Taxifahrer Bernd Kahl erzählt in seinem Netz-Tagebuch verrückte und kuriose Beobachtungen
Dresden, 10. April 2014: Ein Crystal-Dealer, der plötzlich neben dem Auto liegt, ein Arzt, der zu einem Asthma-Notruf eilt und eine hochverqualmte Party vorfindet, eine Dame, die sich dem Chauffeur auf den Schoß setzt, um ihren Begleiter eifersüchtig zu machen – Geschichten, wie sie das Leben schreibt. Oder besser gesagt: der Alltag eines Taxifahrers wie Bernd Kahl, der aus der „schönsten Stadt der Welt“ (sprich: Dresden) Anekdoten, Beobachtungen und wilde Stories auf seinem Taxi-Blog verbreitet.
Angefangen hat alles mit Rückenschmerzen
„Angefangen hat das mit einem Bandscheibenvorfall, der mich wochenlang ans Bett gefesselt hat“, erzählt der 58-jährige Vollblut-Taxifahrer, der schon zu DDR-Zeiten –damals mit einem Wolga – von A nach B chauffierte. „Ich musste flach im Bett liegen und habe mich gelangweilt. Da dachte ich: Jetzt kannst Du endlich mal diese ganzen Taxi-Stories aufschreiben.“
Bloggen aus der Horizontalen
Gesagt, getan: Kahl ließ sich eine Stehleiter übers Bett stellen, darin einen Laptop mit Gummibändern aufhängen, so dass er mit nach oben gereckten Händen schreiben konnte. Im Mai 2010 war das und inzwischen sind seine Beiträge Legion: Weit über 300 digitale Tagebuch-Einträge sind es inzwischen. In denen berichtet Kahl kritisch, aufmunternd, oft auch ironisch über seine Erlebnisse mit Dresdner Autofahrern, über Alltagsgeschichten, setzt sich aber auch kritisch mit aktuellen Themen wie der Taxi-App-Schwemme oder dem versprochenen Groko-Mindestlohn auseinander, der natürlich seinen Berufsstand beschäftigt.
Erst aufschreiben, wenn die erste Aufregung abgeklungen ist
„Ich schreibe meist am Abend auf, was ich tagsüber auf Arbeit erlebt habe“, sagt der Blogger. „Ist aber oft auch gut, dass sich das ein paar Stunden setzen kann – manchmal regt man sich im ersten Moment viel zu sehr auf.“ Denn wirre Fahrmanöver der anderen Verkehrsteilnehmer machen viele seiner Blog-Einträge aus. Aber gerade dabei, so betont er, entwickele man als Taxifahrer vor allem eines: Geduld.
„Chapeau, meine Dame!“
Dabei hat er erst jüngst eine Lanze für die vielgeschmähten Automobilistinnen gebrochen: „Heute nachmittag musste auf der Maxim Gorki Straße plötzlich bremsen, weil das Fahrzeug vor mir scheinbar unmotiviert anhielt. Ich konnte erkennen, daß eine Frau am Steuer saß und schaltete mein Hirn um auf stoisches Aussitzen des zu erwartenden Rückwärts-Einpark-Krimis. Umso erstaunter war ich dann, daß die Dame nicht langsam rückwärts einparkte, sondern mit einer affenartigen Geschwindigkeit und in einem Zug rückwärts in eine Einfahrt hineinrauschte, die auf beiden Seiten gerade mal noch etwa 20 cm Platz ließ! Chapeau, meine Dame!“
Oft genug spiegeln sich in seinem Tagebuch aber auch die praktischen Wirkungen der „großen“ Politik: Wenn etwa Präsidentinnen mit Polizeieskorte durch die Stadt düsen oder die alljährlichen Demo-Festspiele zum 13. Februar Dresdens Straßen lahmlegen.
Subjektiver Blickwinkel im ursprünglichen Blog-Sinn
Weil Kahl ganz subjektiv schreibt – und damit dem ursprünglichen Konzept eines Web-Tagebuchs nahe bleibt – werden seine Beiträge recht oft kommentiert, digital wie im „echten“ Leben. Auf jeden Fall hat auch er seine Fan-Gemeinde, die ihm etwa 1200 Seiten-Zugriffe pro Monat beschert. Die Resonanz der Kollegen sei durchmischt, sagt er: Einige finden es gut, dass hier einer aus der fahrenden Zunft Klartext schreibt, andere reagieren eher skeptisch. Autor: Heiko Weckbrodt
Zum Weiterlesen:
Dresdens bunte Bloggerszene
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