Zwickauer Elektrotechniker zeigen auf CeBit Schutzhelm mit Datenbrille
Zwickau/Hannover, 9. März 2016. Man kennt das sonst nur aus Sci-Fi-Filmen à la „Robocop“ oder Militär-Propagandastreifen: Nähert sich von hinten ein Bösewicht, alarmiert ein Datenbildschirm im Helm den Polizisten oder Soldaten rechtzeitig vor der Gefahr. Inzwischen ist diese Technologie aber im zivilen Leben angelangt: Ingenieure aus Zwickau und Salzgitter haben nun einen Schutzhelm mit integrierter Datenbrille entwickelt, den sie zur Computermesse „Cebit“ (14. bis 18. März 2016) in Hannover live vorführen wollen. Der Cyberhelm warnt nämlich Stahlwerker vor Gefahren und hilft ihnen per Erweiterter Realität („Augmented Reality“ = AR), kaputte Fabrikmaschinen zu reparieren.
Zyklopenauge per Schwanenhals
Für das Projekt haben Elektrotechniker der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) und der Salzgitter-AG-Tochter „Gesis“ zusammengearbeitet. Sie bauten in einen Schutzhelm Akku, Bluetooth-Funkmodul und einen per Schwanenhals schwenkbaren halbtransparenten Mini-Bildschirm ein. Eine spezielle Projektionselektronik spiegelt auf das kleine Display, das der Helmträger vor dem rechten Auge platziert, Zusatzinformationen und computergenerierte Bilder ein. Die Daten sendet und empfängt die Brille per Bluetooth-Funk – die Gegenstelle kann ein Smartphone oder ein Fabrikrechner sein. Dies können einerseits Schritt-für-Schritt-Anweisungen vom Spezialisten aus der Zentrale für Arbeiter sein, die zum Beispiel eine defekte Anlage wieder in Gang bringen wollen.
Im klassischen Schutzanzug sieht und merkt der Stahlwerker wenig
Wichtiger aber: Der Cyberhelm kann Arbeiter auch direkt vor Gefahrenstellen warnen, die der Stahlwerker nicht sieht. „Die persönliche Schutzausrüstung eines Stahlarbeiters besteht oft aus einer Hitzeschutzkleidung mit Handschuhen, Schutzhelm, Schutzbrille und Gehörschutz“, erklärten die Projektpartner das Problem. „Diese Ausrüstung schützt zwar den Arbeiter, die klassische Gefahrenwarnung ist mit dieser Ausrüstung allerdings nur schlecht möglich. Klassische Warnsignale können durch den Gehörschutz bzw. durch die laute Umgebung nicht immer wahrgenommen werden. Zusätzlich schränken der Schutzhelm und die Schutzbrille die äußere Sicht auf die Gefahren selbst oder auf Gefahrenhinweise ein.“ In Zukunft könnten die Stahlwerker daher die neuentwickelten Cyberhelme tragen, damit sie keine Warnung mehr übersehen.
Zwickauer Datenbrille leichter als Oculus- und Google-Konkurrenz
Das Salzgitter-Projekt ist nicht der erste Praxiseinsatz für die Datenbrille, die Professor Rigo Herold und sein Mitarbeiter am WHZ-Lehrstuhl für Digitale Systeme entwickelt haben. Denn sie sind billiger und leichter als zum Beispiel die (technologisch aufwendigeren) Cyberbrillen von Oculus Rift, Google oder Fraunhofer. Dadurch haben sich auch recht rasch Anwender in der freien Wirtschaft gefunden. Beispielsweise setzen Monteure beim Druckmaschinen-Hersteller KBA Planeta die Zwickauer Datenbrille ein. Die Berliner App-Firma „Greta & Starks“ nutzt die Brillen, um Untertitel für Schwerhörige und Taube in Kinos einzublenden. Angesichts des Potenzials dieser AR-Technik hat die WHZ auch einen neuen Masterstudiengang „Elektrische und Elektronische Systeme“ eingerichtet, in dem sich Studenten auf die Anwendung von Datenbrillen spezialisieren können. hw
Zum Weiterlesen:
Dresden präsentiert sich auf CeBit als aufstrebender Software-Standort
Datenbrille aus Sachsen untertitelt Kinofilme für Taube
CeBit-Preis für OLED-Datenbrille aus Dresden
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!