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Schlauer Schwarm beerbt Da Vinci

Bei den Schwarmerfindern geht es eher locker zu. Hier ein Team auf Zeit, das beim 3. Thingkathon des "Smart System Hub" Dresden neue digitale Konzepte für die Fernwartung von Pumpen in Wasserwerken und für andere kritische Infrastrukturen entwickelt. Foto: Smart Systems Hub Dresden

Bei den Schwarmerfindern geht es eher locker zu. Hier ein Team auf Zeit, das beim 3. Thingkathon des „Smart System Hub“ Dresden neue digitale Konzepte für die Fernwartung von Pumpen in Wasserwerken und für andere kritische Infrastrukturen entwickelt. Rechts im Foto: Hub-Beirat Christoph Kögler von T-Systems, der den Entwicklern schon mal ein paar Vorschläge unterbreitet. Foto: Smart Systems Hub Dresden

Dresden profiliert sich als Standort für eine neue Evolutionsstufe des Erfindertums

Dresden, 23. März 2020. Wenn wir von Erfindern sprechen, denken wir meist an große Denker wie Da Vinci, Galileo oder Newton, die wirklich noch im stillen Kämmerlein hölzerne Helikopter zeichneten, die Erde an die richtige Stelle im Universum rückten und fundamentale Physikgesetze entwarfen. Da aber leider die Universalgenies ausgestorben sind, entstehen Innovationen heute meist als Kollektivleistung eingespielter Teams.

Inzwischen jedoch zeichnet sich schon die nächste Evolutionsstufe des Erfindertums ab: In Erfinderschwärmen vernetzen sich jeweils für kurze Zeit Programmierer, Hacker, Funktechniker, Lötkolben-Nerds und andere helle Köpfe, die sich im „normalen Leben“ womöglich nie begegnen würden. Sie entwickeln binnen Wochen oder auch nur Stunden technologische Innovationen oder raffinierte Geschäftskonzepte, auf die eingefahrene Entwicklungsabteilungen großer Konzerne vielleicht nie kommen würden – und gehen dann wieder auseinander, weiter zum nächsten Projekt. Dies geschieht teilweise übers Internet, teils aber auch in temporär eingerichteten Laboren.

SAP, T-Systems & Co. setzen auf neue Entwicklungskonzepte aus Sachsen

Unter dem Motto „#wirvsvirus“ hatte dieser Tage erst das Bundeskanzleramt ähnliche Entwicklerschwärme eingesetzt, um neue Ideen für den Kampf gegen die Corona-Seuche zu sammeln. Als einer der Vorreiter solcher für Deutschland noch jungen Konzepte gilt der Dresdner Hochtechnologie-Verbund „Smart Systems Hub“ mit seinen „Thingkathons“. Große Unternehmen wie SAP, Infineon, T-Systems und IBM, aber auch viele Mittelständler schwören mittlerweile auf die kreativen Resultate solcher Denk- und Entwicklungs-Marathons.

Digitaler Schutz für kritische Infrastrukturen

Erst kürzlich unterstützte das nordrhein-westfälische Automatisierungs-Unternehmen „Phoenix Contact“ solch einen Thingkathon in Dresden, um Wasserpumpen und andere „kritische Infrastrukturen“ besser zu vernetzen, zu warten und effizienter zu steuern. Dabei sollten die temporären Teams digitale Technologien aus dem „Internet der Dinge“ (Internet of Things = IoT) und hochsichere Rechnerwolken („Clouds“) verwenden.

Einsatzbeispiel Wasserpumpen

Die Fokussierung auf Wasserpumpen komme nicht von ungefähr, heißt es von den Veranstaltern: „Allein in Sachsen sind sie täglich in über 100 Wasserwerken im Einsatz, bilden das Rückgrat der kommunalen Wasserversorgung und sichern den Lebensalltag von Millionen Bürgern. Ausfälle dieser kritischen Infrastrukturen bergen erhebliche wirtschaftliche wie gesellschaftliche Risiken.“ Tatsächlich fanden die rund 40 Teilnehmer in vier beteiligten Entwicklungs-Kollektiven auf Zeit binnen drei Tagen kreative Lösungen. „Wir werden nun prüfen, inwiefern wir die Projekte zur Marktreife bringen können“, kündigte Michael Kaiser an, der Geschäftsführer des „Smart Systems Hub“.

Daten in der Cloud geschützt

Das Siegerteam „J2AC beispielsweise entwickelte eine Fernwartungstechnik, die die Daten all dieser verteilten Wasserpumpen auf einem Rechner visualisiert, in Clouds speichert und gleichzeitig besonders gut gegen Angriffe von außen absichert. Dafür gab es 1000 Euro Preisgeld. „Die Lösung hat nicht nur einen großen Nutzen für den Maschinenwart, sondern auch für Kommunen und externe Dienstleister“, zeigte sich Manager Christoph Westerwelle von „Phoenix Contact“ beeindruckt.

Einzigartige Expertise-Konzentration für das Internet der Dinge

„Ganz bewusst“ habe sich das Unternehmen für den „Smart Systems Hub“ und für Dresden entschieden, um seine Automatisierungs-Plattform weiterzuentwickeln, betonte Westerwelle: „An keinem anderen Standort in Deutschland findet man eine vergleichbare Konzentration von Expertise im IoT-Bereich – vom Startup über den lokalen Mittelstand bis hin zu namhaften Forschungseinrichtungen.“

Auch Entwicklungsmanager Dirk Brauckhoff von US-Technologiekonzern IBM zeigte sich angetan von den Ansätzen in Sachsen: „Wir sind wirklich beeindruckt von der regionalen Expertise für die Themen Mikroelektronik, 5G Mobilfunk und Softwareentwicklung mit einem klaren Fokus auf industrielle IoT-Anwendungen.“

Nächster Denkmarathon über 5G-Roboter voraussichtlich im Sommer 2020

Derweil bereitet Michael Kaiser schon den nächsten Thingkathon vor: Falls das Corona-Virus nicht zulange tobt, wollen sich die nächsten Schwarmerfinder im Sommer nämlich Robotern widmen, die sich per Mobilfunk der 5. Generation (5G) vernetzen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Smart Systems Hub, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt