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Biegsame Stromspeicher für Feuerwehr-Kühljacken

Dr. Ali Shaygan Nia vom Cfaed zeigt den Prototypen einer Kühljacke mit Graphen-Superkondensatoren. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Ali Shaygan Nia vom Cfaed zeigt den Prototypen einer Kühljacke mit Graphen-Superkondensatoren. Foto: Heiko Weckbrodt

Elektronikzentrum Cfaed will Hersteller von Graphen-Superkondensator in Dresden ausgründen

Dresden, 12. Juli 2020. Der Laie mag sich gar nicht ausmalen, wie sich Feuerwehrleute inmitten der Hitzehölle eines brennenden Hochhauses fühlen. Oder wie die Krankenschwestern in den Tropen schwitzen, wenn sie den ganzen Tag in voller Schutzmontur Corona-Kranke pflegen. Für sie ist aber nun eine kleine Abkühlung in Sicht: Ein Team rund um Professor Xinliang Feng vom Zentrum für fortgeschrittene Elektronik in Dresden (Cfaed) hat leichte und biegsame Schnelllade-Stromspeicher aus hochwertig aufbereiteten 2D-Kohlenstoff-Netzen entwickelt. Gemeinsam mit Partnern schneidern sie daraus Kühljacken und Heizwesten, die ihre Energie aus diesen neuen Graphen-Superkondensatoren ziehen.

Kühljacke mit Graphen-Superkondensatoren. Foto: Heiko Weckbrodt

Kühljacke mit Graphen-Superkondensatoren. Foto: Heiko Weckbrodt

Frühere Cfaed-Ausgründung liefert das Graphen

Das Elektronikzentrum der TU Dresden will nun ein Unternehmen ausgründen, das diese Technologie kommerzialisiert. Die Firma soll die neuen Schnellladespeicher in einer eigenen Fertigungsstätte in Dresden produzieren. Das haben Dr. Ali Shaygan Nia vom Cfaed und Dr. Martin Lohe vom Dresdner Graphen-Hersteller „Sixonia Tech“ angekündigt. „Wir planen ein Spin-off“, sagte Shaygan Nia. Das Graphen für die Supercaps, wie besonders leistungsstarke Kondensatoren im Englischen oft abgekürzt werden, liefert die Firma „Sixonia Tech“, die bereits 2017 aus der Feng-Forschungsgruppe ausgegründet wurde.

Prof. Xinliang Feng. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Xinliang Feng. Foto: Heiko Weckbrodt

Feng-Gruppe hat 2D-Materialien im Fokus

Hintergrund: Der chinesische Chemiker Xinliang Feng gilt international als Experte für die gezielte Veränderung zweidimensionaler Atomnetze. Zu diesen 2D-Materialien gehören eben das kohlenstoffbasierte Graphen, aber auch atomlagendünne Netze aus anderen Elementen. Diese Netze spicken Feng und sein Team dann gezielt mit Fremdatomen, um ihnen neue Funktionen zu geben: Sie werden dadurch beispielsweise exzellente Stromleiter, eignen sich nach der Dotierung besser für elektronische Schaltungen, sind besonders belastbar – oder können eben elektrische Energie sehr schnell und dicht speichern und abgeben, wie im Falle der Superkondensatoren.

Graphen-Flocken meist chemisch oder mechanisch produziert

Zwar gibt es inzwischen weltweit bereits viele Graphen-Hersteller. Der lang prophezeite große Durchbruch als Superwerkstoff ist bisher allerdings noch ausgeblieben. Das liegt auch daran, dass die Herstellung ihre Tücken hat. Meist führt sie gar nicht zu echten 2D-Netzen, sondern nur zu flachen Graphen-Flocken. Stellt man sie chemisch her, sind sie hinterher zwar leicht weiter zu verarbeiten, haben aber viele Materialdefekte, so dass sie kaum elektrisch oder elektronisch verwertbar sind. Eine andere Produktionsmethode ist die mechanische Herstellung in Mixern oder mit Ultraschall. Dabei entstehen zwar hochwertigere Graphen-Flocken. Doch die sind schwerer zu verarbeiten, zudem braucht man dabei zusätzliche Rezeptzugaben (Additive), die nicht immer umweltfreundlich sind.

Der dritte Weg: Elektrochemische Methode bietet viele Elektrolyt-„Stellschrauben“

Die Feng-Gruppe verfeinerte daher einen alternativen Prozess, bei dem auf elektrochemischem Weg sehr dünne Graphenflocken entstehen, die sich einfach zu Graphen-Tinten, -Dispersionen oder -Pasten weiterverarbeiten lassen. Dabei tauchen sie in ein Elektrolyt-Bad zwei Elektroden: Eine ist aus einem Metall, die andere aus Graphit – jenen vergleichsweise dicken Kohlenstoffscheiben, die man auch aus Bleistiften kennt. Wenn eine Spannung anliegt, dann drängeln sich die geladenen Elektrolyt-Teilchen zwischen die Graphitschichten der anziehenden Elektrode und spalten sie zu Graphen auf. Durch die Wahl der Elektrolyt-Flüssigkeit lassen sich die genauen Eigenschaften der so entstehenden dünnen Graphen-Flocken beeinflussen. Als Nebenprodukt entsteht Wasserstoff.

Elektronisch nutzbares Graphen als Dispersion. Sixonia Tech Dresden stellt dieses 2D-Material elektrochemisch her. Foto: Heiko Weckbrodt

Elektronisch nutzbares Graphen als Dispersion. Sixonia Tech Dresden stellt dieses 2D-Material elektrochemisch her. Foto: Heiko Weckbrodt

Mehr Qualität bei weniger Umweltbelastung versprochen

Aus Sicht der Dresdner ist dies eine Technologie, die ohne die Nachteile der etablierten Verfahren auskommt, umweltfreundlicher ist und bei ähnlichen Kosten höhere Qualität liefert. Einsetzbar sei dieses Graphen für elektronisch aufgewertete Textilien, für heiz- und kühlbare Kleider, bessere Luftfilter, Wasserstoffanlagen – und eben auch für besonders leistungsstarke Energiespeicher. Zwar sind Superkondensatoren mit Graphen-Elektroden nichts völlig Neues: Solche „Ultra-Caps“ stellt beispielsweise die estnische Firma „Skeleton Technologies“ in ihrer Fabrik im sächsischen Großröhrsdorf vor. Der dabei eingesetzte Kohlenstoff hat aber laut Lohe nicht alle Eigenschaften von hochwertigem Graphen. Allerdings müssen auch die Cfaed-Supercaps erst noch beweisen, auf welche Energiedichte und welche Ladegeschwindigkeiten sie in der industriellen Praxis kommen.

Ultrakondensatoren von Skeleton. Foto: Skeleton

Ultrakondensatoren von Skeleton. Foto: Skeleton

Kapazität soll bis Ende 2021 auf 100 Liter Graphentinte pro Tag steigen

Mit Blick darauf gründeten Martin Lohe und seine Mitstreiter 2017 die „Sixonia Tech“. Seitdem verfeinert das dreiköpfige Team im städtischen Nanocenter im Dresdner Norden die Technologie und fährt die Produktion hoch. „Bis zum Jahresende wollen wir auf 100 Liter pro Tag kommen“, kündigte der Geschäftsführer an.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Cfaed, Sixonia Tech, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Skeleton kreuzt Graphen-Ultracaps mit Akkus

Xinliang Feng will in Dresden Graphen-Technologie auf Trab bringen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt