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Die Flugzeugfabrik im Bunker – Teil II

Alte Grubenlampe und Kochgeschirr in der alten deutschen Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen Foto: Heiko Weckbrodt

Alte Grubenlampe und Kochgeschirr in der alten deutschen Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen
Foto: Heiko Weckbrodt

Rabstein. In unserer Reihe über „Lost Places“, also (fast) vergessene Orte haben wir eine unterirdische deutsche Flugzeug-Fabrik aus dem II. Weltkrieg besucht. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mussten im böhmischen Rabstein unter dem Kommando der SS-Organisation Todt (OT) die Stollen dafür in den Berg treiben. Mehrere Arbeiter kamen dabei ums Leben, die unterirdische Fabrik indes ging vor Kriegsende nicht mehr in Betrieb. Nachdem wir in Teil I unseres Berichts die Vorgeschichte beleuchtet haben, wenden wir uns in Teil II dem Bau des Stollensystems im Krieg zu.

Die früheren Textilfabriken vor dem Bunkereingang in Rabstein beginnen zu verfallen. Foto: Heiko Weckbrodt

Die früheren oberirdischen Textilfabriken vor dem Bunkereingang in Rabstein beginnen zu verfallen. Foto: Heiko Weckbrodt

Nach dem Geologie-Gutachten kamen die KZ-Häftlinge

Als die Kriegslage immer bedrohlicher und die alliierte Luftaufklärung stetig näher rückte, erstellte das Geologische Institut in Reichenberg (jetzt Liberec) ein Gutachten, das die Möglichkeit nachwies, das Rabsteinmassivs als unterirdische Produktionsstätte zu nutzen. Am 28. August 1944 war der Baubeginn für eine auf eine Gesamtfläche von 80 000 Quadratmeter geplante unterirdische Rüstungsfabrik. Dazu wurden unverzüglich die ersten KZ-Häftlinge aus Flossenbürg nach Rabstein gebracht.

Die elektrik hat schon bessere Tage gesehen (Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen) Foto: Heiko Weckbrodt

Die Elektrik hat schon bessere Tage gesehen (Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen) Foto: Heiko Weckbrodt

4,5 Kilometer Stollen vorangetrieben

Mit dem Sprengstoff Donarit, der auch im Bergbau der DDR der Standard-Sprengstoff blieb, bauten Häftlinge und andere Zwangsarbeiter das Tunnelsystem bis zum 8. Mai 1945 bis zu einer Gesamtlänge von etwa 4,5 Kilometern aus. Insgesamt rund 17 500 Quadratmetern Fabrikflächen entstanden so noch bis zum Kriegsende. Der alliierten Luftaufklärung gelang es nicht, das Bunkerwerk aufzuspüren.

Es geht doch nichts über Strahlsunder Brathäppchen aus der Armeekonserve (Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen) Foto: Heiko Weckbrodt

Es geht doch nichts über Stralsunder Brathäppchen aus der Armeekonserve (Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen). Foto: Heiko Weckbrodt

Röhren gut erhalten

Im Stollensystem erstaunt heute der gute Erhaltungszustand der aus dem Sandstein geschlagenen Röhren. Auch der Boden – der Bergmann würde Fahrung sagen – ist eben, fest, teilweise sogar betoniert. Von Tropfwasser keine Spur, auch die Luftverhältnisse (bergmännisch: Wetter) sind ausgezeichnet. Unsere Taschenlampen benötigen wir über weite Strecken kaum, die Ausstellungsbetreiber haben die Stollen gut ausgeleuchtet.

Verrostetes MG 42, auch "Hitlersäge" genannt, im Stollensystem von Rabstein in Böhmen Foto: Heiko Weckbrodt

Verrostetes MG 42, auch „Hitlersäge“ genannt, im Stollensystem von Rabstein in Böhmen
Foto: Heiko Weckbrodt

Trümmer abgestürzter Flugzeuge ausgestellt

Von der Hauptvortriebs-Strecke gehen seitlich mehrere, etwa 20 Meter lange und übermannshohe Höhlen ab. Pesek erläutert die Herkunft und die Funktion der vielen hier ausgestellten Zeitzeugnisse. Er ist ein leidenschaftlicher Sammler, hat über Jahre hinweg die Wälder und Fluren weit um Rabstein herum intensiv durchstreift und durchforscht. Er hat auch fleißig gebuddelt und beispielsweise auch Trümmerteile abgestürzter Flugzeuge gefunden. Dazu gibt’s von ihm gleich die passende Geschichte. Alte deutsche und russische soldatische Ausrüstungen, wie Gasschutzmasken, Verpflegungsbehältnisse und Waffenteile präsentiert er stolz. Auch die touristischen Reize der Böhmischen Schweiz, deren Flora, Fauna, Berge und Bauten, werden in bunten Bildern und mit Text vorgestellt.

