News, Wirtschaft
Schreibe einen Kommentar

Ein Physiker macht weltweit die Chipbuden sauber

DAS-Chef Horst Reichardt (r.) zeigt dem Dresdner Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eine für Taiwans Chipfabriken neuentwickelte Abgasreinigungsanlage für Nassbänke. Foto: Jan Luther, DAS

DAS-Chef Horst Reichardt (r.) zeigt dem Dresdner Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eine für Taiwans Chipfabriken neuentwickelte Abgasreinigungsanlage für Nassbänke. Foto: Jan Luther, DAS

Dresdner DAS-Abgasreiniger sind in Mikroelektronik begehrt

Dresden, 17. Juli 2013: Was die Mikroelektronik nicht so gerne laut herausposaunt: Chipfabriken erzeugen nicht nur tolle Computerherzen, sondern auch gefährliche Gase als Nebenprodukt. Damit die nicht die Tierwelt in weitem Umkreis vergiften oder Reinräume in Flammenmeere verwandeln, sind raffinierte Abgas-Reinigungsanlagen nötig – und die kommen in vielen Fällen von Dr. Horst Reichardt aus Dresden. Dessen Unternehmen „DAS Environmental Expert“ steht für Umweltschutzanlagen, die weltweit zu Tausenden in Chip- und Solarfabriken eingesetzt werden. Und die Nachfrage wächst, wie der Physiker und Firmenchef Reichardt bei einem Besuch von Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) berichtete.

Tote Vögel an der DDR-Chipschmiede ließen stutzen

Dass die Umweltschutztechnik vom südlichen Dresdner Stadtrand international in der Halbleiterbranche so gefragt ist, hängt auch mit jahrzehntelangen Erfahrungen in der Mikroelektronik zusammen: Reichardt, der ursprünglich Schiffbau lernte, Physik studierte und dann bei der zentralen DDR-Chipentwicklungs-Schmiede ZMD landete, war das Problem schon früh aufgefallen. „Wir haben uns immer gewundert, warum am ZMD-Schornstein so viele tote Vögel herumlagen“, erinnert er sich. Eine Analyse zeigte schließlich, dass dafür die Restgase verantwortlich waren, die bei der Erzeugung superfeiner Rechnerstrukturen auf Silizium entstehen: teils hochentzündliche, die bei bloßem Luftkontakt brennen, andere hochtoxisch für Mensch und Tierwelt. Und was da in einer eher kleinen Forschungsfabrik wie in Dresden die Vögel tötete, könnte in einer der großen Megafabriken der Chipbranche katastrophale Folgen haben.

Mittelständler operiert weltweit

Die ersten – noch vor der Wende erdachten – Reinigungsverfahren für diese Abgase entwickelte der Physiker nach dem Zusammenbruch der DDR-Mikroelektronik weiter, gründete dafür mit der DAS 1991 eine eigene Firma mit zunächst zehn Mitarbeitern. Anfangs stand das Unternehmenskürzel für „Dünnschicht-Anlagen-Systeme“. Doch weil sich die Umwelttechnik als internationaler Knüller erwies, benannte sich der Betrieb in „DAS Environmental Expert GmbH“ um. Bald war das frühere Elektromat-Gelände in Klotzsche zu klein für das wachsende Unternehmen, 2009 zog die DAS schließlich in einen Neubau an der Goppelner Straße um. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen weltweit 246 Mitarbeiter, darunter etwa 130 in Dresden, der Rest in Niederlassungen in Taiwan, China, Argentinien und anderswo.

Die Anlagen, die hier konstruiert werden, haben den Dresdnern laut Einschätzung Reichardts eine international führende Position verschafft: Sie verbrennen gefährliche Abgase, die vor allem in Chip-, Solar- und Bilschirmfabriken entstehen, und reinigen sie dann weiter in einem Laugebad, so dass am Ende leicht entsorgbare Reststoffe stehen – 75 Prozent der Anlagen gehen in den Export. „Phänomenal, wie aktiv unser Mittelstand im Ausland ist“, freute sich Bürgermeister Hilbert beim DAS-Besuch im Zuge seiner Unternehmens-Sommertour.

DAS-Umwelttechnik auch für Umstieg auf 450-mm-Wafer vobereitet

DAS-Entwicklungsingenieur Tino Tanneberger justiert eine für TSMC Taiwan neuentwickelte Abgasreinigungsanlage für Nassbänke.Foto: Heiko Weckbrodt

DAS-Entwicklungsingenieur Tino Tanneberger justiert eine für TSMC Taiwan neuentwickelte Abgasreinigungsanlage für Nassbänke.Foto: Heiko Weckbrodt

Das hohe Technologie- und Qualitätsniveau der DAS-Geräte hat sich eben herumgesprochen: Erst kürzlich hat der weltweit größte Chip-Auftragshersteller TSMC aus Taiwan Neuentwicklungen bei den Dresdnern bestellt. Auch werden die DAS-Anlagen wahrscheinlich beim nächsten großen Technologiesprung der Halbleiterbranche, beim Umstieg von 300 auf 450 Millimeter große Siliziumscheiben (Wafer) zum Einsatz kommen.

Diese und weitere Aufträge aus Fernost, Amerika und Europa haben der Firma einen neuen Wachstumsschub verschafft. Der Geschäftsführer rechnet in diesem Jahr mit etwa 25 Millionen Euro Umsatz, etwa zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Mär von Billiglohnparadies Asien überholt

Der große Erfolg in Fernost hat allerdings auch seine Kehrseiten: Vor allem die Taiwanesen drängen die Dresdner immer insistiver, in Nationalchina nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu produzieren, wie Reichardt erzählt. „Aber wir haben das durchgerechnet: Unterm Strich würde dies unsere Anlagen um 30 Prozent verteuern, weil die Kosten dort so hoch wären.“ Die Mär vom Billiglohnparadies Asien sei längst überholt, sagt der Firmenchef. „Das haben auch die Amerikaner inzwischen erkannt und verlagern ihre Produktionskapazitäten wieder zurück, wie wir über unsere US-Kunden bemerkt haben.“

Neues Geschäftsfeld Abwasser soll gegen Chipkrisen schützen

Ohnehin ist Reichardt auch ein vorsichtiger Mann, der viel Wert darauf legt, dass die DAS ein inhaber- und familiengeführter Mittelständler in Deutschland ist, innovativ bleibt und dabei solide wirtschaftet. Daher hat die Firma inzwischen mit der biologischen Abwasser-Aufbereitung ein neues Geschäftsfeld aufgemacht, dass für Sicherheit in Krisenzeiten sorgen soll. Bisher machen diese Umweltreaktoren für die Lebensmittelindustrie und Pharmazie erst zehn Prozent des Umsatzes aus – Reichardt rechnet aber damit, dass dieses Segment in naher Zukunft mehr Geld einbringt als die Geschäfte mit der Chipindustrie.

Ökoprofit: Umweltschutz auch unternehmensintern

Wofür die DAS nach außen steht, nämlich Umweltschutz, exerziert sie übrigens auch firmenintern vor: Im Zuge des „Ökoprofit“-Projektes stieg sie zum Beispiel auf beidseitige Dokumentenausdrucke um, reduzierte den Wasserdruck im Unternehmenssitz und auch die Parkplatzbeleuchtung. Seitdem spart der Betrieb fast 100.000 Blatt Papier pro Jahr, 2660 Kubikmeter Abwasser pro Tag und 9800 Kilowattstunden Energieverbrauch im Jahr.

 DAS-Chef Horst Reichardt (l.) zeigt Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eine neuentwickelte biologische Reinigungsanlage für Pools und Gartenteiche, die den Chloreinsatz auf Privatgrundstücken senken soll. Foto. Heiko Weckbrodt

DAS-Chef Horst Reichardt (l.) zeigt Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eine neuentwickelte biologische Reinigungsanlage für Pools und Gartenteiche, die den Chloreinsatz auf Privatgrundstücken senken soll. Foto. Heiko Weckbrodt

Pool-Reaktor für Chlorhasser

Sogar die „Konsumgüterproduktion“ – wie sie ja schon zu DDR-Zeiten immer wieder von den großen Industrie-Betrieben gefordert wurde – behält der Chef im Auge: Die neueste DAS-Entwicklung ist ein biologischer Wasserreinigungsreaktor für private Swimming-Pools und Gartenteiche – deren Effizienz derzeit von badefreudigen DAS-Mitarbeitern auf dem Firmengelände, wo die Testanlage samt Pool steht, ausprobiert wird. „Die machen das Wasser keimfrei“, pocht der Chef auf ein Sichtfenster des mannshohen Reaktors, in dem Mikroben sich um Kunststoffkugeln klammern und die Keime aus dem Wasser fressen. „Wer Chlor nicht mag und umweltfreundlich sein will, für den ist das das Richtige.“ Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Dresdner Organikreaktoren säubern Kartoffelwasser fürs Bauernfrühstück

EU macht 100 Millionen für Chipentwicklung locker

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: News, Wirtschaft

von

Heiko Weckbrodt hat Geschichte studiert, arbeitet jetzt in Dresden als Wirtschafts- und Wissenschaftsjournalist und ist Chefredakteur und Admin des Nachrichtenportals Oiger. Er ist auch auf Facebook, Twitter und Google+ zu finden.

Schreibe einen Kommentar