Rang 7 im Bundesvergleich erreicht, aber Defizite bei privater Forschung
Dresden, 6. März 2013: Sachsen hat sich im Bundesvergleich in den vergangenen Jahren technologisch vorgearbeitet. Die eher kleinteilige Wirtschaft gibt allerdings immer noch zu wenig für eigene Entwicklungen aus. Zudem hat Sachsen eine zu hohe Schulabbrecherquote sowie Probleme, Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte zu verwandeln. Das geht aus den „Sächsischen Technologiebericht 2012“ hervor, den Forschungsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) und Dr. Jutta Günther vom Wirtschaftsforschungsinstitut IWH Halle heute in Dresden präsentiert haben.
Schorlemer: Freistaat soll 2020 zu führenden Regionen Europas gehören
„Der Bericht zeigt: Der Freistaat hat sich kontinuierlich auf vielen wichtigen Innovationsfeldern verbessert“, kommentierte Schorlemer das 374-seitige Zahlen- und Analysewerk, das IWH sowie die Berliner Euronom GmbH und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) aus Karlsruhe für die Ministerin angefertigt hatten. Der Trend stimme sie optimistisch, so Schorlemer, dass der Freistaat das Potenzial besitze, „im Jahr 2020 zu den wissenschaftlich und wirtschaftlich führenden Regionen in Europa zu gehören“.
Die Wirtschaftsforscher hatten für den Bericht 168 Indikatoren von der Schulabbrecherquote über die Patentanmeldungen bis zu den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F/E) in den Betrieben ausgewertet und die Sachsen-Werte mit anderen Regionen verglichen. Daraus generierten sie einen „Innovations-Index“. Und in diesem Ländervergleich hat sich Sachsen von Platz 9 im Jahr 2004 auf Rang 7 im Jahr 2010 (jüngere Zahlen sind noch nicht ausgewertet) vorgearbeitet – vor allen anderen Ostländern und einigen alten Bundesländern.
2,88 Prozent Forschungsquote – vor allem durch Staat und Unis
Zugelegt hat Sachsen vor allem bei einem Kernkriterium, dem Verhältnis der F/E-Ausgaben zur Wirtschaftsleistung (BIP): Mit 2,88 Prozent erreicht der Freistaat beinahe das EU-Ziel von drei Prozent. Er liegt nun auf Platz fünf unter allen deutschen Bundesländern und über dem Bundesschnitt von 2,8 Prozent.
Allerdings stützen vor allem die staatlichen und die Hochschul-Forschungsausgaben das gute Resultat, während die privaten F/E-Ausgaben unterdurchschnittlich bleiben. Dies liegt nach Meinung der Analysten vor allem an der kleinteiligen Wirtschaft im Freistaat, in dem kaum Konzernzentralen mit ihren großen Forschungszentren à la BMW, Mercedes oder VW angesiedelt sind. So sind in Sachsen 63 Prozent der privaten Entwickler in kleinen und mittleren Unternehmen angestellt – im Bundesdurchschnitt sind es nur 17 Prozent.
Sachsens Professoren sind auf Zack
Deutlich aufgeholt haben dafür die hiesigen Hochschulen und Unis, die inzwischen überdurchschnittlich viel Drittmittel zum Beispiel von Industrie, Stiftungen und Forschungsgesellschaften einwerben. Im Schnitt akquiriert jeder sächsische Professor so 360 650 Euro pro Jahr (Bundesdurchschnitt: 261 700 Euro). Dies ist im Deutschlandvergleich ein Spitzenwert, der besonders zu würdigen ist, da viele ostdeutsche Dozenten nach der Wende nahezu ohne Westkontakte dastanden. Auch bei der Akademikerquote nimmt der Freistaat einen Spitzenplatz ein: Jeder dritte erwachsene Sachse hat einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss, deutschlandweit liegt dieser Anteil nur bei einem Viertel.
Sorgenkinder: Jeder Zehnte verlässt Schule ohne Abschluss
Anlass zu Sorge gibt dagegen der Nachwuchs: Nicht nur, dass die Geburtenzahlen – außer in wenigen Städten wie Dresden und Leipzig – sinken, sondern auch die Ausdauer der Schüler lässt zu wünschen übrig. Während in den alten Bundesländern der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss seit Jahren sinkt und nun bei etwa 5,5 Prozent liegt, ist er in Sachsen auf rund zehn Prozent gestiegen.
Sachsen machen zu wenig aus ihren Erfindungen
Erheblichen Nachholbedarf sehen die Studienautoren auch in bei den sächsischen Forschungserträgen: Erfunden und entwickelt wird zwar recht viel im Dreieck Dresden-Leipzig-Chemnitz, aber produziert werden die Früchte dieser Arbeit dann oft genug im Ausland – eine Strukturschwäche, mit der im Übrigen nicht nur Sachsen, sondern ganz Deutschland kämpft.
Als jüngstes Beispiel sei hier nur die organische Elektronik genannt: Technologisch gehört der Raum Dresden in dieser jungen Sparte zu den internationalen Spitzenreitern. Doch die Ideen, daran anknüpfend in Sachsen auch jobträchtige große Fabriken für organische Bildschirme und Leuchten hochzuziehen, sind gescheitert. Und so verdienen die sächsischen Pioniere zwar mit am aktuellen Boom der Organischen Leuchtdioden (OLEDs), die Endprodukte aber stellen Werke in Westdeutschland, Holland oder Asien in Massen her. Ähnlich erging es „Plastic Logic“: Zwar werden die innovativen biegsamen Bildschirmpaneele aus Kunststoff in Dresden gefertigt, aber aus dem Ansatz, daraus selbst marktfähige eBuch-Lesegeräte zu machen, wurde nichts. Heiko Weckbrodt
-> Den Sächsischen Technologiebericht kann man hier herunterladen
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