Kölner Ökonomen: Besonders Sachsen profitiert von Zuzug
Köln/Dresden, 26. August 2024. In Ostdeutschland arbeiten immer mehr Ausländer – und sie erwirtschaften knapp sechs Prozent der ostdeutschen Bruttowertschöpfung. Darauf haben Ökonomen vom arbeitgeber-nahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln aufmerksam gemacht. Dabei verweisen sie auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, aus denen die AfD womöglich als stärkste Kraft hervorgehen könnte.
IW-Forscher: Region muss weltoffen bleiben
„Ausländische Beschäftigte stützen die ostdeutsche Wirtschaft“, betont IW-Studienautor Wido Geis-Thöne. „Umso wichtiger ist es, dass die Region weltoffen bleibt – denn nur so bleibt der Osten wirtschaftlich erfolgreich.“
Ausländer erwirtschafteten 24,6 Milliarden Euro pro Jahr in Ostdeutschland
Laut der Erhebung arbeiteten im Jahr 2023 in den fünf ostdeutschen Bundesländern rund 403.000 Menschen ohne deutschen Pass. Das waren rund 173.000 mehr als noch fünf Jahre zuvor. Sie erwirtschafteten 24,6 Milliarden Euro, haben die Studienautoren hochgerechnet. „Das entspricht 5,8 Prozent der ostdeutschen Bruttowertschöpfung.“
Ostdeutsche Nachbarn, aber auch Vietnamesen, Inder und Ukrainer in Sachsen stark vertreten
Vor allem Sachsen profitiere davon, „hier erwirtschafteten Ausländer rund 7,9 Milliarden Euro“, unterstreichen die Forscher. Gründe dafür dürften unter anderem die generell im Ostvergleich relativ hohe Wirtschaftsleistung im Freistaat sowie die vergleichsweise starke Präsenz von Instituten, Chipfabriken sowie weiteren Unternehmen und Einrichtungen sein, in denen seit der Wende viele Menschen aus den USA, aus dem EU-Raum, aus China, Indien, der Ukraine und weiteren Ländern arbeiten und forschen. Hinzu kommt ein – auch in anderen ostdeutschen Bundesländern – recht hoher Anteil von Bauarbeitern, Lagerarbeitern, Fahrern und anderen Werktätigen aus den Nachbarländern Polen (24 Prozent der ausländischen Beschäftigten in Ostdeutschland), Tschechien (3,2 Prozent) sowie weiteren osteuropäischen Staaten. Insgesamt machen EU-Ausländer 43,2 Prozent der ausländischen Beschäftigten in Ostdeutschland aus. Weitere stark vertretene Herkunftsländer sind die Ukraine, Indien und Vietnam – wobei Vietnamesen bereits vor der Wende stark in der DDR vertreten waren.
Effekte aus demografischem Wandel im Osten weit früher und stärker spürbar als im Westen
Der Zufluss ausländischer Arbeiter, Ingenieure und Forscher in den vergangenen drei Dekaden war nach Einschätzung der IW-Forscher auch ein wesentlicher Grund, dass die ostdeutsche Wirtschaft trotz sinkender einheimischer Bevölkerung recht stark wachsen konnte. Denn: „In den fünf ostdeutschen Bundesländern schrumpft die Zahl der deutschen Arbeitnehmer seit Jahren, dafür steigt die Zahl der ausländischen Beschäftigten“, betonen die Ökonomen. Denn in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sei der demografische Wandel am Arbeitsmarkt bereits sehr viel stärker spürbar als im Rest der Republik, heißt es in der Untersuchung. „Ursächlich hierfür ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren“: Einerseits wanderten nach der Wende viele junge potentielle Arbeitnehmer in den Westen und Süden Deutschlands ab. Zweitens kam es wegen der Abwanderung junger Frauen sowie angesichts der lange als sehr ungewiss empfundenen Zukunft für Ostdeutschland dort zu einem starken Geburtenknick.
Von daher schließen ausländische Beschäftigte einen Teil der demografischen Lücken im Osten Deutschland. Und gerade auch Politiker und Wirtschaftsvertreter in Sachsen werden nicht müde zu betonen, dass der Freistaat noch viel mehr qualifizierte Zuwanderung brauchen wird, um all jene Stellen zu besetzen, die in der Mikroelektronik, der Software-Branche und weiteren Industriezweigen, aber auch in der Pflege, in der Gastronomie, im Gesundheitswesen und weiteren Sektoren entstehen oder oder natürlichen „Schwund“ frei werden.
IW: „Ostdeutschland hat in puncto Gastfreundschaft nicht den besten Ruf“
Allerdings habe „Ostdeutschland in puncto Gastfreundschaft nicht den besten Ruf“, schätzen die Kölner Wirtschaftsforscher ein. „Die AfD arbeitet sich an Migranten unermüdlich ab und freut sich über gute Umfragewerte – während viele Migranten die Sorge umtreibt.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IW Köln, Oiger-Archiv, wahlrecht.de
Wissenschaftliche Publikation:
„Ausländische Beschäftigte tragen zur Wertschöpfung in Ostdeutschland 24,6 Milliarden Euro bei“ von Wido Geis-Thöne und Benita Zink, IW-Kurzbericht, Nr. 61, 2024, Köln, Fundstelle im Netz hier
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.