragene These, die soziale Marktwirtschaft versage in Deutschland zunehmend, ein Großteil der Bevölkerung habe vom deutschen Wirtschaftsboom nicht profitiert, sondern werde zunehmend sozial abgehängt. „Das stimmt einfach nicht“, sagte der Wirtschaftsforscher. Solch eine „aufgeregte Debatte“ sei absurd in einem Land, dessen Jugendarbeitslosigkeit beispielhaft niedrig sei.
Bevölkerung überschätzt Ungleichheit krass
Schaue man sich Umfragen über die Ungleichheit in Deutschland an, so sei sichtbar, dass diese „von der Bevölkerung krass überschätzt“ werde, sagt Fuest. Ähnliche Befunde gebe es aus fast allen Industrieländern – außer in den USA.
Anteile von Ober- und Unterschicht am Gesamteinkommen stabil
Die harten Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache, betont der ifo-Präsident. So gebe es Statistiken, wie sich die Einkommensverteilung in jüngerer Vergangenheit entwickelt hat. So könne man beispielsweise als finanzielle Oberschicht jenes Zehntel der Bürgerschaft definieren, das die höchsten Einkommen habe, und als Unterschicht jene 40 Prozent mit den niedrigsten Einkommen. 2005 entfielen demnach rund 23,5 Prozent des Gesamt-Einkommens in Deutschland auf diese oberen zehn Prozent, etwa 22,5 Prozent blieben bei den unteren Einkommens-Schichten.
Abstiegs-Ängste der Mittelschicht unbegründet
Der entscheidende Punkt: Diese Anteile haben sich bis zum Jahr 2014 kaum verschoben. Der Anteil der Oberschicht am – inzwischen größer gewordenen – Kuchen sank sogar leicht. Das bedeute, dass sich die Schere in der Einkommensverteilung – anders als vor 2005 – seit zehn Jahren nicht mehr weiter öffne, so Fuest. Anders ausgedrückt: Vom Wirtschaftsboom haben nahezu alle Schichten profitiert. Und gerade die ebenfalls vieldiskutierten Abstiegs-Ängste der Mittelschicht seien unbegründet. Nur eben mit den Aufstiegs-Chancen hapere es. Das stehe sogar im Armutsbericht der Bundesregierung – „aber das wird gerne überlesen“, sagt Fuest.
Im Osten wirkt egalitäre DDR-Vergangenheit bis heute nach
Und speziell in Ostdeutschland seien die Einkommen ohnehin gleichmäßiger als in den Alten Bundesländern verteilt, ergänzen Marcel Thum und Joachim Ragnitz von der Dresdner ifo-Niederlassung. Dies liegt freilich auch an der egalitären DDR-Vergangenheit: In Ostdeutschland ist seit der Wende noch nicht wieder solch ein wohlhabendes Bürgertum oder gar eine Millionärskaste gewachsen, wie es sie früher auch in Sachsen und heute im Westen gebe.
Autor: Heiko Weckbrodt
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