Internet & IoT, Recht & Justiz
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Sittenverfall im Internet – Hass-Kommentare auf Facebook

Abb.: Facebook

Abb.: Facebook

Seit ein paar Wochen liegen sie bei mir im elektronischen Postkasten, eine Liste von Hasskommentaren, die in Facebookgruppen gepostet wurden, die sich mit Natascha Kampusch beschäftigen. Zusammen mit meinem Freund und Blogger Heiko habe wir uns diese Kommentare genauer angesehen und dabei festgestellt: Der Verfall der guten Sitten erlebt im Internet ein Revival ungeahnten Ausmaßes. Hier nun unsere Meinung zu solchen Hasskommentaren, die darauf abzielen, Menschen zu beleidigen und zu verleumden.

Du Nutte! – Wer würde sich so etwas gefallen lassen?

Ronny: Würdet ihr einen eurer Mitmenschen direkt als Nutte, Schlampe oder Miststück bezeichnen? Je nach Alter kann dies schon vorkommen. Gerade auf deutschen Schulhöfen ist dieser Jargon Gang und Gebe. Dass es sich dabei meistens um Kinder oder Pubertierende handelt, wird von den meisten Menschen berücksichtigt. Manchmal folgt darauf ein klärendes Gespräch, manchmal überhört man solche Äußerungen aber auch einfach. Würde man von einem Erwachsenen aber als Nutte bezeichnet werden, hätte dies mit Sicherheit ganz andere Konsequenzen.

Heiko: Die Rechtsprechung sagt dazu üblicherweise sinngemäß: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Sprich: Wer wie Natascha Kampusch mit ihrer Geschichte und damit ihrem Privatleben an die Öffentlichkeit geht, muss es auch erdulden, dass ihre Privatsphäre – nicht aber die im deutschen Presserecht nahezu absolut geschützte Intimsphäre! – öffentlich und damit auch im Internet diskutiert wird.

Das hat aber Grenzen: „Schlampe” zum Beispiel ist zweifellos eine herabwürdigende Bezeichnung und mit solcher Wortwahl bekleckert sich ein Kommentator im Übrigen auch nicht mit Ruhm. Als Ausgangspunkt einer Klage würde dieses Wort hier meines Erachtens nicht ausreichen, da die Bedeutung zu dehnbar ist. Dagegen muss sich Natascha Kampusch – rechtlich gesehen – nicht als “Nutte” beschimpfen lassen. Denn dies ist nicht nur eine infame Verdrehung ihrer eher traurigen Geschichte, sondern auch eine dem Gegenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung, bezeichnet „Nutte” doch eine Frau, die gewerbsmäßig Sex gegen Geld (oder geldwerte Vorteile) freiwillig anbietet.

Auch das Internet gehört zum echten Leben

Ronny: Was im echten Leben gilt, scheint jedoch im Internet keine Anwendung zu finden. Da wird gemotzt, beleidigt und verleumdet was das Zeug hält. In manchen Foren oder Fangruppen kommt man sich bereits vor wie auf einen der oben benannten Schulhöfe. Nur mit einem Unterschied: In diesen Foren und Gruppen kommentieren zumeist erwachsene Menschen, die eine Familie haben und hier etwas äußern, was sie im echten Leben wahrscheinlich niemanden direkt ins Gesicht sagen würden.

Heiko: Ich bin da etwas hin- und hergerissen: Auf der einen Seite ist das Netz traditionell ein Raum der wirklich freien Meinungsäußerung und dies ist ein Wert an sich. Anderseits tummeln sich im Internet inzwischen dermaßen viele Angehörige der geistigen Unterschicht, die sich an keine Netikette halten, und die außer legasthenischem Geifer kaum etwas abzusondern vermögen, dass ich darin kaum noch einen überwiegenden gesellschaftlichen Nutzen gegenüber den Schutzrechten des Einzelnen erkennen kann. Im Grunde schützt nur der Umstand, dass die Anwaltschaft die Fundgrube Internet noch nicht vollends erkannt hat, solche „Nutten”-Geiferer davor, von Advokaten in Grund und Boden geklagt zu werden. Ist für meine Begriffe aber nur eine Frage der Zeit…

Hasskommentare auf Facebook, aber kaum strafrechtliche Tatbestände

Ronny: Mich interessierte bei diesen Kommentaren vor allem eins: Inwieweit erfüllen die Kommentare strafrechtliche Tatbestände. Nachdem ich mir diese ansah, kam ich zu dem Urteil, strafrechtlich ist an den Kommentaren meist nichts auszusetzen.

