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Der künstliche Muskelmann naht

Roboter sollen Muskeln bekommen. Montage: Alex Eylert, Foto: M. Werner, Wikipedia

Roboter sollen Muskeln bekommen. Montage: Alex Eylert, Foto: M. Werner, Wikipedia

Dresdner Forscher konstruieren künstliche Muskeln für neue Roboter und Prothesen

Ein Dresdner Team aus Fraunhofer- und TU-Forschern hat künstliche Muskeln konstruiert. Sie sollen in der Mikromedizin, beim Bau künstlicher Gliedmaßen und neuer Roboter zum Einsatz kommen. Die Wissenschaftler bezeichnen die Technologie selbst als „bahnbrechend“.

Dr. Oliver Jost. Abb.: IWS

Dr. Oliver Jost. Abb.: IWS

„Bis zum praktischen Einsatz ist es nicht mehr lange hin“, betonte Dr. Oliver Jost vom Projektteam am Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS). „Wir haben bereits zwei Industriepartner.“ Der erste praktische Einsatz werde wohl die Vibrationsdämpfung in Automobilen sein.

„Industrie wird sich darum reißen“

Perspektivisch sieht Jost eine große Zukunft für die Dresdner Kunstmuskeln in der Robotik: „Die Industrie wird sich darum reißen“, ist er überzeugt. Mit den Kunstmuskeln seien flexiblere, energiegenügsamere und reaktionsschnellere Roboter möglich: „Im Vergleich zu hydraulischen Lösungen sprechen unsere Muskeln schneller an. Außerdem brauchen sie nur eine Stromzufuhr und keine aufwendigen Schläuche und Pumpen.“

Auch der umgekehrte Gang in die Mikrowelt sei denkbar: Wenn man die Kunstmuskeln weiter miniaturisiere und auf niedrigere Spannungen trimme, könnten beispielsweise daraus konstruierte winzige Blut- und Medizinpumpen vielen Patienten helfen.

An künstlichen Muskeln arbeiten Forscher weltweit bereits seit Jahren. Der grundsätzliche Lösungsweg ist klar: Zwischen zwei Elektroden wird ein Gummi geschichtet, der sich verbiegt, wenn Strom anliegt. Allerdings sind bisher die Elektrodenschichten auf den Gummibahnen immer wieder gerissen, wenn sich solch ein Kunstmuskel öfter bewegte.

Nanotechnik-getunter Gummi

Unterm Mikroskop werden die leitfähigen und flexiblen Kohlenstofffasern sichtbar. Abb.: Candela

Unterm Mikroskop werden die leitfähigen und flexiblen Kohlenstofffasern sichtbar. Abb.: Candela

Im Projekt „Candela“, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, gingen die Wissenschaftler von IWS, TU Dresden und Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) daher einen anderen Weg: Sie mischten auf die Oberflächen des isolierenden Gummis Kohlenstoff-Nanofasern (Carbon-Nanofibrillen=, die die Außenhaut elektrisch leitfähig machten.

„Ein mit diesem leitfähigen Material beschichteter isolierender Gummikörper versagte in Dehnversuchen auch nach Millionen von Zyklen nicht“, betonte das Candela-Team.

Kunstmuskeln am Fließband herstellbar

Es sei auch gelungen, Wege für die massenhafte Fertigung zu finden, beispielsweise indem man die Gummibahnen von einer Rolle zu anderen ablaufen lasse und dabei mit Dünnschichtverfahren die nur drei Hundertstel Millimeter feinen Leitschichten aufbringe.

Zu Demonstrationszwecken habe man solch einen Kunstmuskel mit einem knappen halben Quadratmeter Größe aus elf aktiven Schichten erzeugt, der sich dehnen und Kräfte bis 100 Newton (entspricht dem Druck eines Zehntel Kilogrammgewichts) ausüben könne und auch nach 140.000 Betriebszyklen noch voll einsatzbereit sei. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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