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Sachsen fordert von Bundesampel mehr Tempo bei Chipindustrie-Förderung

Die Lithografie-Abteilung im X-Fab-Chipwerk in Dresden. Foto: X-Fab

Die Lithografie-Abteilung im X-Fab-Chipwerk in Dresden. Foto: X-Fab

Ministerpräsident Kretschmer: Das muss schneller gehen mit dem IPCEI-Geld

Dresden, 29. April 2022. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat von der Bundes-Ampel in Berlin mehr Tempo für die Mikroelektronik-Förderung gefordert. „Das muss schneller gehen“, sagte er heute nach einer Sitzung des Innovationsbeirates Sachsen in der Bosch-Chipfabrik in Dresden.

Bosch-Chipfabrik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Bosch-Chipfabrik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Globalfoundries, Infineon Boch & Co. wollen in Dresden ausbauen – Vorabzusage erwünscht

Gemünzt ist dieser Appell vor allem auf die Sonderförderungen für wichtige Halbleiter-Projekte von besonderem europäischen Interesse. Dieses „IPCEI“-Programm zielt einerseits darauf, existierende Mikroelektronik-Unternehmen in Deutschland zu stärken und auszubauen, andererseits neue Chipkonzerne anzusiedeln. Unter anderen hatten bereits Infineon, Globalfoundries und Bosch avisiert, ihre Halbleiterfabriken in Dresden deutlich ausbauen zu wollen. Infineon beispielsweise seine Leistungselektronik-Kapazitäten in der sächsischen Landeshaupstadt ausbauen – diese Halbleiter werden gerade für Energiewende, Elektromobilität und Projekte beim ökologischen Umbau der Wirtschaft besonders gebraucht. Die Dresdner Mikroelektroniker warten allerdings immer noch auf Zuschusszusagen aus dem bereits vor anderthalb Jahren avisierten Milliardentopf. Für solche wirtschaftlich besonders wichtigen Vorhaben seien zumindest Teilzusagen wünschenswert, sagte Kretschmer. Bei solchem einem „förderunschädlichen Maßnahmebeginn“ könnten die Unternehmen nämlich ihre geplanten Erweiterungen schon starten, auch wenn noch nicht das letzte Genehmigungsdetail abschließend beraten ist.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (l.) und Wolfgang A. Herrmann vom Innovationsbeirat Sachsen nach einer Sitzung in der Bosch-Chipfabrik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Ministerpräsident Michael Kretschmer (l.) und Wolfgang A. Herrmann vom Innovationsbeirat Sachsen nach einer Sitzung in der Bosch-Chipfabrik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Nicht bummeln

„Für den Umbau der Wirtschaft, weitere Fortschritte beim Klimaschutz und bei der Digitalisierung ist die Mikroelektronik die Schlüsselindustrie. Wie zentral und wichtig die Branche ist, sehen wir durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine, durch Lieferengpässe und Protektionismus – der schon vor der Krise begonnen hat – beispielsweise aus China heraus. Die europäische Initiative ist wichtig und richtig. Wir müssen unabhängiger werden, um aus Europa heraus eine größere Versorgung der europäischen Wirtschaft mit Mikroelektronik-Produkten zu erreichen. Deshalb muss es jetzt darum gehen, zügig zu handeln und das Ganze nicht zu verbummeln. Die Unternehmen stehen in den Startlöchern.“

Sächsischer Ministerpräsident Michael Kretschmer

Viele Konzerne wollen, dass Steuerzahler ihre „Wirtschaftlichkeitslücke“ schließen

Da gerade international agierende Chipkonzerne meist mehrere Standorte zur Auswahl haben, wenn sie neue Fabriken bauen oder ihre Kapazitäten vergrößern wollen, drängt die sächsische Landesregierung auf zügige Lösungen. Mit Blick auf Kritik an den erheblichen Subventionen, die Halbleiterkonzerne wie Intel & Co. von Deutschland im Gegenzug für eine Ansiedlung fordern und oft auch bekommen, verweist Kretschmer auf den internationalen Standortwettbewerb: Bekanntermaßen gebe es andere Regionen in der Welt, die Baugenehmigungen, Umweltbescheide und dergleichen Erlaubnisse viel schneller als Deutschland erlassen.

Die Visualisierung zeigt den Eingangsbereich der geplanten Intel-Doppelfabrik in Magdeburg. Grafik: Intel

Die Visualisierung zeigt den Eingangsbereich der geplanten Intel-Doppelfabrik in Magdeburg. Wieviel Subventionen genau der US-Konzern bekommt, ist noch nicht bekannt. Intel-Chef Pat Gelsinger war aber mit einer gewünschten Zuschussquote um die 40 % in die Verhandlungen gegangen. Grafik: Intel

Nicht zuletzt seien in vielen anderen Staaten, die um Großinvestoren ringen, auch die Löhne, Nebenkosten und Energiepreise niedriger als in Deutschland. Die dadurch entstehende „Wirtschaftlichkeitslücke“ bei einer Ansiedlung hierzulande wollen diese Unternehmen dann eben durch den Staat ausgeglichen bekommen. Natürlich ist diese sogenannte „Wirtschaftlichkeitslücke“ eine euphemistische Chiffre für Subventionshunger beziehungsweise das Konzept, eigene Risiken auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Doch wer im Hightech-Sektor nicht abgehängt werden will, muss in solche sauren Äpfel eben beißen.

Die Taiwanesen bauen ihre Fab 14 erneut aus. Abb.: TSMC

TSMC-Fabrik in Taiwan. Abb.: TSMC

Sachsen hofft weiter auf TSMC

Und diese Sonderzuschuss-Diskussion könnte bald im Freistaat wieder anstehen: Nachdem Sachsen bei der jüngsten Intel-Ansiedlung gegenüber Magdeburg den Kürzeren gezogen hatte, bemüht sich die Regierung weiter um andere „große Fische“ aus der Branche. Dem Vernehmen nach geht es dabei um TSMC aus Taiwan und womöglich auch Samsung aus Südkorea. Darauf angesprochen, nannte Kretschmer keine Namen, erklärte aber, er sei „guter Hoffnung“, dass Sachsen dabei erfolgreich sei.

Kaum Chancen auf Chipfabriken für die Lausitz – Revier soll von den Folgeansiedlungen profitieren

Anders als beim Wettbewerb um die neue Intel-Doppelfabrik, für die Sachsen wegen des enormen Flächenbedarfs nur ein einziges geeignetes Grundstück im Leipziger Land gefunden hatte, wollen die Wirtschaftsförderer in Zukunft neue Chipfabriken wieder bevorzugt im Herzen des „Silicon Saxony“, also im Raum Dresden ansiedeln. Hier sei die sächsische Mikroelektronik über 60 Jahre gewachsen, hier gebe es geeignete Fachkräfte und Zulieferer, argumentierte der Ministerpräsident diese Präferenz. „Regionen wie die Lausitz werden auch profitieren und Ansiedlungen bekommen – vielleicht nicht gerade Chipfabriken, aber womöglich Zulieferer.“

Regionalminister will neue Wege für neue Gewerbeflächen gehen

Dies allein dem marktwirtschaftlichen Selbstlauf zu überlassen, wird nach Meinung des sächsischen Kabinetts aber nicht funktionieren. In der Lausitz zum Beispiel will der Freistaat dafür die Verkehrsanbindungen verbessern, sich für kürzere Zugtaktzeiten und die Elektrifizierung der Strecke gen Görlitz und Bautzen einsetzen. Zudem hat Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) den Auftrag bekommen, bei der Erschließung neuer Gewerbegebiete „neue Wege“ zu gehen, wenn die Kommunen und Kreise vor Ort damit überfordert sind.

Die sächsischen Unternehmen wollen vor allem Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, aber auch Azubis. Sprachbarrieren und Bürokratie gelten aber als die größten Hindernisse. Grafiken: IHK Sachsen: "Fachkräftesituation der sächsischen Wirtschaft"

Die sächsischen Unternehmen wollen vor allem Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, aber auch Azubis. Sprachbarrieren und Bürokratie gelten aber als die größten Hindernisse. Grafiken: IHK Sachsen: „Fachkräftesituation der sächsischen Wirtschaft“

Freistaat braucht jährliche Zuwanderung von 20.000 bis 40.000 Fachkräften

Als besonders zentrale Herausforderung sehen Kretschmer und der Innovationsbeirat aber den Fachkräftemangel im Freistaat: Zwischen 20.000 und 40.000 Arbeiter, Facharbeiter und Akademiker müsse man jedes Jahr ins Land holen, um die natürlichen Bevölkerungsverluste durch den demografischen Wandel auszugleichen, schätzen die Experten. Wie das gelingen kann, soll einerseits für den Innovationsbeirat ein Fokusthema werden, andererseits arbeiten die Ministerien bereits an einer eigenen sächsischen Fachkräfte-Strategie, bei der Osteuropa eine besondere Rolle spielen soll.

Das Hauptquartier der EU im Berlaymont-Gebäude in Brüssel. Foto: EU-Presseservice

Das Hauptquartier der EU im Berlaymont-Gebäude in Brüssel. Foto: EU-Presseservice

Kabinettssitzung in Belgien geplant: Sachsen wollen in Brüssel quengeln

Andererseits haben die Sachsen durch jahrelange Lobbyarbeit in Brüssel inzwischen auch viel mehr Unterstützung für ihren Mikroelektronik-Kurs von der EU gewonnen, als es noch vor der großen Chipkrise 2008/09 und der Qimonda-Pleite der Fall war. In dem europäischen Chip-Gesetz, dem „European Chips Act“, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) kürzlich vorgestellt hatte, sieht der Ministerpräsident „eine ganz zentrale Weichenstellung für die Mikroelektronik und die Quantentechnologien in Europa“. In diesem Programm manifestiere sich ein „komplett neues Denken der EU-Kommission“. Brüssel habe mittlerweile erkannt, dass die Mikroelektronik nicht irgendeine von vielen Branche sei, die man auch Asien und Amerika überlassen könne, sondern vielmehr eine Schlüsselindustrie, die die die Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Souveränität ganzer Wirtschaftszweige in Europa entscheidend mitbestimme.

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Den Bedarf für den einen oder anderen „Schubs in die richtige Richtung“ in der Kommission sehen Kretschmer wie auch Innovationsbeirats-Vorsitzender Prof. Wolfgang A. Herrmann dennoch. „Das Ganze darf nicht so kompliziert werden, dass keiner mehr Lust hat, da mitzumachen“, warnte Herrmann. Auch Kretschmer will da auch nichts anbrennen lassen und hat schon mal angekündigt, das sächsische Kabinett am 10. Mai in Brüssel tagen zu lassen. Vermutlich muss sich die EU-Kommission an diesem Tag auf ein paar quengelnde Sachsen einstellen…

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Innovationsbeirat Sachsen, PK Kretschmer, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt