„BioRePly“-Forscherinnen der TU Dresden arbeiten an Sperrhölzern, die in der Spritzgießmaschine oder auf dem Kompost statt im Ofen enden
Dresden, 11. Mai 2022. Alte Schränke, Tische, Dachbalken, entnadelte Weihnachtsbäume… Jedes Jahr werfen die Deutschen rund zehn Millionen Tonnen altes Holz weg oder verbrennen es. Ein Teil davon könnte ein zweites Leben als Löffel oder Notizbuchhülle führen. Ob und wie das funktionieren kann, wollen Forscherinnen der Technischen Universität Dresden (TUD) gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft im Projekt „Bio Recycled Plywood“ (BioRePly) bis Ende 2024 ausloten. Vor allem nehmen sie dabei Verbundwerkstoffe ähnlich dem altbekannten Sperrholz unter die Lupe, mit denen sie künftig Spritzgießmaschinen oder alternativ den Komposthaufen füttern wollen.
Sperrholz landet bisher meist im Müll oder im Ofen
„Sperrholz landet am Ende seiner Lebensdauer meist auf dem Sperrmüll oder in Verbrennungsanlagen zur Energiegewinnung“, umreißt Ingenieurin Carolin Siegel vom TUD-Institut für Naturstofftechnik den Stand der Dinge. Das liegt unter anderem daran, dass sich bei diesen Verbundmaterialien dünne Holzschichten mit duroplastischen Kunststoffklebern abwechseln. Letztere werden meist aus Erdöl gewonnen und sind weder kompostierbar noch in einer Spritzgießmaschine neu formbar. Deshalb untersucht das Team nun Möglichkeiten, die Holzschichten statt dessen mit biobasierten Thermoplasten zu verkleben und zu pressen. In die engere Wahl ist dabei Polylactat (PLA) gekommen, ein Kunststoff aus Milchsäure, der heute zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen und Einkaufsbeutel eingesetzt wird. „Dieser Kunststoff lässt sich wieder aufschmelzen und auch kompostieren“, betont Carolin Siegel.
Von Anfang an die ganze Kette im Auge behalten
Allerdings müssen die Forscherinnen dabei die richtige Balance finden: Keiner brauche Möbel, die binnen kurzer Zeit verfallen, umreißt Isla Hodgkinson vom TUD-Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft in Pirna das Problem: „Ein Holztisch muss ja zehn Jahre oder länger halten.“ Von daher ist das ganze Projekt mehrgleisig angelegt: Die Teams suchen sowohl nach sperrholzartigen Verbundmaterialien, die lange halten und sich dann für neue Holzgegenstände wiederverwerten lassen, wie auch nach Holzverbundstoffen, die sich recht schnell abbauen und für den Kompost eignen.
Alterung im Zeitraffer
Um die neuentworfenen Komposite rasch und praxisnah austesten zu können, setzt Carolin Siegel spezielle Alterungsbeschleuniger ein. Das sind rund 1,50 Meter große Witterungsboxen, die Regen, die Ultraviolettstrahlen der Sonne und andere Umwelteinflüsse im Schnelldurchlauf simulieren. „Binnen von Wochen können wir damit die Proben um ein Jahr altern lassen“, erklärt die Ingenieurin. Außerdem lassen die Forscherinnen Pilze auf die Hölzer los, testen in speziellen Testanlagen, wie weit sich die neuen Komposite biegen lassen, bevor sie brechen.
Mit Holz-Granulat die Spritzgießmaschinen füttern
Sind die erfolgversprechendsten Kandidaten gefunden, sind die nächsten Fragen zu klären: Auf welchem Wege lassen sich die kompostierbaren oder wiederverwertbaren Holzgegenstände am besten sammeln und wieder dem natürlichen Kreislauf zuführen? Über die bekannte braune Biotonne, die an vielen Häusern steht oder doch lieber über die Sperrholzsammlung der Wertstoffhöfe? Wie macht man aus Alt wieder Neu? „Unsere Idee ist, hochwertiges Material zu recyceln“, betont Isla Hodgkinson. Wenn beispielsweise ein Holztisch aus PLA-basiertem Sperrholz physisch und moralisch am Ende ist, könnte man ihn schreddern, als Granulat aufbereiten und in Spritzgießmaschinen füllen. Die würden aus der thermoplastischen Mischung dann beispielsweise Holzlöffel, Buchhüllen, Becher oder Blumenkübel herstellen.
Ganz ohne Herabstufung geht’s nicht
„Um ein gewisses Downgrading kommen Sie dabei nicht herum“, schätzt Carolin Siegel ein. Sprich: Aus dem alten Sperrholztisch wird sich per Recycling kein gleichwertiger neuer Tisch machen lassen. Jedoch sei schon viel gewonnen, wenn sich aus Altholz wieder etwas Nützliches formen lasse. Diese stoffliche Verwertung sei im Übrigen auch kein Dogma, betont ihre Kollegin vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft: Für jedes Szenario werde das Team unvoreingenommen die Ökobilanz durchrechnen, kündigt Isla Hodgkinson an. Und da könne mit Blick auf den Aufwand für Holzsammlung, -transport und -aufbereitung durchaus herauskommen, dass eine Verbrennung doch die Lösung ist, die die Umwelt am wenigsten belastet. Dabei sei zu bedenken, dass eine „Verbrennung mit funktionierender Rauchgasreinigung eine Schadstoffsenke darstellt und die gewonnene Energie wiederum fossile Brennstoffe ersetzen kann“. Ein ökologischer Fortschritt sei es unter Umständen schon, erdölbasierte durch pflanzliche Harze zu ersetzen.
Holzmanufakturen an Technologie interessiert
Damit die Ergebnisse von „BioRePly“ rasch in die Praxis transferiert werden können, sind mehrere Unternehmen mit an Bord: ambitionierte Holzmanufakturen wie Jungholz Dresden und Lignoa Leichtbau aus dem bayrischen Rückersdorf, der Großentsorger Veolia sowie die Fasergussfirma „PC Paper Compound“ aus Neustadt in Sachsen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt
Zahlen & Fakten:
- Pro Jahr fallen in Deutschland rund zehn Millionen Tonnen Altholz an.
- Davon werden 79 Prozent für die Energiegewinnung verbrannt, sechs Prozent anderweitig verbrannt oder entsorgt und nur 15 Prozent stofflich wiederverwertet.
- Sperrholz und andere Holzverbundmaterialien (englisch: Wood Polymer Composites, kurz: WPC) sind mit rund 66.000 Tonnen pro Jahr eine vergleichsweise kleine Fraktion im Altholz.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: TUD, Interviews Siegel und Hodgkinson, Bundesumweltamt
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