
Freiberg ist das deutsche Rückgrat für Solarworld geworden. Seit 2000 investierte das Unternehmen hier eine Milliarde Euro. Abb.: Solarworld
Freiberg, 9.9.2011: Das Bonner Photovoltaik-Unternehmen „Solarworld“ hat inzwischen rund eine Milliarde Euro in den Standort Freiberg investiert. Das teilte Solarworld-Sprecher Susanne Herrmann auf Oiger-Anfrage mit. „In den fünf Tochtergesellschaften der Solarworld AG am Standort sind derzeit 1800 Mitarbeiter – inklusive Azubis, Zeitarbeiter etc. – beschäftigt“, informierte sie. Zum Vergleich: Als das Unternehmen die frühere Bayer Solar Freiberg im Jahr 2000 übernommen hatte, waren es zirka 100 Mitarbeiter.
Wurzeln beim VEB Spurenmetalle
Inhalt
Die Standortgeschichte vereint gewissermaßen zwei Topoi: den DDR-Großbetrieb, der zum Miniunternehmen schrumpfte und die Kellerfirma, die zum Vorzeigebetrieb wurde. Die Wurzeln liegen beim VEB Spurenmetalle Freiberg, der ab 1959 Technologien entwickelte, um seltene Werkstoffe wie Germanium, Titan, Tantal oder Indium für die ressourcenarme DDR aus Melangen und Abfällen zu gewinnen. Mit dem Aufstieg der Mikroelektronik entwickelte sich der Betrieb zu einem zentralen Lieferanten von Reinstsiliziumscheiben (Wafern) für die Chipindustrie der DDR und im ganzen Ostblock.

Die Luftaufnahme zeigt die Dimensionen des heutigen Solarworld-Standortes-Freiberg. Abb.: Solarworld
Nach der politischen Wende stand der Betrieb schien der Betrieb mit seinen zirka 1800 Mitarbeitern vor dem Aus zu stehen. Durch politische Eingriffe, das Engagement von Beschäftigten und westdeutschen Investoren spaltete sich das Unternehmen schließlich in drei – letztlich sehr erfolgreiche – Spartenfirmen auf: Das Hauptgeschäftsfeld „Elektronik-Wafer“ wurde von Wacker-Siltronic übernommen und massiv ausgebaut, das Spezialfeld Gallium-Arsenid-Halbleiter gibng an die israelische Federmann-Gruppe.
Von der Kellerbude zum Standort von internationalem Rang
Außerdem übernahm Bayer 1994 ein paar Siliziumsägen und 19 Beschäftigte und baute in einem früheren Spurenmetalle-Keller eine Solar-Wafer-Fertigung auf. Im Zuge von Öko-Boom und Einspeisegesetzen wuchs die Firma überraschend schnell: Ende der 90er hatte Bayer Solar Freiberg bereits reichlich 100 Mitarbeiter, war Europas größter Anbieter von Solar-Wafern und erreichte einen Weltmarktanteil von 20 Prozent.
Dennoch stieg der Mutterkonzern kurz danach aus dem Solargeschäft ganz aus und verkaufte den Freiberger Standort für über 100 Millionen Euro an den früheren Grünen-Politiker Frank Asbeck, der 1998 in Bonn das Ingenieurunternehmen „Solarworld“ gergündet hatte. Danach begann eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Asbeck pumpte im folgenden Jahrzehnt rund eine Milliarde Euro in den Ausbau des Standorts – finanziert mit Börsenunterstützung und bald auch aus eigenen Gewinnen. Damit erreichte einerseits die Wafer-Fertigung solch eine kritische Masse, dass sich Solarworld Freiberg – anders als viele andere deutsche Photovoltaik-Unternehmen – trotz der erstarkenden Konkurrenz aus China behaupten konnte.
Vor allem aber integrierte Asbeck nach und nach nahezu alle Glieder der Wertschöpfungskette in Freiberg, von der Silizium-Wiedergewinnung und Forschung bis hin zum Handel mit fertigen Solarmodulen. Diese sind in fünf Töchterunternehmen organisiert:
- Deutsche Cell GmbH (Herstellung von Solarzellen)
- Deutsche Solar GmbH (Herstellung von Solarwafern)
- Solar Factory GmbH (Herstellung von Solarmodulen)
- Sunicon GmbH (Veredlung von Silizium, Recycling und Bearbeitung verschiedener Siliziummaterialien)
- SolarWorld Innovations GmbH (Forschung und Entwicklung)
Gesamte Wertschöpfungskette in Freiberg integriert
Auch das half, manche Krise zu bewältigen, da zum Beispiel der Preisdruck auf Solarzellen und fertige Module kaum gleichzeitig einsetzt und somit Stützeffekte eintreten. „Freiberg war einer der ersten vollintegrierten Photovoltaikstandorte weltweit, das heißt, hier werden alle photovoltaischen Wertschöpfungsstufen vom Wafer bis zum fertigen Solarmodul hergestellt“, stuft Sprecherin Herrmann die besondere Bedeutung des Standorts im Unternehmensverbund ein. „Ferner ist Freiberg ist der einzige deutsche Produktionsstandort der SolarWorld AG und Sitz der SolarWorld-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft.“
Nach Wachstumsschub schwächelt der Konzern-Umsatz inzwischen
Der Konzern „Solarworld“beschäftigt weltweit insgesamt 2729 Mitarbeiter an zehn Standorten und setzte im vergangenen jahr insgesamt 1,3 Milliarden Euro um, 28,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Konzerngewinn stieg um 48 Prozent auf 87,2 Millionen Euro. In diesem Jahr hat sich das Geschäft allerdings bereits deutlich eingetrübt: Im ersten Halbjahr 2011 sank der Umsatz um zwölf und der Konzerngewinn um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Verantwortlich dafür sind anscheinend der Preisverfall der Solaranlagen sowie schwankende politischen Rahmenbedingungen und die teils sinkende Nachfrage nach Photovoltaik-Module auf solch wichtigen Märkten wie Deutschland und Italien. Für das zweite Halbjahr rechnet Asbeck mit einem stabilen bis wachsenden Umsatz, er will auch in Freiberg weiter investieren.
Heiko Weckbrodt
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In der folgenden Videoreihe besucht der Wissenschaftsjournalist Jean Pütz die Freiberger Solwarworld-Betriebe und erklärt die Kette vom Silizium zum Solarmodul:
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