Eva-Forscher Ringbauer aus Leipzig will durch Gen-Analysen von 500 Skeletten ermitteln, welche Erbanlagen das Wüten der Pest erleichterten
Leipzig, 7. September 2024. Warum raffte die Pest im Spätmittelalter zwar Millionen in Europa dahin, „verschonte“ aber andere Menschen? Weshalb wütete sie in Europa im 14. Jahrhundert derart verheerend, während in Indien manchmal in Pestzeiten die Bevölkerungszahl sogar stieg? Antworten darauf kann womöglich die Genetik liefern, indem sie Zusammenhänge aus altem Erbgut und besonders hoher Sterblichkeit offenbart. Dr. Harald Ringbauer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Eva) in Leipzig, der sich auf die Analyse alter Erbgutmoleküle („aDNS“) spezialisiert hat, will nun beispielhaft die Genome von 500 österreichischen Opfern des „Schwarzen Todes“ entschlüsseln und analysieren.
Manche Menschen sind erblich anfälliger
„Um besser zu verstehen, warum bestimmte Krankheiten in einigen modernen Gruppen häufiger auftreten als in anderen, und um Veränderungen in bestimmten Genen mit den Faktoren in Verbindung bringen zu können, die zu diesen Veränderungen geführt haben, müssen wir unser Wissen über die jüngere Populationsgeschichte des Menschen ausbauen“, betont Ringbauer.
Wirkt tödliche Auslese bis heute nach?
So gebe es Hinweise darauf, dass der „Schwarze Tod“ dauerhafte Veränderungen in den Genen unseres Immunsystems ausgelöst hat, die auch heute noch von Bedeutung sind. Anders ausgedrückt: Womöglich waren viele Menschen in Asien schon lange immun gegen die Pest, als sie dort ausbrach – und in Europa haben bis heute nur Menschen mit Erbanlagen überlebt, die eben diese Immunität eben auch haben. Allerdings sind die Daten, die bisher durch Erbgut-Analysen alter Skelette gewonnen worden sind, in ihrer Deutung immer noch umstritten.
Computer sollen bei Deutung helfen
Daher wollen Ringbauer und sein Team die Genome von 500 Opfern des Schwarzen Todes aus St. Pölten, Österreich, sequenzieren und analysieren. „Unser erstes großes Ziel ist es, die einmalige Chance zu nutzen, die uns die große Zahl der jetzt identifizierten Opfer des Schwarzen Todes bietet, um besser zu verstehen, in welcher Beziehung diese Menschen, die alle im Jahr 1350 starben, zu den heute in Europa lebenden Menschen stehen“, kündigt Ringbauer ab. „Neue computergestützte Methoden werden es uns ermöglichen, in die Vergangenheit zu reisen und diese Generation mittelalterlicher Menschen mit den heutigen Europäern in Verbindung zu bringen und die Bevölkerungsstruktur und Demografie über die Jahrhunderte hinweg zu untersuchen.“
Erkenntnisse für künftige Seuchen erhofft
Außerdem wollen die Wissenschaftler wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass e noch mal zu einer Pest-Epidemie im modernen Europa kommt: „Genetische Varianten, die das Risiko eines tödlichen Ausgangs einer Infektion mit dem Schwarzen Tod erhöhen, werden in den Genomen der 500 Opfer gehäuft auftreten“, ist der Projektleiter überzeugt. „Die große Stichprobengröße ermöglicht es uns, diese Varianten zu finden und erstmals die direkten Auswirkungen des Schwarzen Todes auf die menschliche Genetik gründlich zu untersuchen und möglicherweise wichtige genetische Informationen zu entdecken, die für aktuelle und zukünftige Krankheitsausbrüche von Bedeutung sind.“
Europas Forschungsrat rückt anderthalb Millionen Euro heraus
Damit Ringbauer seine Forschungen vorantreiben kann, hat der Europäische Forschungsrat (ERC) ihm nun 1,5 Millionen Euro als Stipendium („ERC Starting Grant“) zugesagt. Neben Ringbauer bekommen in der aktuellen Runde zwei weitere sächsische Forscher diese begehrten Zuschüsse: Die Chemikerin Dr. Dorothea Golze von der TU Dresden will durch Computersimulationen untersuchen, wie sich bestimmte Materialien chemisch und physikalisch verändern, wenn Licht auf ihre Grenzflächen trifft. Und Juniorprofessur Arndt Leininger von der TU Chemnitz untersucht den Einfluss von Wohnsitzveränderungen auf politische Einstellungen in der Gesellschaft. „Diese Spitzenwissenschaftler legen mit ihren Forschungen die Voraussetzungen für künftige Innovationen und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft insgesamt“, lobt der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU).
Autor: Oiger
Quellen: MPI-Eva, SMWK, Wikipedia
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.