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„Iron Harvest 1920 +“: Eiserne Ernte im Dieselpunk-Dauerkrieg

Infanterie gegen Schreitpanzer - das kann kaum gut gehen. Szenenbild (hw) aus "Iron Harvest 1920+"

Infanterie gegen Schreitpanzer – das kann kaum gut gehen. Szenenbild (hw) aus „Iron Harvest 1920+“

Deutsche Spieleschmiede erzählt eine alternative Zeitlinie – und will damit das Echtzeit-Strategie-Genre reanimieren

Wie hätte sich Europa wohl verändert, wenn der I. Weltkrieg noch Jahre weitergetobt hätte, ein Krieg ohne Ende, der nur immer zerstörerische Tötungsmaschinen hervorbringt? „Iron Harvest 1920 +“ spielt dieses Szenario durch: Im ersten Echtzeit-Strategiespiel der Bremer Adventure-Schmiede „King Art Games“ erleben aus verschiedenen Perspektiven, wie Sachsen und Rusviets stählerne Schreitpanzer entwickelt haben, angetrieben durch riesige Dieselmotoren und komplizierte Mechaniken, die über Felder und durch Häuser stampfen und alles vernichten, was ihnen in den Weg kommt. Statt Steampunk ist hier Dieselpunk angesagt.

Nanu, wer hat sich denn da rechts im Hintergrund in das "historische" Kaiserzeitfoto eingeschlichen? Szenenbild (hw) aus "Iron Harvest 1920+"

Nanu, wer hat sich denn da rechts im Hintergrund in das „historische“ Kaiserzeitfoto eingeschlichen? Szenenbild (hw) aus „Iron Harvest 1920+“

Ein wenig wie „Command & Conquer“ ohne Nuklearschläge

Ein bisschen erinnert diese „eiserne Ernte“ an die legendäre „Command & Conquer“-Reihe – nur eben ohne Atomwaffen: Auch hier bewegen wir uns durch eine alternative Geschichtslinie, auch hier reduziert sich das Spiel nicht nur auf Geballer, sondern erzählt in vielen Zwischensequenzen eine eigene Story. Den Anfang macht die Geschichte um die polanische Partisanin Anna Kos, die mit einem personengebundenen Bären an der Seite gegen die so übermächtig erscheinenden Heere Rosviets und Saxonias aufbegehrt – und zu einer Art Jeanne d’Arc zwischen den Fronten wird. Daran schließen sich Einzelspieler-Kampagnen auf saxonischer und rusvietischer Seite an. Kaum verschlüsselt reflektiert der Plot das Schicksal Polens zwischen zwei imperialistischen Großmächten, zwischen dem Deutschen Reich und Russland, Kaiser und Zar.

Werbevideo
(Deep Silver):

Adventure-Experten wissen eine gute Story zu erzählen

All dies zieht seinen besonderen Charme vor allem aus der gut erzählten Spielstory – da zahlt sich die Adventure-Expertise der Macher aus – und dem Dieselpunk-Stil all der Schreitpanzer, Flammwerfer-Mechs und anderen bizarren Stahl- und Feuer-Maschinen, die nicht nur jeden Umweltschützer auf dem Schlachtfeld vor Entsetzen erstarren lassen. Das Grundmuster ist das, was Echtzeit-Strategie-Fans nun mal lieben: Der Spieler baut eine Basis mit Kasernen, Werkstätten, Bunkern und anderen Gebäuden, besetzt Eisen- und Öl-Minen, stellt mit diesen Ressourcen eine Armee auf, um den Feind zu besiegen. Und zocken lässt sich all dies nicht nur in der Einzelspieler-Kampagne, sondern auch im Mehrspieler-Modus.

Anna lässt - anders als die meisten Männer um sie herum - nicht locker und wird so zur Anführerin des polanischen Aufstands gegen die Rusviet-Armeen. Szenenbild (hw) aus "Iron Harvest 1920+"

Anna lässt – anders als die meisten Männer um sie herum – nicht locker und wird so zur Anführerin des polanischen Aufstands gegen die Rusviet-Armeen. Szenenbild (hw) aus „Iron Harvest 1920+“

Kritikpunkt: Einheiten reagieren teils zu träge

Allerdings sind uns auch ein paar Kritikpunkte aufgefallen. Besonders misslich ist, dass sich Infanterietrupps, Annas Bär und andere Einheiten oft nur recht träge steuern lassen – da würde man sich ein präziseres Spielgefühl wünschen. Zudem sieht die ganze Spielegrafik zwar auf den ersten Blick wunderhübsch aus, doch leider kam es in der uns vorliegenden Version oft zu Darstellungs-Fehlern, insbesondere Bäume und Sträucher flackerten teils wild. Zudem neigt das Spiel dazu, beim Beenden noch schnell abzuschmieren.

Düstere Stimmung im unterdrückten Polonien. Szenenbild (hw) aus "Iron Harvest 1920+"

Düstere Stimmung im unterdrückten Polonien. Szenenbild (hw) aus „Iron Harvest 1920+“

Fazit: Stilistisch und erzählerisch reizvoll

Abgesehen von diesen ausbügelbaren Problemen hat uns „Iron Harvest 1920 +“ sehr gut gefallen: Eine interessante Story gesellt sich hier zu einer faszinierenden Stilistik, die sich mit ganz eigenen Akzenten von Genre-Klassiker wie eben „Command & Conquer“, „Age of Empires“ oder „Z“ absetzt. Und wenn die Entwickler im Veröffentlichungsvideo ohne falsche Bescheidenheit mit dem Anspruch „RTS ist zurück“ antreten, also eine Wiedergeburt des Echtzeit-Strategie-Genres („Real Time Strategy“ versprechen, kann man sich eigentlich nur wünschen, dass sie es mit diesem originellen Spiel schaffen.

Ankündigungsvideo
im Kino-Stil (King Art):

Kurzüberblick:

  • Titel: „Iron Harvest 1920 +“
  • Spieleentwickler: King Art Games Bremen
  • Spieleverlag: Deep Silver
  • Genre: Echtzeit-Strategie / RTS
  • Plattformen: PC (Steam) – PS4 und XBox One sollen folgen
  • Preis: ca. 50 Euro
  • Altersfreigabe: USK 16

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

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