Rabstein. In unserer Reihe über „Lost Places“, also (fast) vergessene Orte haben wir eine unterirdische deutsche Flugzeug-Fabrik aus dem II. Weltkrieg besucht. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mussten im böhmischen Rabstein unter dem Kommando der SS-Organisation Todt (OT) die Stollen dafür in den Berg treiben. Mehrere Arbeiter kamen dabei ums Leben, die unterirdische Fabrik indes ging vor Kriegsende nicht mehr in Betrieb. Nachdem wir in Teil I unseres Berichts die Vorgeschichte beleuchtet haben, wenden wir uns in Teil II dem Bau des Stollensystems im Krieg zu.
Nach dem Geologie-Gutachten kamen die KZ-Häftlinge
Als die Kriegslage immer bedrohlicher und die alliierte Luftaufklärung stetig näher rückte, erstellte das Geologische Institut in Reichenberg (jetzt Liberec) ein Gutachten, das die Möglichkeit nachwies, das Rabsteinmassivs als unterirdische Produktionsstätte zu nutzen. Am 28. August 1944 war der Baubeginn für eine auf eine Gesamtfläche von 80 000 Quadratmeter geplante unterirdische Rüstungsfabrik. Dazu wurden unverzüglich die ersten KZ-Häftlinge aus Flossenbürg nach Rabstein gebracht.
4,5 Kilometer Stollen vorangetrieben
Mit dem Sprengstoff Donarit, der auch im Bergbau der DDR der Standard-Sprengstoff blieb, bauten Häftlinge und andere Zwangsarbeiter das Tunnelsystem bis zum 8. Mai 1945 bis zu einer Gesamtlänge von etwa 4,5 Kilometern aus. Insgesamt rund 17 500 Quadratmetern Fabrikflächen entstanden so noch bis zum Kriegsende. Der alliierten Luftaufklärung gelang es nicht, das Bunkerwerk aufzuspüren.
Röhren gut erhalten
Im Stollensystem erstaunt heute der gute Erhaltungszustand der aus dem Sandstein geschlagenen Röhren. Auch der Boden – der Bergmann würde Fahrung sagen – ist eben, fest, teilweise sogar betoniert. Von Tropfwasser keine Spur, auch die Luftverhältnisse (bergmännisch: Wetter) sind ausgezeichnet. Unsere Taschenlampen benötigen wir über weite Strecken kaum, die Ausstellungsbetreiber haben die Stollen gut ausgeleuchtet.
Trümmer abgestürzter Flugzeuge ausgestellt
Von der Hauptvortriebs-Strecke gehen seitlich mehrere, etwa 20 Meter lange und übermannshohe Höhlen ab. Pesek erläutert die Herkunft und die Funktion der vielen hier ausgestellten Zeitzeugnisse. Er ist ein leidenschaftlicher Sammler, hat über Jahre hinweg die Wälder und Fluren weit um Rabstein herum intensiv durchstreift und durchforscht. Er hat auch fleißig gebuddelt und beispielsweise auch Trümmerteile abgestürzter Flugzeuge gefunden. Dazu gibt’s von ihm gleich die passende Geschichte. Alte deutsche und russische soldatische Ausrüstungen, wie Gasschutzmasken, Verpflegungsbehältnisse und Waffenteile präsentiert er stolz. Auch die touristischen Reize der Böhmischen Schweiz, deren Flora, Fauna, Berge und Bauten, werden in bunten Bildern und mit Text vorgestellt.
Beton und Fledermäuse
Dann verlassen wir diesen unterirdischen Abschnitt, gehen weiter zu einem ca. 250 Meter entfernt liegenden weiteren Eingang. In dem jetzt von uns besuchten Stollensystem sind die Wände mit Beton verkleidet, die Decken sind als Gewölbe über weite Strecken mit vorgefertigten Betonfertigteilen ausgestattet. Teilweise ist die Belüftung von einem dafür gebauten Kompressorraum über an den Decken hängenden Rohrleitungen noch vorhanden. Wir entdecken einige Fledermäuse, die hier offenbar ihr Zuhause haben.
Bunker als Treibstoffdepot genutzt
Von unserem Führer erfahren wir, dass im unterirdischen System noch in Kriegszeiten umfangreiche Tankbehälter errichtet und genutzt wurden. Die Rede ist von 12 Tanks, in die 7,5 Millionen Liter Treibstoff passten. Dass im unterirdischen Tunnelsystem bereits eine Rüstungsproduktion stattfand, ist nicht belegt. Dafür fehlte bis zum Kriegsende schlicht die notwendige Vorbereitungszeit.
Nach dem Krieg zog tschechoslowakische Armee ein
Nach Kriegsende soll in einem Teilbereich des Objektes Rabstein zeitweilig ein Internierungslager für die ausgewiesene sudetendeutsche Bevölkerung unter furchtbarsten Bedingungen betrieben worden sein. Das bedarf jedoch noch der gesicherten Aufklärung.
Materialdepot für Warschauer Pakt
Sicher ist hingegen, dass zeitweilig die Russen, ab Dezember 1950 über Jahre hinweg die Tschechoslowakische Volksarmee das Objekt Rabstein für sich, als Treibstofflager und Pioniermunitionslager, nutzten. Zeitweilig bekam es nach 1961 auch den Status eines Materialdepots des Warschauer Paktes. Erst Ende 1994 übernahm eine tschechische Ölgesellschaft die Tanklager, wollte diese modernisieren, es blieb aber bei der Absicht.
Seit 2002 öffentlich zugänglich
Ab 2002 begann die Ära der Erschließung und Nutzung als öffentlich zugängliches Objekt durch private Hand in Übereinkunft mit der Stadt Böhmisch-Kamnitz und der Gemeinde Johnsbach.
Autor: Peter Weckbrodt
Zum Weiterlesen:
Rabstein Teil 1: Von der Textilfabrik zur Rüstungsschmiede
Besucherinformationen
Wo?
Podzemni Tovarny Rabstejn u Skaly, Janska 74
Anmeldungen
bei Vlasimir Pesek zur Führung unter Tel. 00420- 412 58 45 54, mindestens einen Tag im Voraus
Eintrittspreise:
Erwachsene 6 Euro, Kinder 4 Euro, Fotoerlaubnis 2,50 Euro
Mehr Infos im Netz:
Bunker-Infos auf der Seite der Region Usti
Anfahrt:
Bahnstrecke Decin-Markvartice, Haltepunkt Vesele pod Rabstejnem
Bus:
Linie Ceska Kamenice- Janska
Linie Decin-Markvartice + 2 km Fußweg
Pkw:
Dresden –Bad Schandau- Hrensko- Rusova-Janska
Anfahrtskarte
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