Energietechnik, News, zAufi

Deutschland könnte 13 % seines Lithiumbedarfs aus Geothermie decken

Für Tiefen-Geothermie ist aufwendige Bohrtechnik notwendig. Hier im Bild ist die "Innova Rig" zu sehen. Dieses Bohrgerät reicht in Tiefen bis 7000 Meter und wiegt 410 Tonnen. Die Firma Herrenknecht Vertical und das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) haben diese Rig gemeinsam entwickelt. Foto: Bundesverband Geothermie

Für Tiefen-Geothermie ist aufwendige Bohrtechnik notwendig. Hier im Bild ist die „Innova Rig“ zu sehen. Foto: Bundesverband Geothermie

KIT-Studie geht aber davon aus, dass noch viele praktische Hindernisse auf dem Weg zum begehrten Akku-Rohstoff auszuräumen sind

Karlsruhe/Bruchsal/Zinnwald, 18. Oktober 2022. Deutschland könnte zwei bis 13 Prozent seines Lithium-Bedarfs für die großformatige Akku-Produktion selbst decken, wenn es aus dem Grundwasser sämtlicher Geothermie-Kraftwerke diesen strategisch wichtigen Rohstoff herauslösen würde. Das hat eine Meta-Studie des „Karlsruher Instituts für Technologie“ (KIT) ergeben. „Wir halten bei einer optimistischen Abschätzung eine jährliche Produktion von ungefähr 2600 bis 4700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden“, erklärte Dr. Fabian Nitschke vom KIT-Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW).

EnBW-Video über die
Experimente in Bruchsal:

EnBW testet Lithium-Gewinnung in Bruchsal

„Grundsätzlich sehen wir die Technologie sehr positiv“, betonte sein AGW-Kollege Valentin Goldberg. „Flächenverbrauch und Umweltkosten wären gering, genauso die Transportkosten.“ Allerdings gibt es laut KIT noch keine serienreifen Extraktions-Verfahren für das Lithium aus der Tiefe. In der Praxis erprobt unter anderem der Energiekonzern EnBW die Lithium-Gewinnung aus Tiefen-Geothermie im Rahmen des Projektes „Unlimited“ in einer Bruchsaler Geothermie-Anlage. Dort ziehen Ionensiebe aus dem Wasser das begehrte Leichtmetall, konzentrieren die Ionen und fällen sie dann als Salz aus. Bei rund 8.000 Betriebsstunden jährlich lasse sich dort „eine Lithiummenge fördern, die ausreichend ist für die Produktion von etwa 20.000 Akkus für Elektroautos“, heißt es von EnBW.

Extraktion könnte zu unerwünschten Nebeneffekten führen

Bisher gibt es allerdings auch nur nur grobe Schätzungen über die nutzbaren Vorkommen in Deutschland. Noch nicht geklärt ist zudem, wie sich die Lithium-Abspaltungsmethoden auf das chemische Gleichgewicht des Wasser auswirken, das wieder in die Erde zurückgeleitetet wird. Nicht auszuschließen ist beispielsweise, dass sich dadurch mit der Zeit ganz andere Stoffe an den Bohrlöchern ablagern.

Mitteleuropa nur mäßig geeignet

Ohnehin ist klar, dass eine Lithium-Gewinnung in deutschen Geothermie-Kraftwerken nur eine Ergänzung sein kann, nicht aber den gesamten Bedarf an dem Elektrodenmaterial decken kann. Die Studienautoren sehen in einer regionalen Lithiumgewinnung einerseits eine ökologische Ergänzung zu Importen aus Asien, Südamerika und Australien und eine zusätzliche Quelle für den Fall, dass China oder andere Akteure den Lithium-Hahn für die Bundesrepublik zudrehen.

Deutsche Tiefen-Geothermie findet bisher größtenteils in Bayern statt

Nicht zuletzt hat Deutschland im Vergleich zu Italien, den USA, den Philippinen oder China auch geologisch nicht unbedingt den optimalen Grund und Boden, um unbegrenzt weitere Geothermie-Anlagen zu installieren. Auch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Von den insgesamt 350 Megawatt (MW) in Deutschland installierter thermischer Leistung aus Tiefen-Geothermie befinden sich 330 MW allein in Bayern.

In Sachsen nur Oberflächen-Geothermie

In Sachsen dagegen spielt Tiefe-Geothermie aus geologischen Gründen keine praktische Rolle. Hier gibt es allerdings rund 16.595 Erdwärmeanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von zirka 190 MW, die die oberflächennahe Geothermie einsetzen.

Die Lithiumverbindung Lithiumcarbonat. Foto: Bergakademie Freiberg

Die Lithiumverbindung Lithiumcarbonat. Foto: Bergakademie Freiberg

Wieder wachsende deutsche Akku-Industrie hochgradig von Importen abhängig

Deutschland bezieht sein Lithium bisher fast ausschließlich aus Importen – vor allem aus Chile und Australien. Angesichts zahlreicher angekündigter neuer Fabriken für Akkuzellen und Komplettakkus in der Bundesrepublik – insbesondere für Elektroautos – wird die deutsche Nachfrage für Lithiumkarbonat bis 2030 auf 49.000 bis 168.000 Tonnen steigen, schätzt die Deutsche Rohstoffagentur (Dera). „Die Angebotsseite muss also bis zum Jahr 2030 massiv nachziehen, um den entstehenden Bedarf zu decken“, warnte die Dera bereits im Jahr 2021.

Sachsen hofft auf ein Lithium-„Berggeschrey“ im Erzgebirge

Zwar gibt es auch Pläne, Lithium auch per Bergbau im Erzgebirge zu gewinnen. Ab 2025 soll die Lagerstätte in Zinnwald genug Leichtmetall für die Akkus in bis zu 20 Millionen Elektrofahrzeugen liefern. Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hofft mit Blick darauf auf ein neues „Berggeschrey“ im Erzgebirge wie jenes, das im Mittelalter den Silber-Bergbau in der Region beflügelt hatte. Bisher ist es es aber bei Absichtserklärungen und Voruntersuchungen geblieben.

Im Projekt "Bio4Rec" wollen Freiberger Forscherinnen ausprobieren, ob sich Kobalt, Lithium und andere niedrig konzentrierte Wertstoffe mit Bio-Tensiden aus dem Abwasser beim Akku-Recycling zurückgewinnen lassen. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Im Projekt „Bio4Rec“ wollen Freiberger Forscherinnen ausprobieren, ob sich Kobalt, Lithium und andere niedrig konzentrierte Wertstoffe mit Bio-Tensiden aus dem Abwasser beim Akku-Recycling zurückgewinnen lassen. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Parallel dazu arbeiten Ressourcen-Forscher in Freiberg und an weiteren Standorten an effizienteren Methoden, Lithium aus Alt-Akkus und alten Kühlanlagen zu gewinnen. Eine großformatige Recycling-Industrie könnte insofern in Zukunft als weitere Lithium-Bezugssäule für Akku-Fabriken in Deutschland dienen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: KIT, Dera, LfULG, SMWA, Oiger-Archiv, Agentur für Erneuerbare Energien, Statista

Wissenschaftliche Publikation:

Goldberg, V., Nitschke, F., Kluge, T.: Herausforderungen und Chancen für die Lithiumgewinnung aus geothermalen Systemen in Deutschland Teil 2: Potenziale und Produktionsszenarien in Deutschland. Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie (2022)(b). https://doi.org/10.1007/s00767-022-00523-4

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt