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Ifo: Ausländische Fachkräfte anzuheuern bleibt zu bürokratisch

Grenze, Zuwanderung, Grafik: Dall-E / hw

Grafik: Dall-E / hw

Wirtschaft sieht bisher wenig Nutzen aus Job-Turbo und Gesetzesnovelle bei Facharbeiter-Einwanderung

München, 13. August 2024. Der sogenannte „Job-Turbo“, mit dem die Bundesampel Flüchtlinge – vor allem aus der Ukraine – schneller mit Arbeitsstellen versorgen will, sowie die Änderungen am Fachkräfte-Einwanderungsgesetz zünden bisher anscheinend nicht so recht: „Die bürokratischen Hindernisse beim Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland bleiben auch mit dem Job-Turbo zu hoch“, schätzt das Ifo-Institut aus München ein und stützt sich dabei auf eine gemeinsame Personalleiter-Umfrage mit „Randstad“. „Viele Personalleiter erwarten einen eher geringen Nutzen vom vorgeschlagenen Job-Turbo und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz“, fasst Ifo-Forscherin Daria Schaller die Befunde zusammen.

Ein Drittel der Personalchefs meint: Bildungsaufwand ist für Betrieb zu hoch

Demnach meinen 39 Prozent der Firmenvertreter, dass die Neuerungen den Unternehmen keine praktischen Hilfen bieten. Für 34 Prozent ist der Weiterbildungsbedarf im Betrieb zu hoch, um diese Unterstützung zu nutzen. Für jeweils rund 30 Prozent bleiben die Beschäftigungshürden zu hoch und Visumanträge dauern weiterhin zu lange. Positive Effekte erwartet immerhin knapp ein Fünftel der Unternehmen: 17 Prozent planen, ausländische Fachkräfte für mehr als 8 Monate einzustellen.

Job-Turbo zielt vor allem auf ukrainische Flüchtlinge

Job-Turbo und Fachkräfte-Einwanderungsgesetz zielen dabei auf zwei unterschiedliche Gruppen: Ukrainische Flüchtlinge, die bereits im Land sind, sowie ausländische Facharbeiter, die erst noch kommen wollen. Mit dem „Job-Turbo“ hatte die Bundesregierung unter anderem auf Vergleiche mit anderen europäischen Ländern reagiert, in denen Ukrainer, die vor dem russischen Angriff gen Westen geflohen waren, in viel stärkerem Maße bereits selbst ihren Unterhalt verdienen. „Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen noch einmal verstärken, um Geflüchtete schnell und möglichst nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, versprach daraufhin Sozialminister Hubertus Heil (SPD). Sein Sozialministerium und die Arbeitsagentur beschlossen daher neue Reglungen. Die sehen unter anderem mehr Vermittlungsgespräche vor. Dazu gibt es vorgeschaltete Deutsch-Kurse, aber auch die Möglichkeit, Flüchtlinge auch schon vorher oder parallel zum Deutsch-Spracherwerb in Helfer-Jobs zu vermitteln oder in Betriebe, in denen ohnehin Englisch gesprochen wird. Zudem sind verpflichtende berufsbegleitende Deutsch-Kurse vorgesehen – diesen Unterricht sollen die Unternehmen möglichst selbst auf die Beine stellen. Und die Job-Center und Arbeitsagenturen sollen Flüchtlinge, die bei all dem nicht richtig mitziehen, das Bürgergeld oder andere Leistungen zusammenstreichen können.

Fachkräfte-Einwanderungsgesetz kam kurz vor Corona – bisher blieb Erfolg unter den Erwartungen

Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz wiederum hatte Deutschland 2019 erlassen, um neben internationalen Akademikern auch ausländische Facharbeiter schneller ins Land zu holen. Wegen Corona und vieler praktischer Hürden kamen über diesen Kanal aber im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen nur recht wenige Fachkräfte nach Deutschland. Deshalb novellierte die Regierung das Gesetz. Sie senkte unter anderem die Mindestgehälter, die den Zuwanderern winken mussten, vereinfachte auch die Möglichkeit für sie, erst mal probeweise nach Deutschland zu kommen, um hier selbst nach Arbeit zu suchen. Auch führte der Bund ein Punktesystem mit „Chancen-Karten“ ein. Dennoch kommt diese Zuwanderungskanal – anders als etwa bei den Green Cards für die USA – kaum in Gang. Rückmeldungen aus der Wirtschaft lassen darauf schließen, dass nicht weitere Novellen vonnöten sind, sondern mehr Personal und digitale Technik in den deutschen Botschaften und Generalkonsulaten sowie in den völlig überlasteten Ausländerbehörden der Kommunen in Deutschland.

Hauptproblem: Zu wenig Personal und Digitalisierung in Botschaften, Ausländerbehörden und anderen Ämtern

Außerdem war bei Oiger-Recherchen oft aus den Betrieben zu hören, dass der bürokratische Aufwand – zudem primär analog und in Papierform – immens sei, um Fachkräfte aus anderen Ländern ins Land zu bekommen. Hinzu kommen auch kulturelle und sprachliche Barrieren: Viele internationale Facharbeiter sprechen zwar Englisch, in deutschen Betrieben ist aber zumeist Deutsch die Verkehrssprache. Daher bevorzugen viele Zuwanderer englischsprachige Länder als Ziel.

Ausländerbehörde Dresden: Betriebe lernen dazu, mehr Zuzug von Fachleuten ist absehbar

Dennoch gibt es nach den jüngsten Novellen des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes auch optimistische Stimmen: „Viele Unternehmen nutzen inzwischen beschleunigte Verfahren“, berichtet beispielsweise Denise Gräfe, die Leiterin der Ausländerbehörde in Dresden. Mehr und mehr Betriebe haben nach ihrer Beobachtung inzwischen eine gewisse Routine entwickelt, wie sich der Zuzug ausländischer Mitarbeiter möglichst hürdenarm realisieren lässt. Auch müsse man den jüngeren Änderungen im Fachkräfte-Einwanderungsgesetz etwas Zeit geben zu wirken. Die vorgeschaltete Visa-Erteilung sei zwar weiter ein Problem, räumt Gräfe ein. Dennoch sagt sie über diesen Kanal für die qualifizierte Zuwanderung: „Ich rechne mit einem stärkeren Zuzug als bisher.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Ifo-Institut, BMAS, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt