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Neuer Robo-Operator aus Coswig rackert die Nächte durch

Geschäftsführer Ralf Hock von "Industrie-Partner GmbH" (IP) aus Coswig führt im Juli 2020 in den Universellen Werken Dresden den neuen "Robo-Operator" vor, den IP gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut IWU Dresden entwickelt hat. Die Roboterzelle dockt sich an Maschinen an, die sonst von Menschen bedient werden, und übernimmt vorübergehend vollautomatisiert deren Arbeit. Foto: Heiko WeckbrodtGeschäftsführer Ralf Hock von "Industrie-Partner GmbH" (IP) aus Coswig führt im Juli 2020 in den Universellen Werken Dresden den neuen "Robo-Operator" vor, den IP gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut IWU Dresden entwickelt hat. Die Roboterzelle dockt sich an Maschinen an, die sonst von Menschen bedient werden, und übernimmt vorübergehend vollautomatisiert deren Arbeit. Foto: Heiko Weckbrodt

Geschäftsführer Ralf Hock von „Industrie-Partner GmbH“ (IP) aus Coswig führt im Juli 2020 in den Universellen Werken Dresden den neuen „Robo-Operator“ vor, den IP gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institutsteil IWU Dresden entwickelt hat. Die Roboterzelle dockt sich an Maschinen an, die sonst von Menschen bedient werden, und übernimmt vorübergehend vollautomatisiert deren Arbeit. Foto: Heiko Weckbrodt

IP und Fraunhofer Dresden haben einen künstlichen Leiharbeiter entwickelt, der für fehlende Facharbeiter einspringt

Coswig/Dresden, 29. Juli 2020. Ein mittelständischer Metallbauer bekommt plötzlich einen lukrativen Großauftrag von einem Branchenriesen. Bedingung: Die Gehäuse müssen spätestens nächste Woche geliefert werden. Was aber tun, wenn kein Stanzer und kein Dreher aus der Belegschaft Lust auf zusätzliche Nachtschichten hat? Eine robotische Lösung für solche Szenarien, die in der „Industrie 4.0“-Ära immer häufiger eintreten, hat nun der Sondermaschinenbauer „Industriepartner“ (IP) aus Coswig zusammen mit Fraunhofer Dresden ersonnen: Die Ingenieure haben gemeinsam einen „Robo-Operator“ entwickelt, der wie ein künstlicher Leiharbeiter für menschliche Kollegen auf die Schnelle einspringt.

Lernfähiger und sehender Roboter bedient Maschinen wie ein Mensch

Dabei handelt es sich um einen Roboter, der sich an gängige Fräsen, CNC-Bohrzentren und ähnliche Anlagen heranrollen und andocken lässt. Der Robo befüllt diese höchstens teilautomatisierten Maschinen dann und kann mit seiner Stahlhand die Knöpfe auf den Anlagensteuerungen ähnlich wie ein Mensch bedienen. Und weil ihm Fraunhofer auch das „Sehen“ beigebracht hat, reagiert er auch auf Maschinen-Anzeigen, die eigentlich für menschliche Arbeiter gedacht sind. Zudem merkt sich der Roboter auch einmal Gelerntes für später, kann auf neue Informationen aus seiner Umgebung reagieren, verfügt also über gewisse kognitive Fähigkeiten.

"Robo-Operator" für die autonome Steuerung von Werkzeugmaschinen. Die Zelle auf Rädern schützt anderseits menschliche Arbeiter davor, mit dem Roboter zu kollidieren. Zudem lässt sich der Bedienroboter damit schnell von einer Maschine zur anderen versetzen. Foto: IP Coswig

„Robo-Operator“ für die autonome Steuerung von Werkzeugmaschinen. Die Zelle auf Rädern schützt anderseits menschliche Arbeiter davor, mit dem Roboter zu kollidieren. Zudem lässt sich der Bedienroboter damit schnell von einer Maschine zur anderen versetzen. Foto: IP Coswig

