TU Dresden arbeitet an ferngesteuerten Systemen, die sich um giftige und radioaktive Reste beim Atomkraftwerk-Abriss kümmern
Dresden, 17. Juni 2021. Laserbewaffnete Roboter statt Menschen sollen in Zukunft abrissreife Kernkraftwerke von radioaktiven Ablagerungen befreien. Mit ihrer neuen Technologie wollen Forscherinnen und Forscher der Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik der Technischen Universität Dresden (TUD) Menschen vor Strahlenschäden und Gift schützen, aber auch manchen Sondermüll-Berg vermeiden helfen.
Erste Praxistests erfolgreich absolviert
Die Lasertechnik dafür hat inzwischen erste praxisnahe Tests in einer kerntechnischen Entsorgungsanlage bestanden. „Nun sind wir dabei, das Verfahren sicherheitstechnisch abzurunden“, berichtet die Materialwissenschaftlerin Dr. Marion Herrmann. Allerdings werde es sicher noch einige Zeit dauern, bis die ersten laserbestückten Roboter alte Kernkraftwerke dekontaminieren.
Weichmacher über Jahre hinweg verstrahlt
Hintergrund: Weltweit erreichen mehr und mehr Atommeiler ein Alter, ab dem ein Abriss sinnvoller erscheint als eine Nachrüstung. Wände, Metallteile und andere Komponenten von vielen dieser Kraftwerke hatten aber in den 1970ern Lackierungen mit Weichmachern aus polychlorierten Biphenylen (PCB) bekommen, die heute als giftig und krebsfördernd verpönt sind. Durch jahrzehntelange Strahleneinwirkung sind diese Schutzanstriche radioaktiv kontaminiert und müssen entfernt werden, bevor das Abrisskommando anrückt – sonst würde sich das ganze Kraftwerk in ein Gebirge aus unverwertbarem Sondermüll verwandeln.
Menschen strahlen alte Lacke bisher händisch ab
„Bisher tragen Arbeiter diese Lacke mechanisch, das heißt durch Sandstrahlen oder Wasserstrahlen ab“, erklärt Dr. Herrmann. Ein Nachteil dieser Technologie: Hinterher müssen dann tonnenweise kontaminierter Sand beziehungsweise Wasser aufwendig entsorgt werden.
Hitzeschock lässt Kunststoffe zerfallen
Dies könnte sich durch die Dresdner Technologie ändern: Im Endausbau sollen ferngesteuerte Roboter die alten Kraftwerkwände abfahren, dabei mit speziell programmierten Laserarbeitsköpfen die Schutzanstriche schnell auf 900 bis 1000 Grad erhitzen, so dass die Weichmacher in weniger gefährliche oder sogar unbedenkliche Stoffe zerfallen. Absauger nehmen die Aerosole aus Partikeln und Gasen gleich an der Wand auf und filtern sie heraus, so dass nichts in die Luft entweichen kann. Im Laserlabor des Instituts für Energietechnik sind derzeit Experimente im Gange, die klären sollen, welche Gase und welche Teilchen in welcher Größe dabei genau entstehen und welche Filtersysteme am besten dagegen helfen.
Schrott für die Stahlschmelze
Die ersten praxisnahen Tests der Dresdner Laser verliefen sehr erfolgversprechend. Bei Versuchen an radioaktiven Betonwänden in einer Entsorgungsanlage in Karlsruhe kamen die Dresdner Systeme auf ein Dekontaminierungstempo von sieben Quadratmetern pro Stunde – was laut Marion Herrmann mit bisher eingesetzten Sand- und Wasserstrahltechniken vergleichbar ist. An Metallteilen blieb am Ende nur wiederverwertbarer Schrott für die Stahlwerkschmelze übrig. Er gilt als „freigemessen“. In der Fachsprache der Kerntechniker heißt das: Dieser Schrott ist nur noch so schwach radioaktiv, dass eine atomrechtliche Überwachung nicht mehr notwendig ist.
Internationales Interesse an der Technologie
Die Vorteile der neuen Dresdner Methode liegen auf der Hand: Beim Abriss alter Kernkraftwerke würden weniger strahlende oder giftige Stoffe freigesetzt, die Arbeiter könnten die Roboter aus sicherer Entfernung zu den Strahlungsquellen fernsteuern, auch bleibt am Ende deutlich weniger Sondermüll übrig. Interesse an der TUD-Technologie gibt es auch schon aus dem Ausland, beispielsweise aus Großbritannien. „Der Rückbau ausgedienter Kernkraftwerke ist eben international ein großes Thema“, ist Dr. Marion Herrmann überzeugt.
Chancen sieht sie aber auch jenseits von radioaktiven Hinterlassenschaften: Solche Systeme könnten beispielsweise bei der schnellen Schweißnaht-Reinigung von Stahlbrücken helfen, Medizintechnik von Viren befreien oder Lebensmittelmaschinen entkeimen. „Da sind noch viele Einsatzmöglichkeiten denkbar.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: TUD/Interview/Vor-Ort-Termin
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Hinweis: Dieser Beitrag ist ursprünglich im Uni-Journal der TU Dresden erschienen.
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