Vladimir Pesek kümmert sich mit seinen Mitstreitern um die alte deutsche Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen. Foto: Heiko Weckbrodt

Vladimir Pesek kümmert sich mit seinen Mitstreitern um die alte deutsche Bunkerfabrik Rabstein in Böhmen.
Foto: Heiko Weckbrodt

Beton und Fledermäuse

Dann verlassen wir diesen unterirdischen Abschnitt, gehen weiter zu einem ca. 250 Meter entfernt liegenden weiteren Eingang. In dem jetzt von uns besuchten Stollensystem sind die Wände mit Beton verkleidet, die Decken sind als Gewölbe über weite Strecken mit vorgefertigten Betonfertigteilen ausgestattet. Teilweise ist die Belüftung von einem dafür gebauten Kompressorraum über an den Decken hängenden Rohrleitungen noch vorhanden. Wir entdecken einige Fledermäuse, die hier offenbar ihr Zuhause haben.

Der stalin-Spruch an der Wand ist laut Haobby-Historiker Vladimir Pesek kein Original, sondern wurde von einem Kamera-Team bei einem Filmdreh über ein sowjetisches Gluag an die betonwände des alten deutschen Bunkersystems in Rabstein gepinselt. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Stalin-Spruch  ist laut Haobby-Historiker Vladimir Pesek kein Original, sondern wurde von einem Kamera-Team bei einem Filmdreh über ein sowjetisches Gulag an die Betonwände des alten deutschen Bunkersystems in Rabstein gepinselt. Foto: Heiko Weckbrodt

Bunker als Treibstoffdepot genutzt

Von unserem Führer erfahren wir, dass im unterirdischen System noch in Kriegszeiten umfangreiche Tankbehälter errichtet und genutzt wurden. Die Rede ist von 12 Tanks, in die 7,5 Millionen Liter Treibstoff passten. Dass im unterirdischen Tunnelsystem bereits eine Rüstungsproduktion stattfand, ist nicht belegt. Dafür fehlte bis zum Kriegsende schlicht die notwendige Vorbereitungszeit.

Deutscher stahlhelm aus dem II. Weltkrieg. Foto: Heiko Weckbrodt

Deutscher Stahlhelm aus dem II. Weltkrieg. Foto: Heiko Weckbrodt

Nach dem Krieg zog tschechoslowakische Armee ein

Nach Kriegsende soll in einem Teilbereich des Objektes Rabstein zeitweilig ein Internierungslager für die ausgewiesene sudetendeutsche Bevölkerung unter furchtbarsten Bedingungen betrieben worden sein. Das bedarf jedoch noch der gesicherten Aufklärung.

Materialdepot für Warschauer Pakt

Sicher ist hingegen, dass zeitweilig die Russen, ab Dezember 1950 über Jahre hinweg die Tschechoslowakische Volksarmee das Objekt Rabstein für sich, als Treibstofflager und Pioniermunitionslager, nutzten. Zeitweilig bekam es nach 1961 auch den Status eines Materialdepots des Warschauer Paktes. Erst Ende 1994 übernahm eine tschechische Ölgesellschaft die Tanklager, wollte diese modernisieren, es blieb aber bei der Absicht.

Seit 2002 öffentlich zugänglich

Ab 2002 begann die Ära der Erschließung und Nutzung als öffentlich zugängliches Objekt durch private Hand in Übereinkunft mit der Stadt Böhmisch-Kamnitz und der Gemeinde Johnsbach.

Autor: Peter Weckbrodt

Direkt hinter dem Fabrikgelände befindet sich der Zugang zum museal gestalteten unterirdischen Stollenkomlex. Foto: Peter Weckbrodt

Direkt hinter dem Fabrikgelände befindet sich der Zugang zum museal gestalteten unterirdischen Stollenkomlex. Foto: Peter Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Rabstein Teil 1: Von der Textilfabrik zur Rüstungsschmiede

Besucherinformationen

Wo?

Podzemni Tovarny Rabstejn u Skaly, Janska  74

Anmeldungen

bei Vlasimir Pesek zur Führung unter Tel. 00420- 412 58 45 54, mindestens einen Tag im Voraus

Eintrittspreise:

Erwachsene 6 Euro, Kinder 4 Euro, Fotoerlaubnis 2,50 Euro

Mehr Infos im Netz:

Beschreibung auf cztour

Infos in der Wikipedia

Bunker-Infos auf der Seite der Region Usti

Anfahrt:

Bahnstrecke Decin-Markvartice, Haltepunkt Vesele pod Rabstejnem

Bus:

Linie Ceska Kamenice- Janska

Linie Decin-Markvartice + 2 km Fußweg

Pkw:

Dresden –Bad Schandau- Hrensko- Rusova-Janska

Anfahrtskarte

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Geschichte, zAufi

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[caption id="attachment_67607" align="alignleft" width="117"]Peter Weckbrodt. Foto: IW Peter Weckbrodt. Foto: IW[/caption] Peter Weckbrodt hat ursprünglich Verkehrswissenschaften studiert, wohnt in Dresden und ist seit dem Rentenantritt journalistisch als freier Mitarbeiter für den Oiger und die Dresdner Neuesten Nachrichten tätig.

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