Durch flexiblen Robo-Helfer wird mancher Auftrag erst lohnend

„Sobald ein Personalmangel festgestellt wird, kann der Robo-Operator“ geliefert werden“, erläutert Dr. Arvid Hellmich, der im Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) die Abteilung für technische Kybernetik leitet. „Er wird direkt vor die zu bedienende Werkzeugmaschine gestellt und arbeitet dann völlig autonom genau die Arbeitsschritte ab, die sonst von der Fachkraft ausgeführt werden.“ Und: „Er kann dann zum Beispiel eine ganze Nachtschicht oder übers Wochenende selbstständig durcharbeiten, bis die Arbeiter wieder zur Frühschicht kommen“, ergänzt IP-Chef Ralf Hock. Dadurch könnten auch kleinere und wenig automatisierte Betriebe größere Aufträge annehmen und die eigenen Automatisierungslücken in der Werkhalle kurzfristig schließen.

So stellen sich die Ingenieure den Einsatz des "Robo Operators" an einer Werkzeugmaschine vor. Visualisierung: IP Coswig

So stellen sich die Ingenieure den Einsatz des „Robo Operators“ an einer Werkzeugmaschine vor. Visualisierung: IP Coswig

Der Facharbeiter lernt den Robo an – kein Programmierer nötig

Dabei könne der Robo-Operator immer die Maschine übernehmen, die gerade besonders gebraucht werde. „Und jeder Facharbeiter kann den Robo-Operator schnell anlernen, ohne dass dafür ein Roboter-Programmierer gebraucht wird“, betont Hock. Weil der Roboter nicht direkt in die Maschine integriert sei, sondern das eigentlich für Menschen entworfene Bedienfeld benutzt, sei er zwar kaum schneller als ein Arbeiter – kann aber eben ohne Pause durchrackern.

IP-Chef beteuert: Damit machen wir keine Facharbeiter arbeitslos

„Unser Ansatz ist es aber nicht, Facharbeiter arbeitslos zu machen“, unterstreicht der IP-Chef. „Das Problem ist für die meisten Betriebe eher: Sie finden gar keine guten CNC-Fräser oder Dreher mehr auf dem Arbeitsmarkt. Durch unseren Robo können Mittelständler künftig auch Aufträge annehmen, die sich bisher nur für hochautomatisierte Betriebe gelohnt haben.“

Leihen statt kaufen

Technisch wie konzeptionell ist der „Robo-Operator“ aus Coswig ohnehin als Helfer auf Zeit gedacht und nicht als Dauerlösung. Daher will Hock seinen neuen Roboter auch lieber vermieten als verkaufen. Für solche Geschäftsmodelle hat er 2019 eine spezielle Tochter gegründet, die „IP Equipment Rental GmbH“. Die ist auf die Vermietung von Produktionsausrüstungen spezialisiert und soll nun auch den Robo-Operator verleihen. Ab September soll der künstliche Leiharbeiter lieferbar sein.

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Fraunhofer IWU entwickelte Bilderkennung für den Stahlkollegen

Entstanden ist der Roboter als Gemeinschaftsentwicklung mit der Dresdner IWU-Niederlassung. Die Fraunhofer-Ingenieure lieferten insbesondere die Bilderkennung und die Ablaufsteuerung für den Roboter zu, IP fokussierte sich mehr auf die rollende Roboter-Zelle und andere mechanische Teile. Denn das gehört zu den Spezialitäten des 1990 gegründeten Unternehmens: besondere Maschinen und Produktionsausrüstungen, die es nicht „im Laden um die Ecke“ zu kaufen gibt. Seit 1996 ist IP im ehemaligen Walzwerk-Areal in Coswig angesiedelt und hat sich seitdem dort mehrfach erweitert. Zu den Kunden gehören beispielsweise Betriebe aus der Elektromobilität, der Batterie- und Bahntechnik. Inzwischen hat IP rund 70 Mitarbeiter.

Kleiner Bruder geplant

Und weitere Hightech-Projekte sind bereits gemeinsam mit Fraunhofer Dresden in Arbeit. So soll der Robo-Operator einen kleinen Bruder bekommen, der – samt Abschirm-Gehäuse – auf eine halbe Euro-Palette passt. Dadurch sollen die künstlichen Leiharbeiter auch für verwinkelte Werkhallen und kleine Maschinen einsetzbar werden.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IP, IWU, Vor-Ort-Termin in den Universellen Werken

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt