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„Endzone – A World Apart“: Städtebau nach der atomaren Apokalypse

Die Kinder kehren in "Endzone" nach 100 Jahren im Bunker an die verstrahlte Oberfläche zurück. Abb.: Assemble Entertainment

Die Kinder kehren in „Endzone“ nach 150 Jahren im Bunker an die verstrahlte Oberfläche zurück. Abb.: Assemble Entertainment

Deutsche Aufbausimulation erzählt über den Wiederaufbau nach 150 Jahren im Bunker

Apokalyptik liegt im Trend: In Filmen, Büchern und Spielen machen wahlweise Klimawandel („The Day after Tomorrow“), Zombie-Virenausbrüche („The Walking Dead“) oder Chemieangriffe („Silo“) der Zivilisation ein Ende – und der Rezipient suhlt sich freudig im Entsetzen. In diese Kerbe schlägt auch die Spieleschmiede „Gentlymad“ aus Wiesbaden: In ihrer bemerkenswerten Aufbausimulation „Endzone – A World Apart“ erzählt sie von einer Generation von Kindern, die wegen eines verheerenden Atomkriegs in Bunkern aufgewachsen sind und nach 150 Jahren Leben ohne Sonne an die Oberfläche kraxeln, um hier wieder Dörfer, Städte und Industrie aufzubauen (damit alles wieder von vorn beginnen kann). Gekoppelt hat das Studio die Spieleveröffentlichung an eine Baumpflanzaktion in der realen Welt.

Werbevideo (Assemble
Entertaiment):

Vom Anglersteg zur „Mad Max“-Stadt

Der Spieler rückt zu Beginn mit seiner Kindertruppe in einem gepanzerten Ressourcen-Bus auf die verstrahlte Erdoberfläche aus. Diese ersten Siedler bauen an einem See ein kleines Camp auf mit Wassersteg, Anglerhütte, Zisterne und ein paar Hütten. Langsam wachsen Siedlung und Bedürfnisse: Der Vorrat aus dem Bunker ist bald erschöpft und so ziehen die Dorfbewohner Kohlehütten, Schrottraffinerien, Schneidereien und andere Gewerke hoch, um selbst Werkzeuge, Schutzmasken und andere Ausrüstungen herstellen zu können. Nach und nach entstehen eine Schule, ein Friedhof – insgesamt lassen sich in „Endzone“ über 70 verschiedene Gebäude errichten. Mit der Zeit entsteht so eine postapokalyptische Kleinstadt in schönster „Mad Max“-Recyclingoptik.

Dürre und Plünderung drohen

Wie bei solchen Aufbausimulationen üblich, muss der Spieler stets darauf achten, die richtige Balance zwischen Wohnungsbauprogramm, Landwirtschaft, Waldrodung, Wiederaufpflanzung, Industriegüter-Nachschub und anderen Ressourcenströmen zu halten. Andernfalls drohen Hungersnöte, Unzufriedenheit, ökologischer Kollaps oder andere ernste Probleme. Dabei darf man auch nicht zu ungeduldig sein: Oft dauert es recht lange, bis ein Gebäude endlich vollbracht ist und sich Wertschöpfungsketten eingepegelt haben. Zum Glück gibt es für solche Durststrecken einen Zeitraffer.

Langsam nimmt die Siedlung Formen an: Unten der Steg mit Anglerhütte und Wassersilo, links die Schule und dahinter der Friedhof, in der Mitte die Hütten um den Bus herum, darunter Pflaumen- und Kohlfelder und rechts wächst schon wieder eine neue Industrie, damit's nicht zu naturnah wird. Bildschirmfoto (hw) aus: "Endzone"

Langsam nimmt die Siedlung Formen an: Unten der Steg mit Anglerhütte und Wassersilo, links die Schule und dahinter der Friedhof, in der Mitte die Hütten um den Bus herum, darunter Pflaumen- und Kohlfelder und rechts wächst schon wieder eine neue Industrie, damit’s nicht zu naturnah wird. Bildschirmfoto (hw) aus: „Endzone“

Zudem sind auch externe Einflüsse zu beachten, die wir nicht unmittelbar beeinflussen können: Manche Gegenden sind besonders verstrahlt, andere sind zu trocken für den Ackerbau. Zwischendurch überziehen unabwendbare Dürren das Land. Zudem fallen immer wieder mal Plünderer in unsere friedliche Siedlung ein.

Unser Eindruck: stimmungsvoll

Schon auf den ersten Blick besticht „Endzone“ durch grafische Opulenz, eine stimmungsvolle Optik, wogende Vegetation, Tag- und Nachtwechsel sowie Wetterumschwünge und andere Details, die für ein dichtes Spielerlebnis sorgen. Allerdings hätte ich mir die Siedler selbst etwas größer gewünscht, selbst auf Kosten der Proportionalität – manchmal wirkt das Gewusel auf dem Bildschirm etwas sehr kleinteilig bis piepselig. Und wenn wir einmal bei Wünsch-Dir-was sind: Vorgeschaltet ist zwar ein Tutorial, das die elementaren Ressourcen- und Aufbaustrategien erklärt, viele elementare Bedienmechanismen aber gar nicht erläutert. Da gibt es Verbessserungsbedarf.

Renaissance der deutschen Spieleindustrie durch neue Finanzierungsmodelle?

Die Entwicklung dieses recht aufwendigen Spiels hat „Gentlymad“ teilweise über das „Early Access“-Modell finanziert, bei dem Interessenten bereits früh eine Vorab-Version spielen können, dafür bezahlen – aber eben weniger als den späteren Endpreis. Dieses Geld hilft dann, einen Teil der Entwicklungskosten zu decken. Solche und ähnliche Modelle lassen hoffen, dass es künftig auch wieder mehr aufwendige Spieleproduktionen „Made in Germany“ wie erst jüngst „Iron Harvest“ aus Bremen oder nun eben „Endzone“ gibt.

„Rette die Welt“-Edition sorgt für Baumpflanzungen

Im Übrigen wollen die deutschen Entwickler hier nicht bloß Kohle machen, sondern sie unterstützen eingedenk des ökologischen Grundthemas in „Endzone“ auch eine Aufforstungsaktion: Wer die zehn Euro teurere „Save the World“- Edition des Spiels kauft, kofinanziert damit weltweite Baumpflanzungen. Laut Angaben des ebenfalls in Wiesbaden ansässigen Vertriebsstudios „Assemble Entertainment“ hat die „Endzone“-Gemeinde schon jetzt über 40.000 neue Bäume ermöglicht.

Kurzüberblick:

  • Titel: „Endzone – A World Apart
  • Genre: Aufbau- und Überlebenssimulation
  • Entwickler: Gentlymad
  • Vertriebsstudio: Assemble Entertainment
  • Regulärer Preis: 30 Euro (Steam)
  • Plattform: PC

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

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