Die Ernestiner (Teil 3): Sonderausstellung in Thüringen zeigt Genese eines Musterstaats
Gotha/Weimar, 25. August 2016. Wann kam das sächsische Coburg zum Freistaat Bayern? Weshalb hieß das englische Königshaus bis zum Jahre 1917 Sachsen-Coburg und Gotha? Wieso stieg Sachsen-Weimar nach den verloren gegangenen napoleonischen Kriegen zum Großherzogtum auf? Diese und weitere Fragen wurden in der Schule nie gestellt, und kaum einer hätte eine Antwort darauf parat gehabt.
Wer ins Rathaus hineingeht, der kommt klüger wieder heraus, heißt ein altes Sprichwort. Das gilt auch für den Gang ins Museum. Uns gibt die Landesausstellung Thüringen Gotha/Weimar bis zum 28. August ebenso schlüssige wie überraschende Antworten auf alle Ernestiner-Fragen.
Wettiner vergrößerten Herrschaftsraum ab dem 13. Jahrhundert erheblich
Hier noch einmal zur Erinnerung: Nach der Vereinigung der Markgrafschaft Meißen mit der Landgrafschaft Thüringen 1247 gelang es den Wettinern, die Grenzen ihres Territoriums erheblich zu erweitern. Nach der Erlangung der Kurwürde 1423 nahm das Haus Wettin eine entscheidende Rolle im Reich ein. Mit der „Goldenen Bulle“ Kaiser Karl IV. von 1356 stieg der Kurfürst in den Kreis der ranghöchsten deutschen Reichsfürsten auf. Damit verbunden war, dass er sich fortan „Herzog von Sachsen“ nannte. Der Name Sachsen wurde auf das gesamte Territorium der Wettiner übertragen. Soweit zur Erinnerung an bereits Bekanntes.
Zum Weiterlesen:
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Wie gewonnen so zerronnen
Doch die Zeiten großen Glanzes waren nicht von Dauer. Ein entscheidender Grund hierfür waren die Landesteilungen, eine vom Haus lange Zeit geübte Praxis. Das entsprach dem Wunsch, keinem Sohn im Erbfall zu benachteiligen. Einschließlich der Zwergstaaten kam es bis zur Abdankung 1918 zu insgesamt 28 Territorialstaaten, die oft nur kurzzeitig existierten. Ausführlich, weil in ihrer Nachhaltigkeit gravierend, wird in der Landesausstellung Thüringen auf die Leipziger Teilung des Landes vom 26. August 1485 eingegangen. Mit der Teilung wollte das Haus Wettin häuslichen Zwist vermeiden. Das misslang gründlich – im Gegenteil!
Moritz galt als „Judas“ in der Familie
Sichtbares Zeugnis dafür ist das ausgestellte Kur-Schwert des Herzog Moritz von Sachsen. Obwohl selbst Protestant, schlug er sich aus nüchternem Machtkalkül heraus im Schmalkaldischen Krieg auf des katholischen Kaisers Seite. Er schlug seine ernestinischen Verwandten vernichtend und wurde dafür vom Kaiser reichlich belohnt. Er war für die Ernestiner fortan der „Judas von Meißen“. Sie verziehen ihm dies nie.
Der fromme Ernst schuf einen Musterstaat
Ausführlich würdigt die Landesausstellung die Schaffung eines Musterstaates, der auf der lutherischen Lehre gründete, durch Ernst der Fromme. Dies geschah 100 Jahre nach der Katastrophe von Mühlberg. Damit erfolgte der Neustart der ernestinischen Mission in Gotha. Sichtbare Zeugnisse konsolidierter Verhältnisse sind die anspruchsvollen Schlossanlagen, die von den Brüdern Wilhelm IV. in Weimar und Ernst der Fromme in Gotha errichtet wurden.
Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 orientierten sich die Ernestiner neu. Gegenüber Napoleon nahmen sie unterschiedliche Haltungen ein. Der Weimarer Fürst Carl August sicherte sich bereits 1804 durch eine geschickt eingefädelte Heirat seines Sohnes mit der Zarentochter Maria Pawlowna einen mächtigen Fürsten. Das zahlte sich auf dem Wiener Kongress 1815 aus: Zar Alexander sorgte dafür, dass Sachsen-Weimar-Eisenach nicht zerschlagen wurde, sondern sogar zum Großherzogtum aufstieg.
Mit der landesständigen Verfassung vom 5. Mai 1816 gab Großherzog Carl August seinem Land die erste liberale Verfassung auf deutschem Boden.
Erb- und Heiratspolitik
Traditionell hielten auch die Ernestiner das Entstehen neuer Linien bzw. deren Erlöschen auf Stammbäumen fest. Zeitweilig erschienen darauf zehn Herzogtümer, unter denen teils heftige Spannungen bestanden. Andererseits wurde durch Ehebündnisse zwischen den Häusern versucht, den familiären Zusammenhalt zu stärken und sich für den Erbfall in eine günstige Position zu bringen.
Primogenitur zu spät eingeführt
Mit der Einführung der Primogenitur (primäres Erbrecht des Erstgeborenen) steuerten die Ernestiner der Zersplitterung entgegen. Nun konnte der älteste Sohn das jeweilige Herzogtum erben. Die letzte Erbteilung erfolgte 1826. Bis 1918 existierten noch vier ernestinische Gebiete in Mitteldeutschland. In der Weimarer Republik bildete sich daraus 1920 das Land Thüringen heraus. Der Coburger Landesteil schloss sich dem Freistaat Bayern an. Die Liegenschaften, die Regierungsbauten in den bisherigen Residenzstädten und die Schlösser gelangten im Rahmen der Fürstenabfindungen, bis auf Ausnahmen, in das Eigentum des Landes Thüringen. Ebenso geschah dies mit den umfangreichen mobilen Kulturgütern. Das bedeutende ernestinische Gesamtarchiv befindet sich in Weimar.
Besucherinformationen:
Was?
Landesausstellung „Die Ernestiner – Eine Dynastie prägt Europa“
Wann?
bis 28. August
Wo?
Neues Museum Weimar
Weimarplatz 5 | 99423 Weimar
Eintritt: Erw. 5,50 € | erm. 3,50 € | Schüler* (16-20 J.) 1,50 €
Stadtschloss Weimar
Burgplatz 4 | 99423 Weimar
Eintritt: Erw. 7,50 € | erm. 6 € | Schüler* (16-20 J.) 2,50 €
(incl. Rundgang durch die hstorischen Räume des Stadtschlosses)
Schloss Friedenstein Gotha
Parkallee 15 | 99867 Gotha
Eintritt: Erw. 10 € | erm.* 4 €
Herzogliches Museum Gotha
Parkallee 15 | 99867 Gotha
Eintritt: Erw. 5 € | erm.* 2,50 €
Kombiticket für alle Ausstellungsorte in Weimar und Gotha
Erw. 16 € | erm. 12 € | Schüler* (16-20 J.) 5 €
-> Weitere Infos gibt es hier im Internet
Autor: Peter Weckbrodt
Zum Weiterlesen:
Teil 1: Die Ernestiner und der Kurhut
Teil 2: Die Ernestiner und ihre Machtpolitik in Mitteleuropa
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