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Arioso plant Massenproduktion von Mikro-Lautsprechern

Mems-Lautsprecher von Arioso im Größenvergleich zu einer Cent-Münze. Foto: Arioso

Mems-Lautsprecher von Arioso im Größenvergleich zu einer Cent-Münze. Foto: Arioso

Mikroelektromechanische Systeme für besonders kleine und sparsame Ohrhörer entwickelt

Dresden/Cottbus, 1. November 2021. Die Dresdner Fraunhofer-Ausgründung „Arioso“ bemüht sich derzeit um die Akquise von rund zehn Millionen Euro Risikokapital, um die Massenproduktion seiner neuartigen Mikrolautsprecher für Ohrhörer anzukurbeln. Das hat Arioso-Finanzchef Jan Blochwitz-Nimoth während des Investoren-Gründer-Treffens „Hightech Venture Days“ in Dresden mitgeteilt.

Jan Blochwitz-Nimoth. Foto: Heiko Weckbrodt

Jan Blochwitz-Nimoth. Foto: Heiko Weckbrodt

Gründer sehen viel Marktpotenzial bei den Großen der Elektronikbranche

Der Physiker sieht ein großes Marktpotenzial in den hochwertigen, und dennoch sparsamen und besonders kleinen mikroelektromechanischen Systemen („Mems“) des Unternehmens: „Unsere potenziellen Kunden sind alle, die drahtlose Kopfhörer brauchen und herstellen“, sagt er. Das könnten große Smartphone-Unternehmen à la Apple und Samsung sein, aber auch Kopfhörer-Hersteller wie etwa Sennheiser.

So etwa sehen die Lamellen im Mems-Lautsprecher von Arioso aus. Visualisierung: Arioso

So etwa sehen die Lamellen im Mems-Lautsprecher von Arioso aus. Visualisierung: Arioso

Elektrostatische Tonerzeugung statt klassischer Magnetspulen

Denn Arioso hat laut eigenen Angaben einen besonders zukunftsträchtigen Technologiepfad eingeschlagen, um abgespeicherte elektrische Signale wieder in Töne umzuwandeln: Während die meisten Lautsprecher dafür bis heute immer noch Magnetspulen und Membranen verwenden, wie es vor über 100 Jahren schon üblich war, setzt das junge Unternehmen auf elektrostatische Prinzipien. Bisher sind solche elektrostatischen Lautsprecher nur in besonders hochwertigen, teuren und großen Kopfhörern und Boxen im Einsatz, die zudem mit vergleichsweise hohen Spannungen arbeiten. Den Arioso-Ingenieuren ist es jedoch gelungen, diese Systeme auf Chips mit vergleichsweise niedriger Spannung zu verkleinern. Die Hauptvorteile: Diese Mems verbrauchen weniger Energie und sind deutlich kleiner konstruierbar als herkömmliche elektrodynamische Magnet-Lautsprecher. Auch lassen sie sich vollständig aus Silizium und mit Anlagen fertigen, wie sie ohnehin in den vielen Chipfabriken stehen.

Mems-Lautsprecher von Arioso mit Ohrhörer im Hintergrund. Foto: Arioso

Mems-Lautsprecher von Arioso mit Ohrhörer im Hintergrund. Foto: Arioso

Bei Fraunhofer in Dresden und Cottbus entwickelt

Die Technik dahinter geht ursprünglich auf ein Entwicklungsprojekt am Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS zurück. Die Ingenieure dort haben mit Mikroelektronik-Methoden zirka 20 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünne Lamellen auf Siliziumscheiben (Wafer) geätzt. Zwischen diesen parallelen Lamellen wirken elektrostatische Kräfte, wenn Strom anliegt: Sie ziehen sich dann gegenseitig an oder stoßen einander ab. Je nach den Frequenzen der angelegten elektrischen Signale schwingen die Lamellen dann und erzeugen Töne.

Mikrolautsprecher auf Siliziumbasis von Arioso Dresden. Foto: Fraunhofer-IPMS

Mikrolautsprecher auf Siliziumbasis von Arioso Dresden. Foto: Fraunhofer-IPMS

2024 soll Massenproduktion starten

Entwickelt wurde dieses „Nanoscopic Electrostatic Drive“-Prinzip (NED) von Forschern am IPMS in Dresden und in Cottbus. 2019 gründete ein Teil des Teams das Unternehmen Arioso, das ebenfalls an beiden Standorten zu Hause ist. In einer ersten Finanzierungsrunde sammelten die Gründer im Frühjahr 2020 rund 2,6 Millionen Euro ein, um ihre Technologie zur Praxisreife zu führen. Nun wollen sie ihre Lautsprecher-Mems bei einem Auftragsfertiger (Foundry) auch massenhaft herstellen, um sie dann – mitsamt geeigneter Treiber-Asic-Chips für die Ansteuerung – an Lautsprecher- und Smartphone-Hersteller zu verkaufen. Frühestens 2024 könne diese Massenproduktion starten, schätzt Blochwitz-Nimoth.

Erfahrene Gründer und Branchenexperten an Bord

Mittlerweile hat das Unternehmen 15 Mitarbeiter. Ein Teil davon arbeitet im Nanocenter und in den IPMS-Reinräumen an der Maria-Reiche-Straße im Dresdner Norden. Ein anderes Team kümmert sich in Cottbus um die Analytik und Endkontrolle der Mems. Zu den Geschäftsführern gehören Branchenexperten mit einiger Gründungserfahrung: Jan Blochwitz-Nimoth beispielsweise stammt aus dem Dunstkreis des Dresdner Organikelektronik-Papstes Prof. Karl Leo vom Photophysikinstitut der TU Dresden. Er war vor der Arioso-Gründung unter anderem Technikchef der Oled-Firma Novaled Dresden, die inzwischen von Samsung aufgekauft wurde. Arioso-Chef Hermann Schenk wiederum gründete unter anderem die Covion Organic Semiconductors GmbH, war bei Merck und der Freiberger Compound Materials GmbH (FCM) tätig.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview Blochwitz-Nimoth, Arioso, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt