Elbe-Flugzeugwerke heuerten 30 philippinische Luftfahrt-Experten an, doch die brauchten für die 10.000 Kilometer von Manila nach Dresden trotz Fachkräfte-Gesetz 2 Jahre
Dresden, 6. Juni 2023. Fachkräftemangel ist auch in der sächsischen Luftfahrt-Industrie ein wachsendes Problem. Obwohl eine eigene Ausbildung eigentlich als Königsweg zur Belegschafts-Sicherung gilt, bilden einige Unternehmen in der Branche gar keine Lehrlinge mehr aus – weil sich schlicht keine geeigneten Bewerber finden. Und auch das vieldiskutierte Fachkräftegesetz hat bislang noch nicht zum erhofften großen Zustrom ausländischer Facharbeiter geführt. Statt immer neuer Novellen wäre es da womöglich mehr helfen, erst mal verkrustete bürokratische Hürden zu beseitigen, mehr Zuständigkeiten in einer Hand zu vereinigen und die zuständigen Behörden genug Personal zu geben. Dieser Eindruck drängt sich immer wieder bei Berichten aus sächsischen Unternehmen auf, die das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz zu nutzen versucht haben.
Ein Beispiel dafür sind die Elbe-Flugzeugwerke (EFW): Der Flugzeug-Umrüster hatte 30 Luftfahrt-Fachleute auf den Philippinen gefunden, die gerne offene Stellen in Sachsen besetzen wollten. Doch für die 9900 Kilometer zwischen Manila und Dresden brauchten die Fachkräfte dank deutscher Bürokratie letztlich zwei Jahre, berichtet EFW-Chef Jordi Boto.
„Eine Verkettung vieler bürokratischer Hürden“
Und da habe es sich eben nicht um irgendwelche Angelernte gehandelt, sondern um Luftfahrt-Fachleute, also Menschen, die eigentlich zur Kernzielgruppe des deutschen Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes zählen. Danach gefragt, woran es haperte, will Boto noch nicht mal einer bestimmten Behörde den Schwarzen Peter zuschieben: „Es lag an einer Verkettung vieler bürokratischer Hürden”, ist er überzeugt. Obwohl eigentlich alle wichtigen Dokumente in kurzer Zeit vorlagen, habe sich das Genehmigungsverfahren für Visum, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis immer weiter hingezogen.
Einige hatten Warterei satt und gingen lieber in die USA
Und dieses Verfahren habe sich derart hingestreckt, dass auf dem langen Weg nach Deutschland mancher Bewerber auch abgesprungen sei. „Einige sind dann doch lieber in die USA gegangen, wo sich innerhalb von sechs Wochen ihre Arbeitserlaubnis bekommen haben“, erzählt der EFW-Chef.
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz überkreuzte sich mit Corona
Hintergrund: Akademiker und Computer-Experten können schon seit Jahren auf erleichterten Wegen für Jobs nach Deutschland kommen. Angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels in immer mehr Branchen sollte das deutsche Fachkräfte-Einwanderungsgesetz solche Erleichterungen eigentlich auch für Zuwanderer unterhalb der akademischen Qualifizierungsebene ermöglichen. Das Gesetz trat 2019 in Kraft, verpuffte dann allerdings in der globalen Corona-Krise erst mal weitgehend. Aber auch danach hielt sich der Zuzug ausländischer Fachkräfte über diesen Kanal erst mal in engen Grenzen. Zwar hat der Zuzug per Fachkräfte-Einwanderungsgesetz zuletzt nun doch spürbar – nämlich um 44 Prozent – zugenommen, allerdings auf einem weiterhin ziemlich niedrigem Niveau: Ende 2022 hatten 41.000 Nicht-EU-Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung, berichtete kürzlich das Statistische Bundesamt in Wiesbaden.
Probleme beginnen schon an den Toren der Botschaften und Goethe-Institute
Dass die sogenannte „qualifizierte Einwanderung“ nach Deutschland weiter unter den Erwartungen bleibt, hat sicher viele Gründe und zweifellos auch damit zu tun, dass Englisch im Zweifelsfall leichter zu lernen ist als Deutsch. Allerdings haben Vertreter der sächsischen Wirtschaft in den vergangenen Monaten eben auch immer wieder die vielen Steine kritisiert, die den Unternehmen und qualifizierten Zuwanderern dabei immer noch in den Weg gelegt werden. Dazu gehören die langwierige, umständliche und oft recht restriktiv gehandhabte Visa-Vergabe durch die – personell teils unterbesetzten – deutschen Botschaften und Generalkonsulate.
