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Smartphone als Soundprozessor auf der Bühne

Jam-Session auf kleinstem Raum erfolgreich - Gitarre und Galaxy sind gekoppelt - Sven testet den Sound. Foto: Sven Germeroth

Jam-Session auf kleinstem Raum: Gitarre und Galaxy sind gekoppelt. Foto: Sven Germeroth

Gitarre & Galaxy koppeln: Wie der kleine Androide heute beim Live-Musizieren helfen kann

Dresden, 21. Januar 2016. Von „Autoarzt“ bis „Zigarettenzähler“ – Smartphones und Tablets haben für fast alle Lebensbereiche mehr oder weniger nützliche Anwendungen parat. Auch im Audiobereich gibt es schon länger begehrte Helferlein. Stimmgerät, Metronom, Notenblatt oder auch mal eine App zum Fernsteuern von DAW und Mischpult sind mittlerweile gern gesehen. Der Einsatz als digitale Audioworkstation (DAW) oder als Soundprozessor für den Livebetrieb blieb den „immer-dabei“-Geräten bisher jedoch verwehrt. Mangelnde Konnektivität, eine relativ schlechte Audioqualität und vor allem zu hohe Latenzen bei der Audiowiedergabe machten das professionelle Arbeiten schlichtweg unmöglich. Das hat sich aber mit der Einführung von Android Lollipop (5.0) geändert. An Bord war neben zahlreichen Verbesserungen auch eine überarbeitete Audio-Engine mit folgenden

Keyfeatures:

– Verwendung von externen Soundkarten

– Soundprocessing mit 24 Bit / 96 kHz

– Low Latency Audio

– Floating Point Sampling

(Quelle: Geeknizer)

Damit rückt für Smartphones und Tablets der professionelle Einsatz im Audiobereich in greifbare Nähe. Ich arbeite als Gitarrist (in einem Bereich, der wertekonservativ eher auf Analogtechnik setzt) schon lange mit dem PC und seinen Möglichkeiten sowohl in der Produktion, als auch live. Der Gedanke, statt Laptop oder PC das Handy einzusetzen, welches sowieso immer dabei ist, klingt spannend.

Audio-Apps (Auswahl):

Audiosoftware für die Hosentasche gibt es schon länger. Hier ein Auszug prominenter Vertreter auf Androidsystemen:

Music Maker Jam
FL Studio Mobile
Caustic
Amplitube

Wie einleitend schon erwähnt, liegt hier der Schwerpunkt noch im Bereich der Audiotools. Sequenzer gibt es auch schon ein paar, für Recording/Ampsimulation sieht es jedoch leider noch sehr dünn aus. Die einzige mir bekannte Recording-App, die multitrackfähig ist, liefert zur Zeit extremSd mit Audio Evolution Mobile ab. Als Ampsimulation taugen z. B. AndRig und das vom PC/Mac bekannte Amplitube.

Das Galaxy hat eine Unterform des USB-Anschlusses. Foto: Sven Germeroth

Das Galaxy mitsamt Adapter-Kabel. Foto: Sven Geremeroth

USB-Adapter nötig

Um zusätzliche Hardware am Smartphone anzuschließen, braucht man einen OTG-Adapter, welcher den Micro-USB-Port in einen Standard-USB Port verwandelt. Ein On-The-Go Kabel ist bereits für ein paar Euro zu haben.

Die beiden Seiten des OTG-Adapters. Foto: Sven Germeroth

Die beiden Seiten des OTG-Adapters. Foto: Sven Germeroth

Wie bereits vermutet, konnte ich größere Soundkarten (z. B. mein Rig Kontrol) nicht verwenden. Eine Liste kompatibler Geräte fand sich leider nicht so ohne Weiteres. Allerdings führen einige Hardware- und Softwarehersteller eigene Kompatibilitätslisten. So kann man sich z. B. an dieser Liste von eXtreamsd orientieren.

IK Multimedia stellte als Pionier in diesem Bereich mit seiner iRig-Serieschon früh eine Speziallösung zur Verfügung, welche teilweise sogar noch mit älteren Android Versionen kompatibel ist, und wahrscheinlich perfekt auf Amplitube angepasst ist.

Behringer 102-Soundkarte. Foto: Sven Germeroth

Über die Behringer-Soundkarte lassen sich Gitarre und Smartphone koppeln. Foto: Sven Germeroth

Test mit Galaxy und Gitarre

Meine Wahl fiel letztlich auf die Behringer Guitar Link UCG 102. Zum Proben ging ich mit ihr heute einfach mal in die Küche. Begleitet wurde ich von meiner Gitarre, dem Galaxy S5 und meinem Kopfhörer. Meine ersten Gehversuche startete ich mit der DAW Audio Evolution Mobile. Mit zwei Clicks hatte ich den Schlagzeugtrack im Projekt und schon konnte ich losjammen! Die Amp-Simulationen Amplitube und Andrig machen ebenfalls Spaß. Die Proberunde hat mich überzeugt. Mein kleiner Androide wird für mich demnächst öfter das Mittel der Wahl sein, wenn es ums Musizieren geht.

Doch Vorsicht! Auf meinem Weg zu einem funktionierenden Setup habe ich schnell festgestellt, dass dieses Konzept noch sehr neu ist. Die ersten getesteten Soundkarten, selbst der erste OTG Adapter, wiesen Inkompatibilitäten bzw. Störungen im Audiosignal auf.

Gelegentlich ist Handy-Neustart ratsam

Es kann also etwas fummlig werden, bis man eine funktionierende Hard-Softwarekombination aufgesetzt hat. Kompatibilität und simples Plug & Play werden sicher noch eine Weile auf sich warten lassen. Von einer brauchbaren Live- oder Recording-Lösung für den Ernstfall ist daher ebenfalls abzuraten. Neben den bereits beschriebenen Hardwareproblemen musste ich auch ab und zu das Handy neu starten, da die Soundkarte nach einem Wechsel der Audioapp nicht immer korrekt erkannt wurde. Hinzu kommt letztlich, dass die Auswahl an vorhandenen Apps wirklich überschaubar ist, und die meisten Vollversionen auch richtig ins Geld gehen.

Und trotzdem – mit etwas Geduld kommt man auch hier zum Ziel, und die neue Leichtigkeit macht letztendlich richtig Spaß! Dieses Gefühl hatte ich das letzte Mal vor vielen Jahren mit dem VOX amPlug.

Probe in der Küche. Foto: Sven Germeroth

Probe in der Küche. Foto: Sven Germeroth

Fazit: Für Proben reichen Smartphones heute allemal aus

Für die nächste „mal schnell zwischendurch“-Probe in der Küche oder Songwriting unter freiem Himmel an der Elbe reichen die Audiofunktionen aktueller Smartphones locker aus, und die richtige Soundkarte vorausgesetzt darf es sogar etwas mehr sein.

Wer auf besondere Effekte verzichten kann, dem sei das Musizieren mit Androiden der Betriebssystem-Version Lollipop (also Android 5.0) ans Herz gelegt. Ausprobieren kostet nichts und das Ergebnis ist für die genannten Anwendungsfälle durchaus brauchbar.

Die Anzahl der kompatiblen Hardware wird steigen. Sobald dann auch noch die entsprechenden Effekte zur Verfügung stehen, wird es richtig spannend.

Autor: Sven Germeroth

Unser Autor Sven Germeroth ist Entwickler in der Multimedia-Softwareschmiede „Magix“, lebt in Dresden und ist Metal-Fan.

Zum Weiterlesen:

Music Maker Jam im Test

Google Cardboard: Erste Erfahrungen im Cyberspace

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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