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Technologieexperte: Europa muss Forschungsförderung industrienah umbauen

Europa droht ein "Tal des Todes", wenn sich die Technologieförderpolitik nicht ändert, warnt der französische CEA-Technologiedirektor Gabriel Crean. Abb.: Crean, ISS

Europa droht ein "Tal des Todes", wenn sich die Technologieförderpolitik nicht ändert, warnt der französische CEA-Technologiedirektor Gabriel Crean. Abb.: Crean, ISS

München, 27.2.2012: Für eine Umschichtung der EU-Forschungsförderung zu Gunsten anwendungs- und industrienaher Entwicklungsprojekte hat sich Gabriel M. Crean, Technologiedirektor der französischen Atomenergiekommission CEA, auf dem europäischen Industriestrategie-Symposium „ISS“ Ende Februar in München ausgesprochen, wie aus jetzt zugänglichen Unterlagen hervorgeht.

Hohe Beihilfen: Europas Champions bauen Fabriken lieber in den USA

Gabriel Crean. Abb.: EMRS

Gabriel Crean. Abb.: EMRS

Den USA zum Beispiel gelinge es leider immer wieder, Schlüsseltechnologie-Champions aus Europa anzulocken, so dass Ergebnisse der – oft zuvor von der EU geförderten – europäischen Grundlagenforschung nicht etwa zu Fabriken und Jobs in Europa, sondern in den Vereinigten Staaten oder in anderen konkurrierenden Weltregionen führen.

So seien bei BASF in Deutschland zum Beispiel erhebliche Beträge in die Erforschung neuer Kathodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien geflossen, berichtet Crean. Zwei darauf fußende, insgesamt 250 Millionen Dollar teure Batteriefabriken seien dann aber in Ohio und Florida gebaut worden – wobei US-Behörden jeweils die Hälfte der Summe zuschossen. Und die britische Biotech-Firma INEOS habe ihre eben erst entwickelten Technologien für die Gewinnung von Biokraftstoffen aus Abfallstoffen in eine 130 Millionen Dollar teure Produktionsstätte nach Florida überführt – weil die US-Ministerien für Energie und Landwirtschaft mit Beihilfen und Garantien im Wert von insgesamt 125 Millionen Dollar winkten.

Auf ähnliche Weise stehe auch die deutsche Solarindustrie unter erheblichem Druck, weil die chinesische Regierung ihre Photovoltaik-Wirtschaft massiv subventioniere, betonte Cran. Wobei man allerdings sagen muss, dass auch die Bundesrepublik die Solarwirtschaft über das Einspeisegesetz de facto subventioniert, hier aber ausländische Wettbewerber auch in den Genuss der gestützten Sonnenstrompreise kommen.

Europa droht „Tal des Todes“

Europa drohe zu einem „Tal des Todes“ zu werden, das zwar die Grundlagen für Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik, Biotech und Materialwissenschaften erforsche, aber daraus nur wenig wirtschaftlichen Nutzen ziehe, warnte der CEA-Technologiedirektor. „Asiatische und amerikanische Forschungs- und Entwicklungsfonds zielen vor allem auf die Entwicklung, währen Europa den größten Anteil in die Grundlagenforschung lenkt“, erklärte er. So fließe über die Hälfte der chinesischen Technologieförderung in industrienahe Entwicklungsprojekte, in der EU seien es nur sechs bis acht Prozent. Auch der Finanzierungsanteil der Industrie an solchen Programmen gehe in Europa immer mehr zurück und liege nur noch bei etwa 25 Prozent.

In Asien ist der Anteil konkreter Entwicklungsprojekte an der Technologieförderung besonders hoch. Abb.: Crean, ISS

In Asien ist der Anteil konkreter Entwicklungsprojekte an der Technologieförderung besonders hoch. Abb.: Crean, ISS

An Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik hängen ganze Wertschöpfungsketten

Crean plädierte daher dafür, die EU-Förderung so umzuschichten, dass Töpfe wie der Europäische Regionalentwicklungsfonds ERDF künftig für konkrete Technologieprojekte, für den Bau von Pilotlinien und die Produktentwicklung bei Schlüsseltechnologien genutzt werden können. „Von diesen Schlüsseltechnologien hängen in Europa ganze Wertschöpfungsketten in Europa ab“, betonte er.

Heiko Weckbrodt

-> Zum Weiterlesen: Die EU und die Schlüsseltechnologien

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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