Sachsen wollen Technologie nun für stationäre Energiespeicher serienreif machen
Freiberg, 6. September 2024. Freiberger Forscher haben einen Akku aus Aluminium, Kohlenstoff und festen Polymer-Elektrolyten entwickelt. Diese Energiespeicher sind im Vergleich zu den meisten heutigen Batterien billiger und feuerfester, zudem müsste Deutschland dafür keine strategisch vergleichsweise knappen Rohstoffe wie Lithium importieren. Das sächsische Wissenschaftsministerium schießt nun eine Viertelmillion Euro zu, damit die Bergakademie Freiberg diese neue Akku-Technologie für eine Serienproduktion fit machen kann. Wissenschaftler und Wirtschaftspolitiker wittern in den Alu-Polymer-Festkörperakkus viel Marktpotenzial als stationäre Energiespeicher für Häuser mit Solardächern. Das geht aus einer Mitteilung der Uni Freiberg hervor.
„Vielversprechende Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien“
„Für die Elektrifizierung und damit Flexibilisierung energieintensiver Technologien brauchen wir neue Energiespeicher“, erklärt Prof. Dirk C. Meyer, der Direktor des Instituts für Experimentelle Physik an der Bergakademie Freiberg. „Die Aluminium-Polymer-Batterie ist eine vielversprechende Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien, an der mein Team schon seit rund zehn Jahren intensiv forscht und die nun im Hinblick auf eine industrielle Produktion und Anwendung geprüft wird.“
Deutschland ist derzeit stark von Lieferungen aus Asien abhängig
Hintergrund: Lithium-Energiespeicher haben zwar eine hohe Energiedichte und gelten in der Industrie als derzeit noch als der Akku-Standard schlechthin für Autos, Notebooks, Mobiltelefone und andere Geräte. Doch sie haben eben auch Nachteile: Deutschland ist in diesem Technologiesektor stark auf Hersteller aus Südkorea, China und Japan angewiesen. Und selbst wenn die Bundesrepublik eigene Batteriefabriken schneller als bisher hochziehen würde, so hat sie doch bisher kaum nennenswerte eigene Lithium-Quellen, ist also auch da auf Importe angewiesen – zumindest bis die Vorkommen im Erzgebirge und durch Geothermie endlich erschlossen sind. Und nicht zuletzt überhitzen Lithium-Akkumulatoren mit ihren flüssigen Elektrolyten zwischen den Elektroden recht leicht, daher geht von ihnen immer eine gewisse Brandgefahr aus.
Festes Elektrolyt-Polymer soll Energiespeicher auslaufsicher und feuerfester machen
All diese Nachteile wollen die Freiberger durch ein eigenes Zell-Design ändern: Für ihre Elektroden verwenden sie Aluminium und Graphit statt Lithium. Der eigentliche Clou ihrer Energiespeicher sind aber die Elektrolyten dazwischen, durch die die Ladungsträger hin und her wandern: In Lithium-Akkus sind das meist flüssige Lösungen aus Kohlenwasserstoffen und Lithiumsalz. Im Freiberger Energiespeicher übernimmt diese Aufgabe hingegen ein honigfarbenes festes Polymer. „Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Triethylaminhydrochlorid und Aluminiumchlorid, die zusammen mit Polyamid ein festes Netzwerk bilden“, erklärt Projektmitarbeiter Oliver Schmidt. „Im Vergleich zu traditionellen flüssigen Elektrolyten bietet dieser Festelektrolyt zahlreiche Vorteile: Er kann nicht auslaufen, ist resistent gegen Feuchtigkeit und Sauerstoff und reduziert Korrosion. Zudem ersetzt er die übliche Separator-Schicht, was die Batterie sicherer und kostengünstiger in der Herstellung macht.“
Fokus liegt auf dem stationären Einsatz
Bisher haben die Freiberger Forscher erste Prototypen mit einer Wattstunde (Wh) Speichervermögen gebaut. Mit dem Geld aus Dresden wollen sie als nächstes größere Akkus herstellen: „Ziel der Weiterentwicklung ist eine Speicherkapazität von 10 Kilowattstunden (kWh), was der durchschnittlichen Tagesproduktion einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses entspricht“, erläutert Schmidt. Die Uni machte bisher keine genauen Angaben zur Leistungsdichte – zu vermuten ist, dass diese wohl niedriger als bei Lithium-Akkus liegt. Darauf deutet auch der avisierte Anwendungszweck als stationärer Energiespeicher an, weil es dabei nicht so sehr auf’s Gewicht ankommt.
Aktualisierung:
„Unser aktueller Stand ist eine gravimetrische Energiedichte von circa 40 Wattstunden pro Kilogram bei einem Preis von 120 Euro pro Kilowattstunde“, teilten Amir Mohammad und Oliver Schmidt von der Bergakademie Freiberg auf Oiger-Anfrage mit. “ Diese Werte hängen natürlich stark von den verwendeten Materialien ab. Damit liegen wir momentan noch hinter Lithium-Ionen-Batterien, haben aber noch nicht das gesamte Optimierungspotential ausgeschöpft.“
Zum Vergleich: Heutige Lithium-Akkus kommen oft auf eine Energiedichte zwischen 100 und 160 Wattstunden pro Kilogramm.
Team erprobt nun Akku-Produktion „von der Rolle“
Als nächstes will das Freiberger Team erproben, ob und wie sich der Aluminium-Polymer-Akku in einer Rolle-zu-Rolle-Fertigungsanlage effizient herstellen lässt. Ende 2025 erwarten die Forscher belastbare Ergebnisse. Als zentrale Vorteile ihres Akku-Designs für eine Produktion in Deutschland sehen sie den Verzicht auf den Import-Rohstoff Lithium. Auch verweisen sie auf die günstigen Einkaufspreise: Während sie für ein Kilogramm Lithiumkarbonat 23 Euro kalkulieren, gehen sie bei Aluminiumoxid von 80 Cent pro Kilo aus. Nicht zuletzt lasse sich Aluminium auch gut wiederverwerten. Und das Marktvolumen könnte erheblich sein: Für die in Deutschland ausgerufene Energiewende werden weit mehr stationäre Energiespeicher als heute nötig sein. Wenn die sich recht billig aus in Europa verfügbaren Rohstoffen herstellen lassen und dann auch noch feuerfest sind, könnten die Alu-Polymer-Akkus durchaus eine ernstzunehmende Alternative zu ihren Lithium-Brüdern werden.
Autor: hw
Quellen: Bergakademie Freiberg, Oiger-Archiv, Wikipedia, Forschungsinformationssystem (FIS) des BMDV, Jungheinrich Profishop
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