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CRJ 700/900 X: Wie man ein virtuelles Flugzeug entwickelt

Der CRJ 700/900 X als Lufthansa-Jet. Abb.: Bildschirmfoto JK

Der CRJ 700/900 X als Lufthansa-Jet. Abb.: Bildschirmfoto JK

„Aufgeben stand nie zur Debatte“ Chefentwickler Hans Hartmann über die Arbeit an am Bombardier-Jet CRJ 700/900 X für den Flugsimulator

Entwickler „Digital Aviation“ hat ein beliebtes Regionalstrecken-Flugzeug von Bomardier für den Flugsimulator aufbereitet: Der „CRJ 700/900 X“ hat inzwischen die ersten Flüge im Regelflugbetrieb im heimischen Simulator absolviert. Die Kundenreaktionen decken ein breites Spektrum ab: Viele sind begeistert, andere üben teils berechtigte, teils unberechtigte Kritik. Oiger-Redakteur Jan Gütter hat die CRJ einem ersten Test unterzogen, den ihr hier nachlesen könnt – und den Chefentwickler der CRJ, Hans Hartmann, zum Interview gebeten. Er hat ihn gefragt, wie es überhaupt zur Entwicklung des Kurzstreckenfliegers kam, mit welchen Schwierigkeiten er bei der Entwicklung kämpfen musste, und wie es mit der CRJ weitergeht.

Was war Ihre Motivation, ausgerechnet die CRJ umzusetzen? Gab es auch andere Kandidaten?

Hans Hartmann: Nein, die CRJ war der einzige Kandidat, da wir über Kontakte aus der Zeit von Eurowings Professional und Eurowings 2004 recht gute Kontakte zu Piloten von LH Cityline und Eurowings hatten, die den Typ geflogen sind.

Wann genau haben Sie die Arbeit an der CRJ begonnen?

Hans Hartmann: Die ältesten Dateien, die ich finden konnte, stammen aus dem Jahr 2006, gehören aber zu einem ersten CRJ-200, der später eingestellt wurde. Mit dem CRJ 700/900 habe ich erst gegen Ende 2009 angefangen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Aerosoft?

Hans Hartmann: Im Oktober 1999 hat mich Jürgen Weinberger (damals Chef der Eurowings VA) eines Abends angerufen und gesagt: „Du bist doch Programmierer. Kannst Du Gauges machen?“. Meine Antwort war damals, dass ich mal schauen müsste, wie das geht. Ich habe mir dann das SDK (Software Development Kit) vom FS2000 angesehen und es ausprobiert. Es ging, also habe ich zurückgerufen und zugesagt. Jürgen hatte damals das Projekt bereits mit Aerosoft eingefädelt und so kam es zu der Zusammenarbeit. Ich hatte allerdings auch schon ein oder zwei Jahre davor auf einer Veranstaltung mit Winfried Diekmann (Aerosoft-Geschäftsführer) gesprochen und mein Interesse bekundet, in der Richtung was zu machen.

Wer sind die Entwickler hinter der CRJ und für welche Teilbereiche waren/sind sie verantwortlich?

Hans Hartmann: Alexander Metzger, mit dem ich seit Eurowings-Zeiten zusammenarbeite, war für die Flugdynamik zuständig. Stefan Hoffmann von Aerosoft hat die Modelle und Texturen gemacht. Ingo Voigt und Mathijs Kok haben die Handbücher geschrieben. Robin Bilgil hat ebenfalls an Texturen gearbeitet. Die Sounds stammen von Turbine Sound Studios und der Rest, also sämtliche Programmierarbeiten und die XML-Programmierung für die Animationen, sind von mir.

„Das FMS ist immer der schwierigste und fehleranfälligste Teil.“

Was hat Ihnen das meiste Kopfzerbrechen während der Entwicklung bereitet? Waren es die Programmierung bestimmter Systeme oder Eigenheiten des Flugzeugs oder eher das Management des Gesamtprozesses?

Hans Hartmann: Das ist immer das FMS (= „Flight Management System“, d. R.). Egal, welcher Entwickler, welches Projekt oder welcher Flugzeugtyp. Das FMS ist immer der schwierigste und fehleranfälligste Teil.

Haben Sie während der Entwicklung auch mal ans Aufgeben gedacht?

Hans Hartmann: Nein. Die Option stand nie zur Debatte. Das wäre auch nicht fair gegenüber den anderen Teammitgliedern gewesen.

Woher haben Sie die Kraft bzw. Motivation genommen, während der fünfjährigen Entwicklungszeit nicht irgendwann hinzuschmeißen, sondern bis zur Fertigstellung durchzuziehen?

Hans Hartmann: Es waren eher sieben Jahre. Die lange Entwicklungszeit ist ja nicht nur auf die Menge an Arbeit am CRJ zurückzuführen. Da waren viele andere, zumeist berufliche Gründe für verantwortlich. Und natürlich schlussendlich die Entscheidung, keinen weiteren Programmierer dazu zu nehmen und wirklich alles selbst zu machen. An dem Punkt, wo ich dann die Erleuchtung hatte, dass diese Entscheidung ziemlich idiotisch war, war es dann zu spät und die Einarbeitung eines weiteren Programmierers hätte einfach zu lange gedauert.

Die ersten Rückmeldungen von Kunden sind überwiegend positiv, teilweise begeistert. Haben Sie damit gerechnet oder mehr Kritik erwartet?

Hans Hartmann: Es läuft immer gleich ab. Es gibt Leute, die loben einen und es gibt andere, die bringen berechtigte und konstruktive Kritik vor, die ich gerne annehme und wofür ich sehr dankbar bin. Und dann gibt es noch die – glücklicherweise kleine – Gruppe, die meint, für 50 Euro einen ICAO Type 7 (früher als Level D bekannt) Simulator erwarten zu können und die Entwickler und den Publisher auf eine Weise angehen, als hätte man ihre Kinder gefressen. Am Ende bin ich persönlich nicht sonderlich glücklich mit dem Start. Es sind einfach zu viele CTDs (Crash to Desktop) berichtet worden, die im Betatest nicht aufgetreten sind – Du warst ja selbst im Beta-Team gewesen. Mit allen anderen Problemen hätte ich leben können, aber das hat mich echt genervt.

„Tipp: über 12000 ft mal die CALL-Taste auf der Center Console drücken“

Sind Sie selbst mit dem Ergebnis zufrieden? Welcher Aspekt gefällt Ihnen persönlich am meisten an der neuen CRJ?

Hans Hartmann: Mir gefallen die Sachen am besten, wo ich mich mal abseits der eigentlichen Entwicklungsarbeit etwas „kreativ“ austoben konnte. Zum Beispiel die Startsequenz unseres Tablets namens DAVE, das Gesicht von Mathijs Kok in der SkyCam oder einfach solche Sachen, wie die Kommunikation mit der Flugbegleiterin (Tipp: über 12.000 ft mal die CALL-Taste auf der Center Console drücken). Was mir generell am besten gefällt ist weniger ein Feature, sondern es war mehr der Moment, als der Silberstreif am Horizont sichtbar und ein Ende absehbar wurde.

Gute Aussichten für Shared Cockpit Fans: CRJ könnte ein Connected Flight Deck bekommen

Wie geht es mit der CRJ weiter? Wird es über die bereits angekündigten Updates und Bug Fixes auch neue Funktionen oder Erweiterungen geben? Worauf dürfen sich die frisch gebackenen CRJ Piloten freuen?

Hans Hartmann: Die CRJ wird kontinuierlich weiterentwickelt werden. Zunächst werden erst einmal Fehler beseitigt und sobald das weitgehend abgeschlossen ist, ist das Connected Flight Deck (Fliegen mit zwei Piloten mit über Netzwerk/Internet verbundenen Rechnern) dran. Ich habe noch mehr Ideen, aber die möchte ich noch nicht öffentlich machen.

Falls es nach diesem Mammutprojekt noch eine neue Entwicklung geben wird: Was wird es sein?

Hans Hartmann: Ich weiß noch nicht, ob ich nochmal ein großes Projekt anfange. Erst einmal brauche ich jetzt Urlaub. Wenn ich mich entscheiden sollte, noch einmal etwas zu anzufangen, dann sicherlich nicht allein, sondern mit einem oder zwei zusätzlichen Programmierern. Die wichtigste Änderung wäre allerdings, dass ich das Projekt geheim halten würde, bis der Alpha- oder Betatest beginnt.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten.

Jan Gütter. Abb.: privat

Jan Gütter. Abb.: privat

Interview: Jan Gütter

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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