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Ankerplätze für digitale Nomaden

Blick in einen der Aufenthalts-Räumeder neuen Zentralbibliothek im Kulturpalast Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in einen der Aufenthalts-Räume der Zentralbibliothek im Kulturpalast Dresden. Konzipiert ist sie als Bibliothek neuen Tys, in der man nicht nur Bücher leiht, sondern lernt, sich trifft oder abhängt. Dieses Konzept wird nun nach und nach auch auf die dezentralen Stadtteilbibliotheken ausgedehnt. Foto: Heiko Weckbrodt

Schmökern, surfen und hightechbasteln bis in die Nacht: Die Stadtteil-Bibliotheken in Dresden transformieren sich.

Dresden, 29. Juni 2020. Eine „Bibliothek der Wissenschaft“, die die Exzellenz-Uni Dresden flankiert, ein neues Kinderliteraturfestival, der Umzug der Bibliothek Strehlen in ein anderes Viertel und „Machertage“ in allen Stadtteilbibliotheken – das sind einige der Projekte, die Direktor Arend Flemming und seine Mitstreiter in den nächsten Fünfjahrplan der städtischen Bibliotheken geschrieben haben. Er sei sich der angespannten Haushaltslage in der Stadt bewusst, betonte Flemming, als er den Bibliotheksentwicklungsplan 2020-25“ jüngst im Stadtbezirks-Beirat Loschwitz vorstellte. „Die Politiker müssen sich eben entscheiden: Dafür wollen wir Geld ausgeben oder das wollen wir nicht.“

Arend Flemming, Foto: Heiko Weckbrodt

Arend Flemming, Foto: Heiko Weckbrodt

Förderer für ein „tieferes Lesen“

Auf dem Weg zur Bibliothek neuen Typs, die in der Digitalära Bestand hat, liegen dem Direktor drei Kernaufgaben am Herzen: Die Leihbüchereien sollen erstens eine Brücke zwischen analoger und digitaler Welt schlagen. Zweitens sollen sie Leseförderer für Kinder sein, die mit Smartphone, iPad und Internetströmen aufwachsen. Studien zum sogenannten „Deep Reading“ hätten gezeigt, dass „Eingeborene der digitalen Welt“ zwar Internetinhalte sehr schnell aufnehmen, ihnen oft aber das tiefere Textverständnis fehle, sagte Flemming. Insofern müssen moderne Bibliotheken mehr sein als Buchbewahrer, sondern auch Kompetenzvermittler.

Neue Konzepte diffundieren nun ins dezentrale Stadtnetz

Drittens sollen sie zu dem werden, was Theoretiker einen „dritten Ort“ für den Menschen des 21. Jahrhunderts neben dem „Zuhause“ und der Arbeit beziehungsweise Schule nennen: „Die moderne Bibliothek ist ein kommerzfreier Bildungsort, an dem man sich gern aufhält“, beschreibt Flemming seine Vision. Diesen Weg hat Dresden bereits vor Jahren zunächst mit der Jugendbibliothek „Medien@age“ als Pilotprojekt eingeschlagen, dann im großen Format mit der Zentralbibliothek im Kulturpalast.

Jenseits der Kern-Öffnungszeit dürfen sich Anwohner die Bibliotheken für eigenen Zwecke aneignen

Nun diffundiert dieses Konzept in die Stadtteile. Beispielhaft dafür steht das „Bibo 7/10“-Öffnungsmodell, das die Süd-Bibo erfolgreich getestet hat: Sie hat 7 Tage in der Woche für jeweils 10 Stunden geöffnet. Jenseits der Kernöffnungszeit können sich Anwohner die Leihbücherei als „ihren 3. Ort“ aneignen: für Feiern, Chorproben, Spiele oder als Cliquentreff vom späten Nachmittag bis jeweils 22 Uhr. Wenn nach der Corona-Haushaltssperre wieder Geld fließen sollte, will Flemming zwei Bibliotheken pro Jahr auf dieses Modell umstellen.

Datenprofis beim "Open Data"-Hackthon 2019 im Slub-Makerspace in Dresden. Foto. Tobias Sauer für die Landeshaupstadt Dresden

Die Uni-Bibliothek hat schon einen Maker-Space, die städtische Zentralbibliothek soll ähnliche Mitmach-Räume bekommen. Foto: Tobias Sauer für die Landeshaupstadt Dresden

Makerdays geplant

Zudem wird es in jeder Filiale künftig einmal im Jahr gemeinsam mit der Volkshochschule „Makerdays“ geben, also gemeinsame Mitmach-Tage für Hightech-Bastler, 3D-Druck-Fans, Origami-Falter, Schreibwütige und andere Kreative aus dem Viertel. In der Zentralbibliothek will Flemming für 26 000 Euro dafür spezielle „Mitmach-Bar“-Räume einrichten.

Digitale Lesezirkel für Zeitschriften

Außerdem sollen neue digitale Lesezirkel dafür sorgen, dass mehr Menschen länger in den Stadtteilbibliotheken verweilen: Wenn der Stadrat das Geld dafür herausrückt, können die Stadtteile künftig das Lizenzmodell „Sharemagazins“ nutzen. Das heißt: Besucher setzen sich in die Leihbüchereien, verbinden sich mit dem örtlichen WLAN und lesen dann auf dem eigenen Smartphone oder auf Leih-Tablets unbegrenzt und ohne Anmeldung internationale, nationale und regionale Zeitungen und Magazine bis zum Abwinken. Durften bisher aus Lizenzgründen immer nur wenige Nutzer gleichzeitig eine Zeitschriftenausgabe lesen, fällt dieses Limit beim neuen Modell weg. Für das gesamte Stadtnetz rechnet der Direktor mit jährlichen Kosten um die 26 000 Euro.

Schaufenster für die Forscher der Exzellenz-Uni

Auch ein neues Veranstaltungsformat ist vorgesehen: Die Bibliothekare wollen fortan Vertreter der Exzellenz-Uni und außeruniversitärer Institute in Dresden zu einer Diskussionsreihe „Bibliothek als Schaufenster der Wissenschaft“ einladen. Die Wissenschaftler sollen Bibliotheksbesuchern regelmäßig ihre neuesten Erkenntnisse allgemein verständlich vorstellen. Gedacht ist dies als Format, so heißt es im Konzept, „das die Forschungsergebnisse unserer Exzellenzuniversität für die Stadtgesellschaft in Präsentations-und Diskussionsforen übersetzt“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: BEP 2025, Stadtbezirksbeirat Loschwitz, Flemming, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Technische Sammlungen wollen ein Schaufenster der Forschung einrichten

Die Bibliothek als „3. Ort“

TU baut Kurs als Exzellenz-Uni aus

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt