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KI greift ein, wo der Mensch im Kampf gegen Plastemüll versagt

Besteck, Schalen, Flaschen und andere Haushaltsdinge aus Kunststoff haben heute keinen so großen Fan-Club mehr wie in den 1960er Jahren - besonders, wenn sie aus Erdöl oder anderen fossilen Ablagerungen hergestellt sind. Foto: Heiko Weckbrodt

Wohin mit dem Kunststoff-Abfall? Foto: Heiko Weckbrodt

Projekt „KIOpti-Pack“: TU Dresden und weitere Partner wollen mehr Kunststoff-Abfälle vor dem Verbrennungsofen retten

Aachen/Dresden/Erlangen, 19. November 2022. Damit künftig weniger Kunststoff-Müll in Verbrennungsöfen und auf Halden endet, soll fortan „Künstliche Intelligenz“ (KI) überall dort die Wiederverwertungs-Quoten verbessern, wo menschliche Recycling-Pläne fehlschlagen. Dafür haben sich nun Dutzende Institute und Unternehmen in Deutschland zu den Partnerverbünden „KIOpti-Pack“ und „K3I-Cycling“ zusammengetan. Gemeinsam wollen sie mit KI-Hilfe neue Wege finden, um den Altkunststoff-Anteil in neuen Verpackungen zu erhöhen und Verwertungs-Kreisläufe zu schließen. Das geht aus Mitteilungen der TU Dresden und des Bundesforschungsministeriums hervor.

Ziel: Attraktive Verpackungen aus Recycling-Material

„Wir untersuchen, wie auch mit recycelten Materialien attraktive – und wieder gut recycelbare – Verpackungen gestaltet werden können“, erklärt Prof. Jens Krzywinski voon der TU Dresden eine Stoßrichtung von KIOpti-Pack. „Dabei schauen wir nicht nur auf die umweltbewusste Kundschaft von Biomärkten, sondern auf alle Märkte, auch dort, wo das Bewusstsein für Nachhaltigkeit nicht so ausgeprägt ist.“ Dafür müsse beim Design neuer Verpackungen und Produkte deren spätere stoffliche Verwertung gleich mitgedacht werden.

Maschinen sollen mehr Plastereste schlucken

Ein zweiter Ansatz der Dresdner Teams zielt darauf, Spritzgießmaschinen, Extruder und andere Anlagen, die Kunststoff-Erzeugnisse herstellen, mit mehr Kunststoffabfällen („Rezyklate“) als bisher zu füttern. Die Künstlichen Intelligenzen sollen hier mit ihren Prognosen helfen, die Prozesse im Innern der Maschinen besser zu durchschauen und mit Blick auf die Rezyklat-Zufuhr zu optimieren. Denn Rezyklate werden zwar auch heute schon vielen Kunststoff-Produkten beigemischt – doch viele Hersteller scheuen immer noch diesen Weg, weil die eingespeisten Abfälle die Haltbarkeit und Güte ihrer Produkte mindern kann. „Um aus ihnen neue Verpackungen gleichbleibend hoher Qualität produzieren zu können, müssen Maschinen und Produktionsprozesse fortlaufend angepasst werden“, erläutert Dr. Hajo Wiemer von der Dresdner Uni. „KI kann zur Vorhersage des Prozessverhaltens genutzt werden und erweist sich dadurch als aussichtsreiche Möglichkeit große Schwankungen in der Verarbeitbarkeit des Materials zu bewältigen.“

Zwar verwertet die deutsche Wirtschaft immer mehr Kunststoff-Abfälle. Doch der Anteil des letztlich verbrannten Plastemülls – euphemistisch als „energetische Verwertung“ bezeichnet – hat über die Jahre eher zu- als abgenommen. Quelle: Umweltbundesamt / CONVERSIO Market & Strategy GmbH

Über die Hälfte des Kunststoff-Abfalls wird immer noch verfeuert

Die Deutschen sammeln zwar bis zu 94 Prozent ihrer Kunststoffabfälle wieder ein. Doch über die Hälfte davon (53 %, Stand: 2019) landet letztlich dann doch nur im Verbrennungsofen. Dagegen verwertet die deutsche Wirtschaft nur 47 Prozent des Kunststoff-Mülls auch stofflich, indem sie daraus beispielsweise Baumateralien, Plastetüten oder andere eher niederwertige neue Produkte herstellt. Nur acht Prozent dieser Abfälle werden hinterher zum Beispiel zu einem Spielzeug, einem Autobauteil, Gartenstuhl oder einem anderen vergleichsweise hochwertigen Erzeugnis. Und diese beiden Punkte gelten eben als das Grundübel mit Plasteprodukten und ihren Verwandten: Werden sie weggeworfen, werden sie entweder wenig umweltfreundlich verfeuert oder erleben zumindest ein „Downcycling“.

Einsatz von Kunststoffrezyklaten in Deutschland 2019Quelle: Umweltbundesamt / CONVERSIO Market & Strategy GmbH

Einsatz von Kunststoffrezyklaten in Deutschland 2019
Quelle: Umweltbundesamt / CONVERSIO Market & Strategy GmbH

„Upcycling“: Aus Plastemüll mehr als nur Tüten machen

In Sachsen forschen bereits mehrere Unternehmen und Institute an einer Umkehr in der Abfallwirtschaft hin zum „Upcycling“. Sprich: Sie wollen Kunststoff- und Holzabfällen ein „zweites Leben“ als Tisch, Kinderspielzeug oder anderes hochwertiges Erzeugnis spendieren. „Nuk“ und die Dresdner Firma „Holypoly“ beispielsweise sammeln in über 550 Kitas sowie Läden solche Kinderartikel aus Kunststoff deutschlandweit in „Schnullermonster“-Sammelboxen ein und machen Sandspielzeuge daraus.

Holypoly sortiert, schreddert und reinigt die Schnuller, Becher und Flaschen und macht dann Sandförmchen daraus. Fotos: NUK / MAPA GmbH

Holypoly sortiert, schreddert und reinigt die Schnuller, Becher und Flaschen und macht dann Sandförmchen daraus. Fotos: NUK / MAPA GmbH

Junge Unternehmen wie die Dresdner Uni-Ausgründung „Lignoa“ legen Holzfurniere ähnlich aus wie Karbon und erhalten dadurch hochfeste Leichtbauteile. Andere setzen Holz-Alu-Verbundplatten ein, um leichtere Züge zu bauen. Naturstoff- und Raumfahrt-Experten der TU Dresden haben eine ganze Raketenspitze aus Holz konstruiert. Ein Tischler hat es gar geschafft, eine komplette CNC-Fräse aus Holz zu bauen. Und das TUD-Institut für Naturstofftechnik will Spritzgießmaschinen mit Spänen und anderen Holzabfällen füttern, um daraus neue Löffel oder Pflanztöpfe zu machen. Noch mal einen anderen Ansatz verfolgt die Dresdner Biofabrik, die mit ihrer Pyrolyse-Reaktoren Plastemüll in einen wiederverwertbaren Öl-Rohstoff zurück verwandelt.

Bundesforschungsministerium fördert Vorhaben

Am nun gestarteten „KIOpti-Pack“-Projekt ist die TU Dresden ebenfalls beteiligt. Die Federführung hat hier allerdings die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen übernommen. Beteiligt sind hier insgesamt 51 Partner. Ebenso wie das Schwesterprojekt „K3I-Cycling“, dessen Leitung das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) aus Erlangen übernommen hat, bekommt „KIOpti-Pack“ Fördergeld vom Bundesforschungsministerium. Beide Konsortien sollen Mitte 2025 ihre Erfolge bilanzieren.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: TUD, BMBF, Bundesumweltamt, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt