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Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie wiederentdeckt

Ohne nanoelektronik, moderne Sensoren und schnelle Datenverbindungen - zum Beispiel über 5G-Funk oder Licht-WLAN (Li Fi) - werden die hochautomatisierten Fabriken der "Industrie 4.0" nur schwer realisierbar sein. Das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS in Dresden arbeitet in der „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) aich an solchen Lösungen. Abb.: IPMS

Ohne Nanoelektronik, moderne Sensoren und schnelle Datenverbindungen – zum Beispiel über 5G-Funk oder Licht-WLAN (Li Fi) – werden die hochautomatisierten Fabriken der „Industrie 4.0“ nur schwer realisierbar sein. Das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS in Dresden arbeitet in der „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) auch an solchen Lösungen. Abb.: IPMS

Halbleiter-Branche bekommt als KET-Träger nun wieder Milliarden-Subventionen

Dresden/Berlin/Brüssel, 9. August 2017. Die deutsche Regierung unter Angela Merkel (CDU) und die EU-Kommission haben die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie wiederentdeckt – wie einst schon die DDR-Führung. Folge: Inzwischen fließen wieder Subventionsmilliarden in diese Technologie. Allerdings spricht man in Berlin und Brüssel lieber neudeutsch von einer „Key Enabling Technology“ (KET) für die deutsche und europäische Industrie.

Löwenanteil für Dresden

Insgesamt hat das Bundesforschungsministerium rund 800 Millionen Euro bis 2020 für die deutsche Mikroelektronik versprochen. Weitere Millionenzuschüsse kommen vom Bundeswirtschaftsministerium  sowie Ländern und EU. Ein Beispiel dafür ist die neue „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD), die die bisher verstreuten Entwicklungs-Kapazitäten der Fraunhofer- und Leibniz-Institute in der Bundesrepublik zu einer schlagkräftigen virtuellen Forschungs-Foundry bündeln soll. Dabei bekommt Sachsen mit über 100 der insgesamt etwa 350 Fördermillionen den Löwenanteil der Bundesforschungs-Förderung ab.

Die siebenjährige Emma zeigt Ministerpräsident Stanislaw Tillich, wie sie lötet. Foto: Heiko WeckbrodtDie siebenjährige Emma zeigt Ministerpräsident Stanislaw Tillich, wie sie lötet. Foto: Heiko Weckbrodt

Die siebenjährige Emma zeigt Ministerpräsident, wie sie lötet. Für so etwas ist Stanislaw Tillich immer zu haben. Foto: Heiko Weckbrodt

Belohnung für die nervenden Sachsen

Das mag auch eine Art Belohnung für das nimmermüde Dickbrett-Bohren der Sachsen sein: Gebetsmühlenartig hatten die Delegationen aus Dresden immer wieder im Kanzleramt und vor den EU-Kommissaren in Brüssel wiederholt, dass die Mikroelektronik nicht irgendeine Technologie sei, sondern „eine Schlüsseltechnologie mit Hebelwirkung auf viele andere Branchen“, wie es Fraunhofer-Technologievorstand Georg Rosenfeld gestern in Dresden repetierte. Der sächsische Ministerpräsident (und studierte Ingenieur) Stanislaw Tillich (CDU) formuliert das noch deutlicher: „Ein Leben ohne Mikroelektronik wird in Zukunft nicht mehr vorstellbar sein.“

Schlüssel für autonomes Fahren und Industrie 4.0

Gemeint ist: Ohne Zugriff auf modernste Elektronik und Sensorik könnten deutsche Autobauer bald ihre führende Position auf den Weltmärkten verlieren, werden amerikanische und japanische statt europäischer Maschinenbauer die vollautomatischen „Industrie 4.0“-Fabriken ausrüsten. Auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Medizin- und Energietechnik hänge in immer größerem Maße von ihren digitalen Innereien ab, wurden die Dresdner nicht müde zu betonen. Und sie erinnerten an die teils hohen staatlichen Hilfen, die Halbleiterunternehmen in Südkorea, Taiwan, China und den USA bekommen, die sich einen feuchten Kehricht um europäische Wettbewerbsregeln scheren.

Rutger Wijburg, Chef von Globalfoundries Dresden. Foto: GF

Rutger Wijburg, Chef von Globalfoundries Dresden. Foto: GF

Projekte von europäischem Interesse von Subventions-Grenzen ausgenommen

Am Ende setzte sich diese Schlüsseltechnologie-Auffassung durch – „ein Riesenerfolg der Sachsen“, wie der Dresdner Globalfoundries-Chef Rutger Wijburg sagte. Nicht zuletzt auch die NSA-Schnüffelaffäre, die besondere Bedeutung der Mikroelektronik und MEMS-Technologien für den Automobilbau und die Industrie 4.0, aber vor allem das hartnäckige Bohren der Sachsen habe dazu beigetragen, dass Deutschland und Europa nun nach „digitaler Souveränität“ streben.

Für IPCEIs gelten alte Obergrenzen nicht

In der Folge stufte die EU die Mikroelektronik als „Important Project of Common European Interest“ (Wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischen Interesse = IPCEI) ein. Damit nahmen die Wettbewerbshüter diese Schlüsseltechnologie von den strengen Subventions-Obergrenzen aus, die normalerweise für staatliche Beihilfen gelten. Die nun gestartete FMD ist eine unmittelbare Konsequenz aus diesem politischen Umdenken.

Thomas Jurk. Foto: PR

Thomas Jurk. Foto: PR

Ex-Wirtschaftsminister Jurk: „Leichtfertig abgeschrieben habe ich Qimonda damals wahrlich nicht

Womöglich, so mag man spekulieren, wäre es auch mit der deutschen Infineon-Tochter „Qimonda“ ganz anders gekommen, hätte es diese politische Weichenstellung zehn Jahre früher gegeben. 2008/2009 verzichteten Bund und Freistaat jedenfalls darauf, mitten in der Chipkrise und zu Beginn der Weltwirtschaftskrise den insolventen Speicherchip-Hersteller mit Milliarden-Subventionen an den Staatstropf zu hängen.  „,Leichtfertig abgeschrieben“ habe ich Qimonda damals wahrlich nicht“, betonte erst kürzlich auf Facebook der frühere sächsische Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) in Reaktion auf einen Kommentar bei Oiger.de. „Nur leider gab es zu wenig Unterstützer und erst recht noch keine europäische Mikroelektronikinitiative.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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