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Immer mehr Unternehmen setzen auf freie Mitarbeiter

In der deutschen Hightech-Branche gehts vorerst aufwärts. Abb.: Bitkom

Abb.: Bitkom

Berlin/Dresden, 3. August 2013: Seien es nun Informationstechnologie (IT), Journalismus oder Architekturbüros: Immer mehr Unternehmen setzen auf freie Mitarbeiter, um Aufträge abzuarbeiten oder den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. So gab in einer Aris-Umfrage unter 854 Personalchefs in der deutschen Wirtschaft fast jede dritte Firma an, künftig verstärkt Freiberufler einzusetzen – nur 18 Prozent rechneten mit einer sinkenden Bedeutung dieser Beschäftigungsform. Das teile der Hightech-Verband „Bitkom“ mit, der die Umfrage in Auftrag gegeben hatte.

Anteil der Freiberufler nimmt in IT-Branche überproportional zu

In der IT-Branche zum Beispiel nahm die Zahl der Freiberufler in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel auf 80.000 zu, während gleichzeitig die Gesamtbeschäftigung hier nur um 20 Prozent auf reichlich 900.000 wuchs.

Kehrseite Ausbeutungsrisiko

Die soziale Lage der freien Mitarbeiter schwankt dabei sehr stark: Im Journalismus zum Beispiel arbeitet ein Großteil der „Freien“ für sehr niedrige Honorare, die deutlich niedriger als die Gehälter festangestellter Redakteure ausfallen. In der Architektur ist das anscheinend schon etwas anders. „Ich kann natürlich nicht für alle Büros sprechen, aber bei uns kommen feste und freie Architekten etwa auf das gleiche Einkommen“, sagte beispielsweise Rudolf Klinkenbusch von der Architektenkammer Sachsen, der selbst ein zwölfköpfiges Architekturbüro in Dresden leitet „Viele junge Architekten wollen erst mal gar keine Festanstellung, da sie in verschiedenen Büros arbeiten wollen, um Erfahrungen für später sammeln wollen, um dann ein eigene Büro aufzumachen“, betonte Klinkenbusch.

Für die Architekturbüros wiederum schwanke die Auftragslage und das Arbeitspensum derart stark, dass sich der Einsatz eines gewissen Anteils freier Kollegen eher lohne, als nur Festangestellte zu beschäftigen.

Auch viele Spezialisten sind „Freelancer“

In der IT-Branche und da vor allem in den Software-Schmieden spielt außerdem Spezialwissen eine große Rolle: Viele Programmierer sind auf bestimmte Techniken hochspezialisiert, die zwar in der Summe von zahlreichen Unternehmen benötigt werden, in der einzelnen Firma aber eben nur gelegentlich. Da kann das Modell „Freelancer“ (Freiberufler) durchaus sinnvoll sein. Und das besondere Know-How solcher Spezialisten sorgt dafür, dass es zu keiner Honorar-Abwärtsspirale kommt.

Im Oiger-Gespräch erklärte beispielsweise eine junge Mutter, die für ein internationales Software-Unternehmen Handbücher übersetzt, für sie sei es durchaus von Vorteil, im wörtlichen Sinne „frei“ zu arbeiten: Sie hat sich in Dresden ein Büro angemietet, in dem sie sich bei Bedarf auch tagsüber um ihren Sohn kümmern kann – wann sie übersetzt, kann sie sich zeitlich selbst einteilen. Andererseits sind ihre Sprachkenntnisse und ihr Spezialwissen so selten, dass ihr Auftraggeber auf sie kaum verzichten könnte.

Schein-Selbstständigkeit befürchtet

Allerdings ist der Einsatz freier Mitarbeiter wirtschaftspolitisch und gesamtgesellschaftlich eine Gratwanderung: Nicht nur Arbeitnehmervertreter, sondern auch der Staat befürchtet, dass durch den Einsatz „Freier“ reguläre Arbeitsverhältnisse – und damit zum Beispiel auch das Beitragssystem der Renten- und anderen Sozialkassen – schleichend ausgehöhlt wird. Durch die Gesetze gegen Scheinselbstständigkeit und die Aufnahme-Kriterien der Künstlersozialkasse – die Freie in Kreativberufen krankenversichert – soll dies unterbunden werden.

Verband: Fehlendes Eigenkapital ist kaum ein Kriterium

Hier müsse allerdings mehr Transparenz und eine Modernisierung der Kriterien her, fordert der Bitkom in einem Positionspapier: Wenn zum Beispiel fehlendes eigenes Kapital oder Produktionsmittel immer noch als Indiz für verbotene Scheinselbstständigkeit gewertet werde, gehe das an der modernen Arbeitswelt vorbei: „Für IT-Freiberufler ist es heute üblich, ihr Know how zu verkaufen, ohne dass erhebliche Betriebsmittel benötigt werden“, betonte der Verband. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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