Heiko: Das Recht der freien Meinungsäußerung wird im heutigen deutschen Rechtssystem sehr hoch gewichtet – deshalb ist es im Grundgesetz ganz oben, nämlich in Artikel 5, verankert. Dort steht aber auch: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ In ihrer Ehre wird Natascha Kampusch mit Sicherheit in den besagten Facebook-Kommentaren verletzt. Aber laut Verfassungsrechtsprechung muss der Rechtsbruch eine gewisse – von Fall zu Fall neu beurteilte – Schwelle überschreiten, damit er das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung „sticht“.

Viele der Kommentare sind zwar ungehörig und ehrverletzend, die besagte Schwelle wird aber für meine Begriffe dann doch nicht überschritten. Mit ein paar Ausnahmen: Eine Passage wie „Sperrt die Kampusch in den Keller zurück“ könnte beispielsweise als Anstiftung zu einer Straftat gewertet werden.

Wann kommt es zur ersten zivilrechtlichen Klage?

Ronny: Ich bind er Meinung, dass die meisten Kommentare zivilrechtlich Konsequenzen nach sich ziehen würden, wenn Natascha Kampusch etwas dagegen unternehmen würde. Zwar darf man „relative Personen der Zeitgeschichte“, wie sie im Juristendeutsch genannt werden, schärfer kritisieren als den einfachen Bürger, doch trotz dieser Tatsache erfüllten viele Kommentare den Tatbestand der Verleumdung und Beleidigung. Warum die Kommentatoren zivilrechtlich noch nicht verfolgt wurden, liegt einzig und allein daran, dass die betroffene Person scheinbar noch keine Klage einreichte.

Heiko: Ich kann jedem, der im Internet etwas an die schwarzen oder weißen Bretter nagelt, nur eine Frage ans Herz legen: Würdet Ihr das, was ihr dort schreibt, einem Bekannten, Nachbarn oder dem Betroffenen auch ins Gesicht sagen, wenn ihr ihm oder ihr gegenüber stehen würdet? Dafür sind die meisten Schwadronierer viel zu feige und wagen sich dies nur unter der Tarnkappe der – scheinbaren – Anonymität im Netz. Kein Wunder: Selbst wer keinen Schimmer von der Rechtslage hat, ahnt im „wirklichen“ Leben wohl, dass solche bösartigen Beschimpfungen Unrecht sind und Konsequenzen nach sich ziehen würden.

Wir sind mitverantwortlich, wenn Menschen im Web beleidigt werden

Ronny: Natürlich sollte es nicht das Ziel sein, möglichst viele Menschen aufgrund ihrer Äußerungen vor ein Gericht zu zerren. Doch einige Mitmenschen scheinen im Internet die Grenzen der Moral mit großen Schritten zu überschreiten. Warum dies so ist, darüber kann man nur spekulieren. Meine Erfahrungen zeigen aber, dies hat mehrere Gründe. Da wäre zum Einen die Plattform, auf der man solche Kommentare findet. Wird diese nicht aktiv durch einen guten Moderator betreut, kann es zu solchen Äußerungen kommen. Zudem ist natürlich auch die Community im Allgemeinen für solche Äußerungen verantwortlich. Desto mehr Gleichgesinnte sich finden, die sich mit den entsprechenden Kommentaren anstacheln, desto schneller findet man auch Entgleisungen.

Und was ist deine Meinung?

Wie siehst du dies? Bist du auch der Meinung, dass der Ton in den Social Communitys öfters tief unter der Gürtellinie liegt? Oder welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Sag uns deine Meinung in den Kommentaren und wenn du diesen Beitrag interessant fandest, dann teile ihn bitte mit deinen Freunden, durch einen Klick auf einen der folgenden Buttons.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Internet & IoT, Recht & Justiz

von

Über sich selber etwas zu schreiben ist wohl eines der schwierigsten Dinge. Ich versuche es trotzdem. Mein Name ist Ronny Siegel. Auf Computer-Oiger blogge ich über Software und Filme. Mehr über mich findest du auf meiner Google+ Seite. In diesem Sinne "Kreise mich ein", wenn du mehr erfahren möchtest ;)

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