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Hongkong-Drama „Fallen Angels“: stumme Einbrecher und müde Killer

He Zhiwu (Takeshi Kaneshiro) rast nachts auf seinem Motorrad durch Hongkong und bricht fremden Läden auf, um sich für eine Nacht als deren Besitzer auszugeben.Szenenfoto aus "Fallen Angels": Plaion Pictures

He Zhiwu (Takeshi Kaneshiro) rast nachts auf seinem Motorrad durch Hongkong und bricht fremden Läden auf, um sich für eine Nacht als deren Besitzer auszugeben.
Szenenfoto aus „Fallen Angels“: Plaion Pictures

Meisterwerke von Kult-Regisseur Wong Kar Wai fürs Heimkino neu aufgelegt

Mit „Fallen Angels“ hat „Plaion Pictures“ nun einen weiteren Klassiker des Hongkong-Kinos fürs Heimkino neu aufgelegt. Darin skizzierte Regisseur Wong Kar Wai im Jahr 1995 die nächtlichen, abstrusen und gewalttätigen Facetten der damaligen britischen Kronkolonie in China. Zugleich setzte der Kult-Regisseur in einem Mix aus Thriller und Großstadtmelodram den Vorgängerstreifen „Chungking Express“ fort, für den er die „Fallen Angels“-Handlungsstränge ursprünglich miterdacht hatte.

Leon Lai mimt den Auftrsgmörder Wong Chi-Ming. Szenenfoto aus "Fallen Angels": Plaion Pictures

Leon Lai mimt den Auftrsgmörder Wong Chi-Ming. Szenenfoto aus „Fallen Angels“: Plaion Pictures

Falscher Nacht-Geschäftsmann nimmt unwillige Kunden in die Zange

Auch hier wieder fühlt sich der Zuschauer sofort in den Bann der magischen Bilder gezogen und lässt sich von den schrägen Vögeln Hongkongs bezirzen, die hier in ganz anderen Rollen als in „Chungking Express“ auftauchen: Mimte beispielsweise Takeshi Kaneshiro im Vorgängerfilm noch einen nüchternen Polizisten, ist er hier ein stummer und clownesker Tunichtgut, der nächtens Läden aufbricht. Aber er will dort nicht etwa in die Kasse greifen. Vielmehr öffnet er das fremde Geschäft wie ein eigenes zu einer Extra-Nachtschicht. Und wehe den Passanten, die nicht seine Kunden sein wollen… Leon Lai Ming wiederum gibt hier den introvertierten Auftragskiller, den sein blutiges Handwerk nur noch anödet und der nach der Begegnung mit einer Hure beschließt, den Beruf zu wechseln. Und immer wieder verweisen die beiden Filme in kleinen Anspielungen aufeinander, sei es nun durch überraschend aufkreuzende Flugbegleiterinnen oder wenn Takeshi Kaneshiro als Imbiss-Aushilfe plötzlich genauso zu tanzen beginnt wie wie die umwerfende Faye Wong im „Chungking Express“.

Erzähltechnik und Optik inspirierte auch Tarantino

Neben den wie Spaghetti verflochtenen Handlungssträngen fasziniert auch die besondere Bildsprache von „Fallen Angels“, die Regisseur Wong Kar Wai und sein Kameramann Christopher Doyle damals gerade perfektionierten: extreme Nahaufnahmen mit dem Weitwinkel-Objektiv, die die Gesichter im Vordergrund ins Groteske verzerren, eine intensive, düstere Farbpalette mit viel Schatten, surreale Perspektiven und Tempi-Wechsel und andere Techniken, die heute längst zum festen Kanon ambitionierter Filmemacher gehören. Und zwischendurch dann wieder lustvoll inszenierte Blutbäder, die erahnen lassen, wo sich Tarantino die eine oder andere Inspiration hergeholt hat.

Ein typisches Stilelement aus den den Filmen von Wong Kar Wai und Christopher Doyle Mitte der 90er Jahre: Die Kamera hält mit dem Weitwinkel aus einem halben Meter Abstand direkt auf das Gesicht einer Schauspielerin im Vordergrund drauf, die stoisch raucht oder isst, während sich im Hintergrund absonderliche Dinge ereignen. Szenenfoto aus "Fallen Angels": Plaion Pictures

Ein typisches Stilelement aus den den Filmen von Wong Kar Wai und Christopher Doyle Mitte der 90er Jahre: Die Kamera hält mit dem Weitwinkel aus einem halben Meter Abstand direkt auf das Gesicht einer Schauspielerin im Vordergrund drauf, die stoisch raucht oder isst, während sich im Hintergrund absonderliche Dinge ereignen. Szenenfoto aus „Fallen Angels“: Plaion Pictures

In der Bonussektion findet der geneigte Cineast noch geschnittene Episoden, die zwar wirklich stark gespielt und in Szene gesetzt sind, aber wohl letztlich doch nicht so richtig in die Grundstimmung beziehungsweise in das Nachtflair passten, auf die sich der Film dann eben im Prozess des Werdens eingependelt hatte. Dazu plaudern die zwei Brüder im Geiste Wong Kar Wai und Christopher Doyle über ihre Inspirationen und Entscheidungen während der Dreharbeiten.

Fazit: Sollte jeder Cineast mal ansehen

Wer Kinofilme liebt und verstehen will, sollte den einen oder anderen Streifen der cineastischen Geschichte einfach unbedingt gesehen haben. Die Arbeiten von Wong Kar Wai gehören da sicher in die engere Wahl – wegen ihrer episodenhaften und verschlungenen Erzählweise, dem virtuosen Spiel mit Geschwindigkeitswechseln, vor allem auf wegen der faszinierenden Bildersprache von Werken wie eben „Fallen Angels“ und „Chungking Express“.

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Kurzinfos:

  • Titel: „Fallen Angels“
  • Originaltitel: „Duòluò Tiānshǐ“
  • Genre: Thriller und Großstadtmelodram
  • Produktionsland und -jahr: Hongkong 1995
  • Regie: Wong Kar Wai
  • Kamera: Christopher Doyle
  • Darsteller: Leon Lai Ming, Michelle Reis, Takeshi Kaneshiro, Charlie Yeung, Karen Mok, Man-Lei Chan u.a.
  • Filmlänge: 99 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 16
  • Sprachen: Deutsch, Kantonesisch
  • Untertitel: Deutsch
  • Boni: geschnittene Szenen mit eingebetteten Interviews, Bildergalerie, Trailer

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt