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Sachsen: IWH-Ökonom liegt mit seine Subventions-Kritik „völlig daneben“

Die Visualisierung zeigt den Eingangsbereich der geplanten Intel-Doppelfabrik in Magdeburg. Grafik: Intel

Die Visualisierung zeigt den Eingangsbereich der geplanten Intel-Doppelfabrik in Magdeburg. Grafik: Intel

Wirtschaftsminister verweist auf Umfeld-Jobs, Steuer-Rückflüsse und strategische Bedeutung von Chipfabrik-Ansiedlungen

Dresden, 2. April 2023. In die jüngst vom Hallenser Ökonomen Reint Gropp wiederentfachte Debatte um milliardenschwere Subventionen für Mikroelektronik-Ansiedlungen hat sich Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) eingeschaltet: Die geförderte Ansiedlung von Chipfabriken sei nicht allein auf die in der jeweiligen Fabrik geschaffenen Arbeitsplätze zu bewerten, sondern habe eine strategische Bedeutung für zahlreiche Industriezweige in Deutschland und ganz Europa. „Das IWH liegt mit seiner Argumentation völlig daneben“, schätzte Dulig auf Oiger-Anfrage ein.

IWH-Präsident: 1 Million € pro Arbeitsplatz sind einfach zu viel

Der Präsident des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Prof. Reint Gropp, hatte kürzlich kritisiert, dass Subventionen um die eine Million Euro pro geschaffenen Arbeitsplatz – beispielsweise für die neuen Fabriken von Intel in Magdeburg oder Infineon in Dresden – völlig unverhältnismäßig seien und eine Verschwendung von Steuergeldern. Dafür hatte er zwar zugleich viel Gegenwind aus Sachsen-Anhalt und Sachsen geerntet, aber auch eine längst überfällige wirtschaftspolitische Debatte angestoßen.

So warnte jüngst erst auch Ifo-Chef Clemens Fuest vor einem schuldenfinanzierten und selbstzerstörerischen Subventionswettlauf mit den USA um die Ansiedlung beispielsweise von Akku- oder Solarzell-Fabriken. Bund und EU sollten ihre Fördergelder vor allem auf Innovationen und Infrastrukturen konzentrieren. Beihilfen für Chipfabriken schloss der Professor zwar nicht ausdrücklich aus, betonte aber auch: Unbegrenzt oft könne sich Deutschland derart teure Subventionen wie im Falle von Intel nicht leisten.

Meinungswandel in Berlin und Brüssel – auch wegen Deglobalisierung, Corona und Green Deal

Dass Bund und EU überhaupt wieder Milliarden-Beihilfen in die Mikroelektronik hineinpumpen, hat auch mit der Furcht vor einer Deglobalisierung, starken Abhängigkeiten, ambitionierten Umweltschutz-Zielen („Green Deal“) und den jüngsten Erfahrungen mit unterbrochenen Lieferketten zusammen: Während der Chipkrise 2009 und dann der Solarindustriekrise ab 2012 noch hatte sich die damalige Bundesregierung gegen Rettungsmilliarden für die strauchelnden deutschen Technologie-Unternehmen entschieden und Qimonda, Solarworld & Co. pleite gehen lassen. Inzwischen haben Bund und EU mit Schrecken erkannt, wie sehr Europa in beiden Branchen zurückgefallen ist, wie abhängig der „alte Kontinent“ hier von Taiwan, den USA und teils auch China geworden sind – und welche Schlüsselrolle insbesondere eine stabile Versorgung mit modernen Chips für Elektroautomobilbau, Energiewende, Maschinenbau und viele andere strategische Industrien und Vorhaben hat. Daher legen EU, Bund und Länder nun ein teures Programm nach dem anderen auf (Ipcei. Chips Act etc.), um diese Lücken wieder zu schließen. Und ein besonderes Interesse daran hat eben Sachsen als wohl größter Mikroelektronik-Standorten in Europa.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Minister: Subventionen zahlen sich in Euro und Cent aus

Gerade der Freistaat mit seiner Nachwende-Wirtschaftspolitik, die auf den Erhalt der DDR-Mikroelektronik und die Ansiedlung neuer Chipfabriken zielte, habe vorgemacht, welch einen Aufschwung, welche Mitnahme-Effekte und wieviele Umfeld-Jobs eine florierende Halbleiterindustrie an einem Standort auslösen könne, betonte Dulig. Anderseits haben erst jüngst Corona, Lieferketten-Störungen und die US-Wirtschaftskriege gegen China gezeigt, wie schnell die Fließbänder in Europa still stehen, wenn der Chip-Zufluss aus Fernost und Übersee auch nur für kurze Zeit versiegt. „Die gesamte Industrie braucht diese Chips“, betonte Dulig. Daher seien auch hochsubventionierte Halbleiter-Ansiedlungen für Europa eine Investition in die Zukunft.

Nicht zuletzt zahle sich jeder klug angelegte Beihilfe-Euro auch finanziell aus: „Die Steuerrückflüsse wiegen eher oder später die eingesetzten Subventionen mehr als auf.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Dulig, Oiger-Archiv, IWH

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt