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Stange: Müssen sächsische Hochschulen jetzt zukunftssicher machen

Eva-Maria Stange. Foto: Götz Schleser

Eva-Maria Stange. Foto: Götz Schleser

Sachsens Wissenschaftsministerin im Oiger-Interview

Dresden, 3. Februar 2015: Für eine neue Biotech-Offensive des Landes sieht die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) derzeit keinen Spielraum – spricht sich aber für Förderschwerpunkte in der Mikroelektronik, Energiespeicher- und Ressourcen-Forschung aus. Die sächsischen Hochschulen sollen bis 2025 von weiteren Stellenkürzungen verschont bleiben und bis dahin so profiliert sein, dass sie auch das Ende zahlreicher Förderprogramme verkraften können. Zudem will Stange gegen den Trend hin zu immer kürzer befristeten Forscherstellen an den Unis vorgehen. „Oiger“-Redakteur Heiko Weckbrodt hat sie in einem Interview dazu befragt:

Oiger: Welche Prioritäten wollen Sie in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik setzen?

Eva Maria Stange: Eines der größten Vorhaben wird eine neue Hochschul-Entwicklungsplanung ohne Stellenabbau und für einen recht langen Zeitraum von acht Jahren sein, von 2017 bis 2025. Wir müssen unsere Hochschulen jetzt zukunftsfähig machen, denn zwischen 2020 und 2025 versiegen viele Förderquellen: der Hochschulpakt, die EFRE- und ESF-Mittel von der EU, die Exzellenzinitiative…

Wird da vom Bund gar nichts mehr kommen?

Stange: Für Mitte 2016 erwarten wir die Entscheidung darüber, ob und wie die Exzellenzinitiative fortgesetzt wird. Auch steht zur Debatte, dass der Bund möglicherweise in Zukunft die Betriebskosten für Superrechner in den Ländern mit übernimmt, was zum Beispiel auch für den neuen Supercomputer der TU Dresden wichtig wäre.

Befristete Stellen an Unis eindämmen

Viel Kritik gab es in der jüngeren Vergangenheit wiederholt am Trend an den Hochschulen, wissenschaftliche Mitarbeiter nur befristet, teils auch aufeinanderfolgend für jeweils nur sehr kurze Zeit einzustellen. Wird sich daran etwas ändern?

Stange: Ich möchte in Absprache mit den Hochschulen eine Mindestdauer für solche Beschäftigungsverhältnisse einführen und den Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse eingrenzen. Da hat sich etwas entwickelt, dass gar nicht dafür geeignet ist, dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Perspektive zu geben. Natürlich will ich mich nicht über die Hochschul-Autonomie hinwegsetzen, über die Verbindlichkeiten werden wir eben diskutieren müssen. Aber dass sich befristete Verhältnisse zumindest an der Gesamtlaufzeit eines Projekts orientieren und im Grundsatz nicht mehr kürzer als ein Jahr vereinbart werden sollten, halte ich für eine faire Forderung. Und da denke ich nicht nur an die Forschung, sondern auch an die vielen gesplitteten und befristeten Arbeitsverhältnisse in der Lehre.

Wo sehen Sie Stärken oder Schwächen wichtiger Hochschulstandorte, wo sehen Sie Bedarf für Umprofilierungen?

Stange: Die Hochschule Mittweida zum Beispiel hat sich in der Laserforschung als konkurrenzfähig mit den Universitäten erwiesen, auch in den Medienwissenschaften, das sollte man unterstützen. Dresden hat in vielerlei Hinsicht seine Besonderheiten, hat eine außerordentlich breit aufgestellte Technische Universität und ein sehr dichtes Netz zusammen mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen geknüpft. Das ist ein zukunftsweisendes Konzept. Die Leipziger Uni wiederum ist zuallererst eine geisteswissenschaftliche Universität mit vielen kleinen, aber interessanten „Orchideen-Fächern“, die man weiter ausbauen sollte. Das hat aber die Uni selbst in der Hand.

 

Eva Maria Stange: „Für eine weitere Biotech-Offensive sehe ich derzeit keine Möglichkeiten.“

 

Wird der Freistaat in naher Zukunft eigene Exzellenzinitiativen oder Sonderprogramme auflegen, um ausgewählte Schwerpunktthemen stärker zu entwickeln? Die Biotech-Leute insbesondere in Dresden zum Beispiel dringen ja schon länger auf eine zweite sächsische Biotech-Offensive.

Stange: In die Biotechnologie hat der Freistaat schon viel hineingesteckt. Das braucht seine Zeit, bis sich das auch wirtschaftlich in die Breite entwickelt. Für eine weitere Biotech-Offensive sehe ich derzeit keine Möglichkeiten.

Wir werden aber natürlich in der Forschung das weiterfördern, was einmal angefangen wurde. In der Mikroelektronik wird es sicher noch einen Ausbau geben, zum Beispiel mit Fraunhofer zusammen, aber auch mit Blick auf Mikroelektronik-Studiengänge an den Hochschulen. Zu erwägen ist auch, ob wir uns verstärkt für die Batterie- und Energiespeicher-Forschung engagieren und in der Ressourcenforschung in Freiberg und in Rossendorf.

Als die Sächsische Landes- und Uni-Bibliothek SLUB in einen Staatsbetrieb umgewandelt wurde, um ihr mehr Autonomie zu geben, gab es einige Kritik, auch von der damaligen Opposition. Nun ist die SPD in der Regierung – werden Sie da an diesem Rad noch einmal drehen?

Stange: Wir werden die neue Rechtsform sicher nicht rückgängig machen, auch wenn ich persönlich das damals anders gemacht hätte. Aber ich habe in letzter Zeit kaum noch Kritik gehört und auch die Befürchtung der TU, in einem Staatsbetrieb zu wenig Mitsprache zu haben, hat sich offensichtlich nicht erhärtet.

2,5 Millionen Euro pro Jahr für Kulturgut-Digitalisierung an der SLUB Dresden

Der SLUB hat ja im Digitalisierungsprogramm des Landes eine besondere Rolle übernommen. Sind dafür weitere Programme geplant?

Stange: Wir werden der SLUB jährlich 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um wertvolles Kulturgut aus ganz Sachsen zügiger digitalisieren zu können – also nicht nur SLUB-Bestände, sondern auch aus anderen Einrichtungen. Und wir sehen auch, dass insbesondere die Archivierung der so digitalisierten Kulturgüter sehr kostenintensiv ist.

Nun wollen Sie ja im Juni zur Oberbürgermeisterin in Dresden gewählt werden. Heißt das, dass schon bald das Wissenschaftsministerium ohne Führung dasteht, weil Sie sich vorher auf den Wahlkampf konzentrieren wollen, und dass all das eben Gesagte zur Makulatur wird?

Stange: Ich bleibe bis zum Wahltag im Amt, nehme mir höchstens kurz vorher ein paar Urlaubstage. Wenn ich dann gewählt werde, gebe ich natürlich das Amt ab. Aber worüber wir gesprochen haben, fußt auf dem Koalitionsvertrag und der gilt in jedem Falle weiter.

Interview: Heiko Weckbrodt

Kurzbiografie:

Eva Maria Stange wurde 1957 in Mainz geboren. Sie lebt seit 1974 in Dresden. Sie studierte an der Pädagogischen Hochschule Dresden Lehrerin für Mathe und Physik, dort errang sie auch ihren Doktor-Titel. Von 1981 bis 1988 war sie Mitglied der SED. Nach der politische Wende war sie für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tätig. Schon während der ersten großen Koalition in Sachsen war sie von 2006 bis 2009 für die SPD Ministerin für Wissenschaft und Kunst, 2014 wurde sie erneut in diese Position berufen. Sie tritt im Juni 2015 als überparteiliche Kandidatin für das Oberbürgermeister-Amt in Dresden an. Sie wird insbesondere von SPD und Grünen unterstützt.

Zum Weiterlesen:

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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