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Faschist mit Erzengel-Komplex

Codreanu bei einer Kundgebung der Legionärsbewegung in Bukarest (1937). Fotograf unbekannt, gemeinfrei, Wikipedia

Codreanu bei einer Kundgebung der Legionärsbewegung in Bukarest (1937). Fotograf unbekannt, gemeinfrei, Wikipedia

Ultarechte Neo-Legionäre berufen sich bis heute auf den rumänischen Führer und religiösen Fundamentalisten Condreanu

Dresden/Bukarest, 9. April 2016. In Rumänien und in Ländern mit Exilrumänen kann man bis heute gelegentlich auf sogenannte „Neo-Legionäre“ stoßen, die sich auf eine über 80 Jahre alte faschistische Bewegung der Zwischenkriegszeit berufen. Anders als die italienischen Faschisten oder die Nationalsozialisten schaffte es diese rumänische „Legion des Erzengels Michael“ unter ihrem charismatischen Führer Corneliu Zelea Condreanu (1899-1938) aber nie bis zur Macht: König Carol II. ordnete 1937 an, die „Legion“ zu zerschlagen und deren Anführer zu töten.

Murariu: Legion war „totalistisch“ statt „totalitaristisch“

Trotz vieler Gemeinsamkeiten mit anderen ultrarechten Bewegungen im damaligen Europa blieben die Legionäre mit ihrem religiösen Fanatismus und ausgeprägtem Antisemitismus doch eine ganz eigene Arabeske der Faschismusgeschichte. Nicht zuletzt wegen dieser Eigenarten plädiert der Forscher Dr. Mihai Murariu dafür, diese und ähnliche Bewegungen als „totalistisch“ und nicht „totalitaristisch“ einzustufen. Als „totalistisch“ versteht der in Rumänien geborene Wissenschaftler der Uni Münster dabei ganz allgemein eine Ideologie, die keine andere Welterklärungs-Ansätze neben sich duldet, die sowohl restaurativ wie auch utopisch in ihrem Programm sein kann. Dahinter stehe letztlich ein „Gedankengebäude“, „das eine absolute Wahrheit über die menschliche Existenz zu besitzen beansprucht“, formulierte Dr. Mihai Murariu es in einem Gastreferat im „Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung“ (HAIT) an der TU Dresden. In Abgrenzung dazu sei der schon lange bekannte und seit jeher umstrittene Begriff „Totalitarismus“ eine Untermenge des „Totalismus“: eine engere Bezeichnung nämlich für jene totalistischen Bewegungen, die auch Macht bekommen und ihre Ideologie in die Praxis umzusetzen versuchen.

Mihai Murariu (31). Foto: Uni Münster

Mihai Murariu (31). Foto: Uni Münster

Eiserne Garde hatte bis zu 272.000 Mitglieder

Eben dies gelang Corneliu Zelea Condreanu zu seinen Lebzeiten nie. Im Juni 1927 hatte er seine „Legion des Erzengels Michael“ gegründet. Zehn Jahre später hatte diese Bewegung rund 272.000 Mitglieder – was etwa 1,5 % der rumänischen Bevölkerung entsprach, betonte Dr. Mihai Murariu. Ab 1930 wurde auch synonym die Bezeichnung „Eiserne Garde“ verwendet.

Corneliu Zelea Codreanu und seine Frau Elena Ilinoiu (um 1925?). Fotograf unbekannt, gemeinfrei, Wikipedia

Corneliu Zelea Codreanu und seine Frau Elena Ilinoiu (um 1925?). Fotograf unbekannt, gemeinfrei, Wikipedia

Religion statt Rasse stand im Vordergrund

Condreanu vertrate zwar auch rassistische Ansichten, seine ideologischen Schwerpunkte waren aber eher religiös-fundamentalistisch, nationalistisch und antisemitisch. Ein klar gefasste eigenes politisches Programm hatte die Legion nicht, sie orientierte sich ganz an ihrem „Hauptmann“ Condreanu. Der erklärte wiederholt, Rumänien „säubern“ und „reinigen“ zu wollen, insbesondere von den Juden, um das Land zu einem – nicht näher definierten – puristischen Zustand zurückzuführen.

König ordnete Mord an

Daraus wurde allerdings nichts: 1938 war Condreanu dem – selbst diktatorisch herrschenden – König Carol II. zu populär geworden, er ließ ihn erst inhaftieren und dann ermorden. Bis heute verehren einige ultrarechte Rumänen im In- und Ausland den gescheiterten Legion-Führer als Helden. „In der heutigen rumänischen Politik spielen diese Neolegionäre aber nur eine sehr geringe Rolle“, betonte Dr. Mihai Murariu.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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