Hinzu kommen die Schwierigkeiten für die ausländischen Fachleute, die geforderten B1-Sprachkenntnisse vom Ausland aus nachzuweisen. Einerseits ist Deutsch weit schwerer als Englisch zu erlernen. Anderseits akzeptieren viele deutsche Auslandsvertretungen nur B1-Zeugnisse der Goethe-Institute. Die aber sind dünn gesät und die Kurse vergleichsweise teuer. Hinzu kommt: In pandemischen Zeiten, bei diplomatischen Verwicklungen oder anderen Problemen sind diese Institute auch oft genug geschlossen (Beispiele: Corona oder jüngst Russland-Ausweisungen). Die nächste Hürde ist die Vielzahl an zuständigen Behörden im gesamten Genehmigungsverfahren auf Bundes- und kommunaler Ebene. Außerdem arbeiten viele Ausländerbehörden in den Kommunen wegen der permanenten Flüchtlingskrisen personell am Limit. Auch deshalb mehren sich die Forderungen, das gesamte Procedere für zuwandernde Fachkräfte – zumindest im Inland – in jeweils einer spezialisierten Behörde oder einem Willkommens-Zentrum zu bündeln.
Wirtschaftskammern wollen helfen
Erst kürzlich hatten mehrere Industrie- und Handelskammern dem Auswärtigen Amt angeboten, eigene Ressourcen im In- und Ausland zur Verfügung zu stellen, um Fachkräfte schneller durch das Genehmigungsverfahren zu lotsen. „Um den Visaprozess zu beschleunigen, haben die DIHK und das Auswärtige Amt eine Vereinbarung geschlossen, wonach das Außenhandelskammer-Netz unter anderem durch Vorprüfungen von Visaunterlagen die Antragsteller bei der Zusammenstellung der erforderlichen Dokumente beraten und unterstützen kann. Dies könnte die Bearbeitungszeit des Visaantrages beschleunigen“, heißt es dazu in einer Stellungnahme der „Deutschen Industrie- und Handelskammer“ (DIHK) zum jüngsten Novellen-Entwurf des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes. „Notwendig dafür ist jedoch, dass die AHK einen beschleunigten Kanal zur Einreichung von vorgeprüften Anträgen beim externen Dienstleister der Auslandsvertretungen oder direkt bei der Auslandsvertretung erhält.“
Für die Flugzeugwerke eine Bereicherung
Für die Elbe-Flugzeugwerke jedenfalls war die Tippeltappeltour durch die deutschen Instanzen zwar lang, doch letztlich lohnenswert: „Am Ende sind die Kollegen iterativ bei uns eingetroffen und sind nun für uns eine große Hilfe“, betont EFW-Sprecherin Anke Lemke. Solche Impulse aus dem Ausland gehören mittlerweile schon fast konstitutiv zur Unternehmenskultur der Elbe-Flugzeugwerke, die einerseits immer mehr Kunden rund um den Erdball haben, andererseits selbst auch internationaler werden: In der über 2000 Menschen umfassenden Belegschaft sind inzwischen über 30 Nationalitäten vertreten, der Chef ist gebürtiger Spanier und das Unternehmen hat Standorte in fünf Ländern. Und um weiter zu wachsen, sind die Flugzeugwerke ständig auf der Suche nach fähigen Leuten – in Sachsen und weltweit, wie eben auch im Falle der 30 philippinischen Luftfahrtexperten. Die seien eine echte Bereicherung: Sie mindern ein Stück weit die Fachkräfte-Engpässe in den Umrüsthallen am Flughafen und bringen zugleich auch ihre ganz eigenen kulturellen Akzente in das Dresdner Team ein, betont Lemke. „Sie bringen eine komplett andere Kultur mit und wir helfen ihnen mit unserem Mentorensystem, hier klarzukommen.“
Und: „Nach anfänglichen Hürden liegen wir bei den kürzlich gestarteten Kollegen bei der halbierten Zeit“, betont EFW-Chef Boto. Dies sei „der richtige Trend, der weiter nach unten gehen muss. Politik und Behörden sind dran, Lösungen für Verkürzungen an den Start zu bringen.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: EFW, Flugzeug-Galvanik Dresden, Diehl Aviation Dresden, IHK Dresden, Oiger-Archiv, DIHK
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