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Im Corona-Notbetrieb: Slub Dresden scannt nun Bücher auf Anfrage

Annekathrin Weser betreut im SLUB-Digitalisierungszentrum einen Scan-Roboter für die Massen-Digitalisierung, der etwa 500 Buchseiten pro Stunde schafft. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Archivfoto zeigt Annekathrin Weser, wie sie im SLUB-Digitalisierungszentrum einen Scan-Roboter bedient, der etwa 500 Buchseiten pro Stunde schafft. Foto: Heiko Weckbrodt

Unibibliothek startet Digitalisierungs-„Wunschkonzert“ für TU-Forscher und Studenten

Dresden, 15. April 2020. Damit Wissenschaftler und Studenten der TU Dresden auch im Corona-Notbetrieb weiter forschen und lernen können, startet die Sächsische Landes- und Uni-Bibliothek Slub in Dresden heute einen neuen „Scan on Demand“-Dienst. Das heißt: Während der Seuchen-Schließzeit digitalisieren die Bibliothekare auf Anfrage von registrierten Slub-Nutzern wissenschaftliche Aufsätze oder ausgewählte Kapitel von Büchern, die bisher nur in Papierform vorliegen.

Dr. Achim Bonte. Foto: Ramona Ahlers-Bergner für die SLUB Dresden

Dr. Achim Bonte. Foto: Ramona Ahlers-Bergner für die SLUB Dresden

Hilfe für Wissenschaftler, die auf alte Bücher angewiesen sind

„Vieles in unserem Bestand ist schon digital und kann teilsweise auch online abgerufen werden. Und die meisten Wissenschaftler arbeiten ohnehin in hohem Maße mit digitalen Publikationen“, erklärt Slub-Direktor Achim Bonte die Hintergründe. „Aber es gibt auch Disziplinen, die weiter auf ältere Bücher, Artikel und Bilder angewiesen sind, die nur in klassicher physischer Form bei uns vorliegen. Doch im Moment kommen zum Beispiel Historiker, Philologen oder Kunsthistoriker an diese Werke nicht heran, weil wir geschlossen haben. Ihnen wollen wir mit dem neuen Service helfen.“

Lieferung als PDF binnen zwei Tagen

Und das geht so: TU-Angehörige suchen sich im digitalen Katalog der Slub das gewünschte Werk heraus, drücken auf den Bestellknopf – und bekommen binnen 48 Stunden das Digitalisat als PDF-Datei per E-Mail zugeschickt. „Ausgenommen sind aus konservatorischen Gründen jene Werke, die vor 1850 entstanden sind“, betont Bonte.

Kultusminister und VG Wort haben für Corona-Krise vereinfachte Ausnahmen vereinbart

Auch könnten keine kompletten Bücher über diesen Dienst digitalisiert werden. Rechtlich stützt sich der neue Service nämlich auf den Bibliotheks-Paragrafen 60e des deutschen Urhebergesetzes sowie auf eine Sondervereinbarung, die die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) für die Corona-Krise geschlossen haben. Demnach dürfen Bibliotheken zu nicht-kommerziellen Zwecken einzelne Artikel aus Fachzeitschriften oder bis zu zehn Prozent eines Buches digitalisieren und an jeweils einen individuellen Besteller elektronisch versenden – auch wenn eigentlich noch urheberrechtliche Ansprüche auf dem Werk liegen, die sonst einem Scan entgegen stehen. Die VG Wort wolle mit dieser Vereinbarung „ihren Beitrag dazu leisten, dass die Auswirkungen der Corona-Krise im Bildungs- und Wissenschaftsbereich besser bewältigt werden können“, hieß es von der Verwertungsgesellschaft. Die Sonder-Reglung sei bis zum 31. Mai befristet.

Blick ins
Digitalisierungszentrum
der Bibliothek (Video: Slub):

Pandemie als Katalysator der Digitalisierung

Über die aktuelle Schließzeit hinaus werde die Corona-Krise aber wohl auch ganz generell den Alltag moderner wissenschaftlicher Bibliotheken wie der Slub dauerhaft verändern, ist Direktor Bonte überzeugt. Die Pandemie wirke da wie ein Katalysator für eine Entwicklung, die sich bereits angedeutet habe: Immer mehr Forscher arbeiten ohnehin schon digital, zunehmend gefragt sind zudem nun auch elektronische Kurse für Laien wie Studenten etwa über das wissenschaftliche Arbeiten und Zitieren oder über die Methoden der Ahnenforschung. Zudem gilt die Slub seit Jahren als einer der Vorreiter für die Buch-Digitalisierung in Deutschland – das Dresdner Scan-Zentrum beteiligt sich an zahlreichen Nachdigitalisierungs-Großprojekten von nationaler Bedeutung.

Der große Lesesaal der Bibliothek. Abb.: SLUB

Der große Lesesaal der Bibliothek. Abb.: SLUB

Papiermedien immer weniger gefragt, Download-Zahlen dagegen steigen stark

„Und Papiermedien werden immer weniger genutzt“, berichtet Bonte. Zählten die Bibliothekare vor zehn Jahren noch rund 2,3 Millionen physische Entleihungen, waren es 2019 nur noch 1,2 Millionen – nahezu einer Halbierung also binnen einer Dekade. „Gleichzeitig aber laden unsere Leser mehr Werke digital herunter. 2019 waren es bereits 7,4 Millionen Downloads.“ Auch von daher investiere die Slub inzwischen zwei Drittel ihres Anschaffungsetats in digitale Erwerbungen – seien es nun elektronische Bücher, digitale Zeitschriften oder Datenbank-Zugänge. „Corona wird all den digitalen Diensten noch einmal einen deutlichen Schub geben“, meint der Direktor.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Slub-Blog, Telefon-Interview Bonte, Oiger-Archiv, Heise.de, VG Wort

Fragen und Antworten zum Corona-Scandienst sind hier auf den Slub-Seiten zu finden.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt