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Dresdner Morpheus soll Einstein-Ring jenseits des Sonnensystems bauen

Die Visualisierung zeigt, wie sich die Ingenieure den jahrzehntelangen Flug der Sonden mit elektrischen Ionenantrieben vorstellen. Visualisierung: The Aerospace Corporation

Die Visualisierung zeigt, wie sich die Ingenieure den jahrzehntelangen Flug der Sonden mit elektrischen Ionenantrieben vorstellen. Visualisierung: The Aerospace Corporation

Raumfahrt-Ausgründung der TU Dresden bekommt Geld von Risikokapitalisten – und kurbelt nun Massenproduktion seiner Nano-Ionentriebwerke an

Dresden, 26. August 2020. Sächsische Raumfahrt-Technologie wird der Menschheit voraussichtlich helfen, die Grenzen unseres Sonnensystems zu überwinden und Schwerkraft-Fotos ferner Welten zu schießen: Die kalifornische Forschungsorganisation „The Aerospace Corporation“ hat inzwischen nämlich die innovativen Nano-Ionentriebwerke Dresdner Raumfahrt-Firma „Morpheus Space“ als Schlüsseltechnologie für die geplante Nasa-Mission „Solar Gravity Lens“ (Solar Gravitationslinse) ausgesucht. Das hat Morpheus-Gründer Daniel Bock auf Anfrage mitgeteilt. Um die Massenproduktion der neuartigen Antriebe in Dresden aufzubauen und die Uni-Ausgründung personell aufzustocken, hat Morpheus nun Investitionsgelder von internationalen Risikokapitalisten eingesammelt.

Daniel Bock von Morpheus Dresden zeigt die - ursprünglich an der TU Dresden - entwickelten elektrischen Ionen-Triebwerke für nanosatelliten. Links die etwas größere und stärkere Variante, rechts der Mikroantrieb für besonders kleine Satelliten. Foto: Heiko Weckbrodt

Daniel Bock von Morpheus Dresden zeigt die – ursprünglich an der TU Dresden – entwickelten elektrischen Ionen-Triebwerke für nanosatelliten. Links die etwas größere und stärkere Variante, rechts der Mikroantrieb für besonders kleine Satelliten. Foto: Heiko Weckbrodt

Schwerkraft-Linse wirft scharfe Blicke in außerirdische Welten

„Mit dieser Mission werden wir weiter hinaus ins All kommen als selbst die Voyager-Sonden“, betonte der Ingenieur den Maßstab der geplanten Mission. Dabei sollen die Antriebe aus Dresden Hunderte Satelliten bis in den interstellaren Raum bringen, mindestens 80 Milliarden Kilometer weit weg von der Erde. Die Sonden bilden dann einen sogenannten Einsteinring, der wie eine Linse wirkt: Dieses riesige Teleskop nutzt die Schwerkraft der Sonne, die selbst Licht und Raum brechen kann, um Bilder mit bisher unerreichter Schärfe von weit entfernten Exoplaneten anzufertigen. Anders ausgedrückt: Wenn es auf Planeten in anderen Sonnensystemen wirklich Außerirdische geben sollte und die womöglich Städte gebaut haben – dann könnte die solare Gravitationslinse solche Alien-Metropolen sichtbar machen.

Erklärvideo von
The Aerospace Corp.:

Anreise wird Jahrzehnte dauern

Allerdings liegt all dies noch in ferner Zukunft: Allein die Reise der Sonden jenseits des Sonnensystems wird Jahrzehnte dauern. Und dies sei auch ein Grund, warum „The Aerospace Corporation“ die Dresdner Ionentriebwerke als Schlüsseltechnologie für die Mission ausgewählt habe, sagt Bock: „Unsere Technik braucht keine Tanks, keine beweglichen Teile oder anderen Komponenten, die rasch kaputt gehen können.“ Denn die Dresdner Antriebe sind winzig klein, funktionieren elektrisch und kommen mit wenigen Gramm Metall „Kraftstoff“ und mit extrem wenig Energie zurecht – genau richtig für eine lange Reise durchs dunkle All.

Das Gründerteam von Morpheus. Von links nach rechts: Christian Boy, Christian Schunk, István Lőrincz, Daniel Bock und Phlipp Laufer. Foto: Morpheus Space GmbH

Das Gründerteam von Morpheus. Von links nach rechts: Christian Boy, Christian Schunk, István Lőrincz, Daniel Bock und Phlipp Laufer. Foto: Morpheus Space GmbH

2018 aus TU Dresden ausgegründet

Die Ingenieure hatten diese Technologie an der Professur für Raumfahrtsysteme der TU Dresden. 2018 gründeten Bock und seine Kollegen die Firma „Morpheus Space“. Die hat inzwischen acht Mitarbeiter, bis zum Jahresende sollen es 15 bis 20 sein. „Wir stellen wöchentlich neue Leute ein“, berichtet der Gründer. Parallel dazu baue das Team eine Massenproduktion der Mini-Ionentriebwerke in seiner Produktionsstätte im Gewerbehof an der Großenhainer Straße in Dresden auf.

Investor: „Morpheus spielt eine Schlüsselrolle“

Möglich ist diese Expansion durch eine Finanzierungsrunde, an der sich mehrere Investoren beteiligt haben. Dazu gehören Vsquared Ventures, Lavrock Ventures, Airbus Ventures, In-Q-Tel, Pallas Ventures und Techstars. Über dem Umfang der Kapitalspritze haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart. Offensichtlich sehen die Risikokapitalisten aber gute Zukunftsperspektiven für die TU-Ausgründung. „Deutsches Ingenieurwesen hat in der weltweiten Luft und Raumfahrtindustrie eine lange Tradition“, unterstreicht Herbert Mangesius von „Vsquared Ventures“. „Morpheus Space spielt eine Schlüsselrolle in der schnell wachsenden New-Space-Wirtschaft.“ Das elektrische Antriebssystem der Dresdner werde den gesamten Markt verändern und „völlig neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, die von extrem niedrigen Erdumlaufbahnen bis zur Erforschung des Weltraums reichen“.

Die Visualisierung zeigt Satellit Uwe 4 von der Uni Würzburg mit gezündeten Morpheus-Triebwerken. Visualisierung: Uni Würzburg

Die Visualisierung zeigt Satellit Uwe 4 von der Uni Würzburg mit gezündeten Morpheus-Triebwerken. Visualisierung: Uni Würzburg

Antrieb verhinderte bereits Satelliten-Unfall

Erst kürzlich hatte ein Morpheus-Antrieb des Typs „NanoFEEP“ eine Satelliten der Uni Würzburg im Erdorbit vor einem Zusammenstoß mit einem ausgemusterten Iridium-Satelliten bewahrt. „Eine Kollision hätte sich zu einer Umweltkatastrophe ausweiten können“, hieß es von Morpheus.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Morpheus, Interview Bock, The Aerospace Corporation

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt