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Von der Camera Obscura über die Lomo bis zum Smartphone

Kurator Dr. Ralf Pulla von den Technischen Sammlungen Dresden, in der von ihm kuratierten Ausstellung "Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Hier steht er hinter einer frühen Fotokamera, deren Belichtungszeit so lange war, dass der Kopf der zu fotografierenden Menschen mit Stangen abgestützt wurde, um ein Verwackeln zu verhindern. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Ralf Pulla von den Technischen Sammlungen Dresden in der von ihm kuratierten Ausstellung „Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Hier steht er hinter einer frühen Fotokamera, deren Belichtungszeit so lange dauerte, dass der Kopf der zu fotografierenden Menschen mit Stangen abgestützt wurde, um ein Verwackeln zu verhindern. Foto: Heiko Weckbrodt

Neue Sonderschau in den Technischen Sammlungen Dresden zeigt, wie der Mensch seine Realität fotografisch festzuhalten versucht.

Dresden, 10. Juli 2019. Der Wunsch, den ach so flüchtigen Augenblick des Triumphes, der Liebe oder der Schmerzes für die Ewigkeit aufzubewahren, ist wohl so alt wie die Menschheit selbst: Davon zeugen die Höhlenmalereien in Lascaux ebenso wie der Wandteppich von Bayeux, der rasche Siegeszug der Daguerreotypien wie auch die allerorten gezückten Selfie-Smartphones unserer Zeit. Die „Technischen Sammlungen Dresden“ (TSD) haben nun dem langen Weg von der Camera Obscura bis zur digitalen Bilderwelt eine neue, faszinierende Dauerausstellung gewidmet: „Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“ zeigt Kameras, Projektoren, 3D-Filme und viele andere Exponate. Dabei haben die Museums-Modellbauer neben viele Schaustücke gleich noch Ausprobier-Experimente platziert.

Eine "Laterna Magica", die 1907 in Manchester konstruiert wurde. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine „Laterna Magica“, die 1907 in Manchester konstruiert wurde. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Welt im Spiegel fixieren

Die Entwicklung der Fotografie sei eine ganz besondere „Schlüsselerfindung“ für die Menschen gewesen und deren Wunsch, ein „Spiegelbild der Realität“ zu fixieren, betonte Museumsdirektor Roland Schwarz. Und so repräsentiere die neue Schau auch die ständige Jagd von Industrie und Fotografierenden nach immer besserer Abbildungsqualität. Doch auch die stilistische Emanzipation der Fotokunst von der Malerei ist ein Themenschwerpunkt: „Die ersten Daguerreotypien verwendeten noch ganz die Bildsprache von Gemälden“, schätzte Ausstellungs-Kurator Ralf Pulla ein. Erst später habe die Fotografie eine ganz eigene Stilistik entwickelt.

Ein Besonders Schmeckerchen in der Ausstellung: Selbstbastel-Pappkamera "Knäppa" von Ikea. Zu sehen in den  Technischen Sammlungen Dresden in der  Ausstellung "Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Foto: Heiko Weckbrodt

Ein Besonders Schmeckerchen in der Ausstellung: Selbstbastel-Pappkamera „Knäppa“ von Ikea. Zu sehen in den Technischen Sammlungen Dresden in der Ausstellung „Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Foto: Heiko Weckbrodt

Spiegelreflex aus Dresden gondelte mit dem Sojus-Raumschiff 4 durchs All

Eine ganze Vitrinenwand zeigt jene Kameras, die auf die eine oder andere Weise zur Legende wurden: Zu sehen ist beispielsweise die sowjetische „Lomo“, die nur schlechtbelichtete Fotos mit schattigem Rand zustande brachte – und mit dieser speziellen Bildsprache zum Kult wurde. Die exzellenten Leicas finden sich gleich daneben, ebenso die Dresdner „Pentacon Super“, die mit „Sojus 4“ durchs All gondelte sowie die beliebte DDR-Einstiegskamera „Beirette“ aus Freital. Ins Auge fallen aber auch eine messingglänzende britische Lochkamera in Steampunk-Optik, sowie frühe Fotoapparate, die Stunden brauchten, um Lichtbilder zu belichten – für diese Sitzungen mussten die Köpfe der Porträtierten noch mit Eisengestängen fixiert werden. Ganz modern geht es dagegen in der VR-Höhle zu: Dort können die Besucher eine Digitalbrille aufsetzen, in eine „Virtuelle Realität“ (VR) eintauchen und darin das gesamte Museum erkunden.

Erfinder Günter Peschke in den Technischen Sammlungen Dresden, Ausstellung "Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Foto: Heiko Weckbrodt

Erfinder Günter Peschke in den Technischen Sammlungen Dresden, Ausstellung „Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“. Foto: Heiko Weckbrodt

Ingenieur entwickelte in Privat-Werkstatt 3D-Filmtechnik – und wurde einziger DDR-Stereofilmer

Ein paar besondere Juwele haben Kurator Pulla und seine Mitstreiter für die 3D-Abteilung ausgegraben: Unikate von Stereo-Filmkameras und -projektoren „Made in GDR“. „Nach dem Krieg hatte es schon einmal einen 3D-Film-Boom gegeben“, erzählt der Dresdner Ingenieur Günter Peschke, der zu DDR-Zeiten erst beim Kamerawerk „Zeiss Ikon“, dann im Kombinat „Pentacon“ und schließlich im Sachsenwerk arbeitete. „Ich war fasziniert von diesen Stereoproduktionen.“ In den 1970er Jahren begann er, in seiner Freizeit eine Stereo-Filmkamera und einen passenden Projektor für 16-Millimeter-Filme zu entwickeln. Mit diesen patentierten Geräten avancierte er damals zum einzigen Stereofilmer der DDR.

Stereo-Filmkamera (links) und Stereo-Projektor, für die Günter Peschke aus Dresden 1978 ein Patent erhielt. Foto: Heiko Weckbrodt

Stereo-Filmkamera (links) und Stereo-Projektor, für die Günter Peschke aus Dresden 1978 ein Patent erhielt. Foto: Heiko Weckbrodt

Kameramann Hirsch war beeindruckt von Qualität

Als Peschke dem Dresdner Kameramann und Regisseur Ernst Hirsch ein gemeinsames 3D-Projekt vorschlug, zögerte der nicht lange: „Ich war sehr beeindruckt, mit welcher Qualität er in seiner Werkstatt diese Apparate konstruiert hat“, erinnert sich Hirsch. Und so sei schließlich mit Peschkes Technik ein Stereofilm für die Leipziger Messe zustande gekommen.

Kameramann Ernst Hirsch vor einer "Pentazet 35". Er selbst setzte die aufwendige Kamera nur einmal ein: Um für das Privatinstitut von Manfred von Ardenne das Plasmaschneiden filmisch so zu dehnen, dass das menchliche Auge den Prozess verfolgen kann. Dabei liefen 60 Meter Film in 30 Sekunden mit hohem Tempo durch die Kamera. "Nur ein kleiner Teil davon war dann wirkllich verwertbares Material", erinnert er sich.  Foto: Heiko Weckbrodt

Kameramann Ernst Hirsch vor einer „Pentazet 35“. Er selbst setzte die aufwendige Kamera nur einmal ein: Um für das Privatinstitut von Manfred von Ardenne das Plasmaschneiden filmisch so zu dehnen, dass das menchliche Auge den Prozess verfolgen kann. Dabei liefen 60 Meter Film in 30 Sekunden mit hohem Tempo durch die Kamera. „Nur ein kleiner Teil davon war dann wirkllich verwertbares Material“, erinnert er sich. Foto: Heiko Weckbrodt

Hirsch wird Drohnen-Filmer, Peschke zum Digitalisator

Neues auszuprobieren, liegt beiden Pionieren auch im Seniorenalter noch im Blut: Hirsch zum Beispiel hat sich extra für die Ausstellung erstmals als Drohnen-Kameramann betätigt und einen Film über die ehemaligen Ernemann-Kamerawerke aus der Perspektive eines unbemannten Flugvehikels gedreht. Und Peschke will seine über 40 Jahre alten Analog-Stereofilme endlich ins Digitalzeitalter retten: „Speziell dafür gibt es aber keine Standardtechnik“, sagte er. „Ich habe da schon mal eine eigene Digitalisierungsanlage gebaut…“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: TSD, Vor-Ort-Recherchen, Wikipedia

Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt sie: Steromat-Spielzeug, mit dem Kinder Stereofotos ansehen konnten, Foto: Heiko Weckbrodt

Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt sie: Steromat-Spielzeug, mit dem Kinder Stereofotos ansehen konnten, Foto: Heiko Weckbrodt

Kurzinfos:

  • Titel:  „Welt im Kasten: Foto – Kino – Video“
  • Typ: Dauerausstellung
  • Ort: Technische Sammlungen Dresden,. Junghansstraße 1, Dresden
  • Öffnungszeiten: Di – Fr 9 – 17 Uhr, Sa / So / Feiertag 10 – 18 Uhr
  • Eintrittspreise: Erwachsene 5 Euro, Kinder unter 7 Jahren: frei
  • Mehr Infos im Netz: hier
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt